Gewalt in Venezuela Maduro verurteilt Angriff auf das Parlament

Am venezolanischen Unabhängigkeitstag stürmten Schlägertrupps das Parlament, schlugen auf Abgeordnete ein und belagerten das Gebäude. Die Opposition macht Maduro verantwortlich, der beteuert jedoch das Gegenteil.

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Das von der Opposition dominierte Parlament wurde von einer Gruppe gewaltbereiter Männer gestürmt. Quelle: dpa

Caracas Nach dem Angriff von Regierungsanhängern auf Oppositionelle im venezolanischen Parlament hat Präsident Nicolás Maduro den Vorfall verurteilt. „Ich werde nie ein Komplize für Gewalttaten sein“, sagte er am Mittwoch (Ortszeit) bei einer Ansprache während einer Militärparade. Er beklagte jedoch, seine politischen Rivalen würden nicht genug unternehmen, um „Terrorattacken“ von Regierungsgegnern auf Sicherheitskräfte zu kontrollieren.

Mehr als neun Stunden belagerten mutmaßliche Anhänger des sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro das Parlament in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Oppositionsabgeordnete, Journalisten und Angestellte konnten das Gebäude verlassen. Mindestens zwölf Menschen wurden nach Angaben der Regierungsgegner verletzt, darunter fünf Abgeordnete der Nationalversammlung. Es waren blutverschmierte Menschen zu sehen, nachdem vermummte Schläger sie attackiert hatten. Der Abgeordnete Américo de Grazia erlitt Rippenbrüche und wurde bewusstlos ins Krankenhaus gebracht.

Sie hatten das Parlamentsgebäude im Zentrum von Caracas am Morgen gestürmt. Die in der Farbe der regierenden Sozialisten rot gekleideten Angreifer drangen zunächst in die Gärten des Parlaments ein und zündeten Feuerwerkskörper. Einigen Angreifern gelang es, bis auf die Flure des Parlaments vorzudringen, wo sie auf Oppositionsabgeordnete einschlugen.

Nach der Erstürmung des Parlaments blockierten dutzende Demonstranten den Eingang des Parlamentsgebäudes. Sie zündeten Feuerwerkskörper, riefen Parolen wie „Sie werden nicht herauskommen“ und beschimpften die oppositionellen Politiker als „Mörder“ und „Terroristen“. Am Abend zogen sich die Demonstranten schließlich zurück.

Oppositionsführer Henrique Capriles machte Maduro verantwortlich: „Man darf nicht vergessen, dass die ganze Gewaltzunahme von Maduro angeordnet worden ist. Erinnert Euch an die Kriegserklärung gegen uns Venezolaner.“ Maduro hatte angekündigt, das Sozialismusprojekt im Land mit den größten Ölreserven der Welt notfalls mit Waffen zu verteidigen.

Nach dem Angriff am venezolanischen Unabhängigkeitstag kam scharfe Kritik aus den USA. Die Gewalt sei ein Angriff auf die demokratischen Werte, für die Männer und Frauen vor 206 Jahren gekämpft hätten, sagte US-Außenamtssprecherin Heather Nauert. Am 5. Juli 1811 errang Venezuela die Unabhängigkeit von Spanien. Anlässlich der Feierlichkeiten waren die Kongressabgeordneten zusammengekommen, als Angreifer begannen, sie mit Holzstöcken und Metallstangen zu schlagen. Die Nationalgarde am Parlamentsgebäude schritt nicht ein, um die Abgeordneten zu schützen. Vier von ihnen wurden verletzt.

Trotz der Gewalt billigten die Politiker im Parlament ihr Vorhaben, ein symbolisches Referendum über Maduros Plan abzuhalten, die Verfassung umzuschreiben. Bürger sollen damit am 16. Juli die Möglichkeit bekommen, die Neuschreibung abzulehnen.

Es war die zweite Eskalation im venezolanischen Machtkampf innerhalb weniger Tage. Erst vergangene Woche hatte ein desertierter Polizist angeblich einen Polizeihelikopter gestohlen, 15 Schüsse auf das Innenministerium abgefeuert und mindestens zwei Granaten über dem Obersten Gericht abgeworfen. In der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition und der damit einhergehenden Gewalt in den Straßen Venezuelas kamen in den vergangenen Monaten bereits mehr als 90 Menschen ums Leben.

Auf Bildern war zu sehen, wie der Abgeordnete Armando Arias blutüberströmt behandelt werden musste. „Heute hat die Diktatur versucht, die Souveränität des Volkes anzugreifen“, teilte er über Twitter mit. Der Kampf für Freiheit und Demokratie werde weitergehen.

Laut Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diáz wird inzwischen gegen 4658 Personen beider Lager wegen der Todesfälle, Verletzungen und Sachbeschädigungen ermittelt. Für eine Vielzahl der Opfer werden Sicherheitskräfte, vor allem die militarisierte Polizei (Guardia Nacional), verantwortlich gemacht. Die Sozialistin Ortega Diáz ist zur Gegenspielerin von Maduro geworden und kritisiert das Vorgehen gegen die Demonstranten, die Maduro Misswirtschaft und die Umwandlung des Landes mit den größten Ölreserven in eine Diktatur vorwerfen.

Das Land ist in einer dramatischen Versorgungskrise, Mangel bestimmt den Alltag. Der von Maduro-Getreuen dominierte Oberste Gerichtshof will in Kürze über die Absetzung von Ortega entscheiden, die Verfahren gegen die Chefs der Nationalgarde und des Geheimdienstes (Sebin) eingeleitet hat. Ihre Absetzung könnte die Lage endgültig eskalieren lassen, viele fürchten inzwischen einen Bürgerkrieg.

Vor dem Sturm auf den Kongress hatte Vizepräsident Tareck El Aissami gewarnt, dass die Weltmächte Venezuela einmal mehr zu ihrem Spielball machen wollten. „Wir haben es noch nicht geschafft, endgültig die Ketten des Imperiums zu durchbrechen“, sagte er. Der Plan von Präsident Nicólas Maduro für eine neue Verfassung sei aber der beste Weg dorthin. Kritiker befürchten, dass Maduro dadurch seine Macht hin zu einer Diktatur ausbauen wird.

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