Globalisierung Was chinesische Investoren in Deutschland wollen

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Menschen- und Kapitaltransfer

In Hoppstädten-Weiersbach geht es um mehr als nur den Transfer von Kapital, schließlich leben die meisten der Bewohner ganz offensichtlich auch im Ort. „Viele unserer Kunden sind Geschäftsleute, die sich hier ansiedeln, um Handel zu treiben“, sagt Andreas Scholz. Die Idee für das Projekt hatte seine Ehefrau Jane Hou. Die gebürtige Chinesin tourte seit Langem als Vertreterin einer Papierfirma durch Europa, als sie 2011 auf die verlassene Kaserne im vermeintlichen Niemandsland aufmerksam wurde. „Für uns liegt das Gelände optimal“, erklärt Scholz. In 90 Minuten ist man am Flughafen Frankfurt, in drei Stunden in Paris und Trier, der touristisch höchst bedeutsame Geburtsort Karl Marx’ ist gleich um die Ecke. Noch im gleichen Jahr begannen die beiden mit dem Umbau, eröffneten zugleich Vertriebsbüros in Shenzhen und Shanghai. „Schon nach ein paar Monaten war klar, dass wir das gesamte Gelände vermarkten können würden“, sagt Scholz. Inzwischen bauen sie bereits drei reine Bürogebäude, in den kommenden Jahren sollen 500 Wohneinheiten hinzukommen.

Zehn interessante Fakten über China
Täglicher Griff zur ZigaretteUngesunder Rekord: In jeder Sekunde werden 50.000 Zigaretten in China angezündet. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Zahl der Raucher ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Inzwischen zünden sich 66 Prozent der männlichen Chinesen täglich mindestens eine Zigarette an. Bei den Frauen raucht nur jede Zwanzigste täglich. Quelle: rtr
Künstliche TannenbäumeKlar, China ist ein großes Land. Fast jeder fünfte Mensch lebt in dem Riesenreich, China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch in einigen Statistiken liegt das Land überproportional weit vorne. So ist das Riesenreich nicht nur der größte Textilproduzent, sondern auch weltweit führend in der Herstellung von künstlichen Tannenbäumen. 85 Prozent alle unechten Tannenbäume – so National Geographic – stammen aus China. Texte: Tim Rahmann Quelle: dpa
SchweinereichIn China leben nicht nur die meisten Menschen, sondern auch die meisten Schweine. 446,4 Millionen Eber und Säue lebten 2008 im Reich der Mitte, so die UN. Damit leben dort mehr Schweine als in den 43 nächst größten Ländern, gemessen an der Zahl der Tiere, zusammen. Zum Vergleich: In Deutschland werden aktuell rund 26,7 Millionen Schweine gehalten. Quelle: dpa
Geisterstädte im ganzen LandIn China wurde in den letzten Jahren massiv gebaut – auch in ländlichen Gegenden. Doch die Landflucht ließ vielerorts Geisterstädte entstehen. Mehr als 64 Millionen Wohneinheiten stehen im ganzen Land leer. Auch das größte Einkaufszentrum der Welt, … Quelle: dpa
McDonald’s allein auf weiter Flur… die "New South China Mall", hat reichlich Gewerbeflächen zu vermieten. 1500 Geschäfte finden dort Platz, 70.000 Käufer sollten täglich nach Dongguan pilgern. Doch die Realität sieht anders aus: 99 Prozent der Flächen sind unbenutzt, berichtete die britische Zeitung "Daily Mail". Nur ein paar Restaurants befinden sich in dem Gebäude, unter anderem Mc Donald’s. Quelle: AP
Bauboom geht weiterDennoch bauen die Chinesen fleißig weiter. Die Folge: Kein Land verbaut mehr Zement als China. 53 Prozent der weltweiten Nachfrage stammt aus dem Reich der Mitte, so Michael Pettis, China-Experte und Ökonom der Peking-Universität. Quelle: dpa
Barbie ist zu sexyWenn in China gerade nicht gebaut wird, werden in den zahlreichen Fabriken Güter produziert. Neben Textilien vor allem Spielwaren. Rennautos, Barbie-Puppen und Kuscheltiere: Fast 80 Prozent der deutschen Spielwaren stammen aus China. Vor Ort selbst sind Barbie-Puppen übrigens kein Verkaufsschlager. Für die Chinesen ist die kurvige Blondine zu sexy. Dort verkaufen sich vor allem niedliche Puppen. Quelle: AP

Auch wenn das Projekt in Hoppstädten-Weiersbach in seiner Dimension in Europa einmalig ist, die Idee dahinter ist in China inzwischen sehr verbreitet. In jeder chinesischen Metropole finden sich Dutzende Agenturen, die dem chinesischen Geld helfen, im Westen eine neue Heimat zu finden. Eine davon ist Qiaowai, die als eine der ersten Agenturen des Landes bereits seit 1999 Aufenthaltsgenehmigungen in anderen Ländern vermittelt. Nach Angaben der Gründerin Ding Ying hat ihre Firma in den vergangenen zwölf Jahren Investitionen über 3,6 Milliarden Euro vermittelt. Meist in die USA. Nun sieht sie zunehmend auch Europa als Ziel für ihre Arbeit. „Dort gibt es noch viele attraktive Investitionsobjekte für chinesische Käufer“, sagt Ding. Die Immobilienpreise seien noch vergleichsweise niedrig, selbst die Technologien von kleinen Unternehmen hoch entwickelt und versprächen gute Gewinne.

In einem telefonischen Beratungsgespräch verspricht ein Mitarbeiter von Qiaowai, innerhalb von zwei Monaten eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland ermöglichen zu können. „Der Prozess ist kompliziert, aber wir haben viel Erfahrung damit“, erklärt er. Dazu verspricht er Zugang zum „kostenlosen“ deutschen Gesundheits- und Rentensystem, der Arbeitslosenversicherung und nach dem Ruhestand eine Rente in Deutschland von mindestens 30.000 Euro pro Jahr.

Chinesen investieren gerne in Deutschland. Hier, finden sie, ist ihr Geld sicher. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Und die Nachfrage nach solchen Märchengeschichten ist immens. Denn der stille Exodus betrifft nicht nur wirtschaftliche Eliten. Viele Beamte und regierungsnahe Unternehmer haben in den vergangenen Jahren ihre Familien ins Ausland geschickt. In China nennt man sie deshalb nackte Beamte. Sie stehen im Verdacht, sich durch ihre Position bereichert zu haben und das veruntreute Geld nun über ihre Verwandten ins Ausland bringen zu wollen, um sich später selbst abzusetzen. Die chinesische Regierung geht zwar seit Langem gegen diese Beamten vor, aber auch diese mischen mit im Wettlauf um die besten Investitionsobjekte im Ausland.

Dass Chinesen dabei aufs Ausland setzen, hat nicht nur mit Zweifel oder Angst vor der Regierung zu tun, es fehlen auch schlicht gute Investitionsmöglichkeiten. In Städten wie Shanghai, Peking oder dem südchinesischen Shenzhen warnen Experten schon lange vor einer Immobilienblase. Die meisten Wohnungen sind hoffnungslos überbewertet. In Shanghai stiegen die Preise im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent und in der südchinesischen Stadt Shenzhen um knapp 57 Prozent. Viele wohlhabende Chinesen besitzen zudem bereits mehrere Wohnungen. Die chinesische Börse wiederum wirkt spätestens seit dem Börsencrash im Sommer mehr wie ein Casino. Deswegen sucht das Geld nun sichere Ziele im Ausland.

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