Globalisierung Was chinesische Investoren in Deutschland wollen

Milliarden-Investitionen aus China fließen nach Europa. Deutschland ist eines der beliebtesten Ziele. Gesprochen wird meist nur über strategisch wichtige Unternehmenskäufe. Die meisten Chinesen aber treiben ganz andere Motive.

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Ganze Immobilienkomplexe – wie hier durch Glückssymbole an einer Hunsrück-Haustür betont – wandern derzeit an chinesische Investoren. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Treffen sich 200 Chinesen im Wald ... So fangen Witze an, so beginnen aber auch Geschäftsmodelle. Im westlichen Hunsrück, wo Hase, Igel, Rheinland-Pfalz und das Saarland aufeinandertreffen, zum Beispiel. Dort findet sich einer der unwahrscheinlichsten Orte der Globalisierung. In Hoppstädten-Weiersbach, Ortsteil Neubrücke, am Kreisverkehr gleich rechts wird der deutsche Nutzwald zur sozialistischen Mustersiedlung. An drei Straßen kauern sich niedrige Wohnblöcke an den Hang.

„Für eine bessere Zukunft“ steht in Deutsch und Chinesisch auf großen Plakaten. Eine weitere Tafel berichtet vom bedeutenden Besuch eines unbedeutenden Offiziellen mit sehr langem Titel. Dazwischen Gruppen spielender chinesischer Kinder, ein älterer Mann spaltet Holz vor der Haustür. Mehr als 200 Chinesen leben inzwischen hier, „wir wurden selbst vom Erfolg des Projekts überrascht“, sagt Andreas Scholz, der als CEO des „Oak Garden“ firmiert, wie sie ihr Dorf hier nennen. 180 chinesische Unternehmen sind in den drei Straßen registriert.

Die deutsche Politik, und mit ihr die Öffentlichkeit, hat sich in den vergangenen Monaten viele Gedanken über chinesische Investoren gemacht: Mal werden die Übernahmen großer Unternehmen wie die des Abfallkonzerns EEW anerkennend gewürdigt, mal kleinere wie die des Hamburger IT-Entwicklers Smaato interessiert verfolgt. Dann wieder gilt es, den Augsburger Roboterhersteller Kuka gegen einen Angriff aus China zu verteidigen und so die deutsche Zukunft in der Industrie 4.0 zu retten, wenn auch vergeblich.

von Melanie Bergermann, Martin Seiwert

Die Motive auf chinesischer Seite aber scheinen klar: Weil das Land zu abhängig von der Schwerindustrie ist, ermuntert die Staatsführung chinesische Unternehmen, auch im Ausland notwendige Technologie durch Übernahmen zu kaufen. „Going Out“-Strategie nennt sie das.

Laut KPMG haben chinesische Unternehmen alleine 2016 bereits gut fünf Milliarden Euro in deutsche Unternehmen aus dem Industrie- und Chemiesektor investiert. Eine Studie des Beratungshauses MSL befand, dass chinesische Investoren dabei im Durchschnitt 20 Prozent Preisaufschlag zahlen müssen – und dazu auch bereit sind. „Die aktuellen Akquisen erinnern mich an eine hektisch einberufene Shoppingtour“, sagt ein hochrangiger Deutschlandvertreter einer großen amerikanischen Investmentgesellschaft. Offensichtlich wird diese Hektik, wenn der Blick auf chinesische Übernahmeversuche jenseits solcher Musterfälle wie Kuka fällt.

Denn die staatliche Strategie ist das eine, den weit größeren Teil der chinesischen Investments in aller Welt erklärt etwas anderes: Chinas Unternehmer- und Geldelite macht sich auf, in großem Stil Geld ins Ausland zu bringen – gerne auch zu Mondpreisen. Erst im Juni sorgte ein chinesischer Investor für Aufsehen, der den Flughafen Hahn vom Land Rheinland-Pfalz kaufen wollte und dabei eine zweistellige Millionensumme bot, die weit über dem Wert der staatlichen Investitionsruine lag. Nur ein paar Monate vorher hatte sich ein Landsmann am Flughafen Lübeck verzockt, der bereit war, den Airport anders als alle Konkurrenten ohne Beihilfen zu betreiben – und ihn nur Monate später schon wieder vom Flugbetrieb abmelden musste.

Deutsche sehen China als Bedrohung
Wirtschaftsmacht37 Prozent der befragten Deutschen assoziieren mit China vor allem eine starke Wirtschaftsmacht. Faszination und Angst polarisieren hierzulande die Bevölkerung im Bezug auf Chinas ökonomische Stärke. Das Land wird als Schlüsselrolle für die eigene und internationale Entwicklung gesehen und 57 Prozent der Befragten beurteilen die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen sogar als wichtiger als die zu den USA. Gleichzeitig geht mit dem Wirtschaftsboom Chinas aber auch die Angst einher, chinesische Unternehmen könnten deutsche Firmen von den internationalen Märkten verdrängen. 59 Prozent der Deutschen empfinden Chinas starke Wirtschaft daher als Bedrohung. Quelle: dpa/dpaweb
BevölkerungswachstumBabyboom und Bevölkerungswachstum, daran denken 20 Prozent der Deutschen, wenn sie das Stichwort China hören. Derzeit leben 1,35 Milliarden Menschen in China, die Bevölkerungsdichte beträgt 143 Einwohner pro Quadratkilometer. Doch die Bevölkerung wird noch weiter wachsen, um 0,6 Prozent pro Jahr. Für 2032 rechnen Statistiken mit 1,467 Milliarden Menschen in China, bei einer gleichbleibenden Fertilitätsrate von 1,7 Kindern pro Frau. Viele Deutsche sehen das auch als Bedrohung an. Quelle: REUTERS
Kommunismus15 Prozent fällt spontan der Kommunismus ein, wenn sie an China denken. Während China im ökonomischen Bereich erfolgreich in den internationalen Handel eingebettet wurde und sich für ausländische Investoren geöffnet hat, ist das Land politisch in den Augen der Deutschen weiterhin ein diktatorisches Ein-Parteien-System unter Führung der Kommunistischen Partei. Die ist mit etwa 78 Millionen Mitglieder nicht nur die größte kommunistische Partei der Welt, sondern auch die mitgliederstärkste Partei allgemein. Deutsche verbinden mit ihr ein vornehmlich negatives Bild. Quelle: REUTERS
Chinesische MauerMan kennt sie aus Reiseprospekten und gefühlt jedes zweite China-Restaurant ist nach ihr benannt. Nicht weiter verwunderlich also, dass 15 Prozent der Befragten mit China die Chinesische Mauer assoziieren. Sie gilt als Weltkulturerbe und erstreckt sich über 21.196 Kilometer. Früher sollte die Mauer vor allem zum Schutz vor Völkern aus dem Norden dienen, heute ist sie eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Chinas und lockt Reisende aus aller Welt an. 36 Prozent der Befragten haben daher sehr großes oder großes Interesse an China als Reiseland. Quelle: dpa
Chinesisches EssenPeking-Ente, Reis süß-sauer - und das alles mit Stäbchen: 14 Prozent der befragten Deutschen denken beim Stichwort China an chinesisches Essen. Was Viele aber nicht wissen: Chinesisches Essen ist nicht gleich chinesisches Essen. Die meisten der 23 Provinzen Chinas haben ihre eigene Regionalküche. Zu den populärsten gehört die würzige Küche aus Sichuan, die gerne Sojasauce, Ingwer und Frühlingszwiebeln verwendet, die scharfe Xiang-Küche aus Hunan und die kantonesische Yue-Küche, die vor allem durch die Verwendung ungewöhnlicher Zutaten wie Hundefleisch bekannt geworden ist. Übrigens: Die Peking-Ente ist das berühmteste Gericht der chinesischen Küche. Quelle: REUTERS
MenschenrechtsmissachtungEbenfalls 14 Prozent fallen zu China Menschenrechtsverletzungen ein. Auf die Frage, wo sie das Land gegenwärtig und in 15 Jahren beim Schutz der Menschenrechte sehen, ordneten 60 Prozent der Befragten die Volksrepublik in die Schlussgruppe ein, nur 1 Prozent sieht China als Spitzengruppe in Bezug auf Menschenrechte. Auch das Bild Chinas als ein Rechtsstaat stößt auf wenig Zustimmung bei den Deutschen. 49 Prozent stimmten der Aussagen gar nicht zur, nur 1 Prozent sieht China als Rechtsstaat an. 80 Prozent der befragten Bevölkerung geht außerdem davon aus, dass in China kaum oder keine Debatten über politische Themen geführt werden. Quelle: dpa
Diebstahl von Ideen12 Prozent denken, China spioniere deutsche Unternehmen aus und verkaufe die Ideen aus dem Westen als eigene. Nachgebaute Ware aus China, oft zum Spottpreis, macht deutschen Unternehmen das Leben schwer. Auch das Markenimage chinesischer Produkte ist bei den befragten Deutschen schlecht. So assoziieren viele Konsumenten in Deutschland chinesische Produkte mit einfache, technisch wenig anspruchsvolle Billigware. Quelle: dpa

Auch beim schwäbischen Recyclingkonzern Scholz, der im Mai vom chinesischen Konzern Chiho-Tiande übernommen wurde, ist das Risiko hoch. Als die Chinesen zugriffen, steckte das Unternehmen bereits in allerhöchster Finanznot.

Aus chinesischer Perspektive betrachtet, sind alle diese Investitionen Teil einer Kapitalflucht: 2015 flossen laut dem amerikanischen Institute of International Finance schätzungsweise 606 Milliarden Euro Kapital aus dem Land. Sieben Mal mehr als im Jahr zuvor. Im Januar waren es noch einmal mehr als 100 Milliarden Euro. Die Zahlen verdeutlichen, wie gering der Glaube an den Yuan ist und vor allem das Vertrauen in die Fähigkeit Pekings, in Krisenzeiten die Stabilität im Land zu garantieren. Viele chinesische Unternehmer, die nach der wirtschaftlichen Öffnung in den Siebzigerjahren reich geworden sind, fürchten mittlerweile um ihr Geld. Dazu kommt Präsident Xi Jinpings Vorgehen gegen Korruption.

Laut einer Umfrage der Barclays Bank will rund die Hälfte aller Millionäre China in den kommenden fünf Jahren verlassen. Laut der Shanghaier Immobilienvermittlungsplattform Juwai.com, die weltweit Investitionsobjekte für chinesische Käufer listet, ist Berlin dieses Jahr erstmals die beliebteste Stadt bei chinesischen Häuserkäufern.

Spätestens nach einem kleinen Spaziergang durch die chinesische Exklave Hoppstädten-Weiersbach, wo an jedem Klingelschild drei, vier Unternehmensnamen stehen, laufen all diese Überlegungen auf die einfache Frage hinaus: Was wollen die alle hier?

Menschen- und Kapitaltransfer

In Hoppstädten-Weiersbach geht es um mehr als nur den Transfer von Kapital, schließlich leben die meisten der Bewohner ganz offensichtlich auch im Ort. „Viele unserer Kunden sind Geschäftsleute, die sich hier ansiedeln, um Handel zu treiben“, sagt Andreas Scholz. Die Idee für das Projekt hatte seine Ehefrau Jane Hou. Die gebürtige Chinesin tourte seit Langem als Vertreterin einer Papierfirma durch Europa, als sie 2011 auf die verlassene Kaserne im vermeintlichen Niemandsland aufmerksam wurde. „Für uns liegt das Gelände optimal“, erklärt Scholz. In 90 Minuten ist man am Flughafen Frankfurt, in drei Stunden in Paris und Trier, der touristisch höchst bedeutsame Geburtsort Karl Marx’ ist gleich um die Ecke. Noch im gleichen Jahr begannen die beiden mit dem Umbau, eröffneten zugleich Vertriebsbüros in Shenzhen und Shanghai. „Schon nach ein paar Monaten war klar, dass wir das gesamte Gelände vermarkten können würden“, sagt Scholz. Inzwischen bauen sie bereits drei reine Bürogebäude, in den kommenden Jahren sollen 500 Wohneinheiten hinzukommen.

Zehn interessante Fakten über China
Täglicher Griff zur ZigaretteUngesunder Rekord: In jeder Sekunde werden 50.000 Zigaretten in China angezündet. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Zahl der Raucher ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Inzwischen zünden sich 66 Prozent der männlichen Chinesen täglich mindestens eine Zigarette an. Bei den Frauen raucht nur jede Zwanzigste täglich. Quelle: rtr
Künstliche TannenbäumeKlar, China ist ein großes Land. Fast jeder fünfte Mensch lebt in dem Riesenreich, China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch in einigen Statistiken liegt das Land überproportional weit vorne. So ist das Riesenreich nicht nur der größte Textilproduzent, sondern auch weltweit führend in der Herstellung von künstlichen Tannenbäumen. 85 Prozent alle unechten Tannenbäume – so National Geographic – stammen aus China. Texte: Tim Rahmann Quelle: dpa
SchweinereichIn China leben nicht nur die meisten Menschen, sondern auch die meisten Schweine. 446,4 Millionen Eber und Säue lebten 2008 im Reich der Mitte, so die UN. Damit leben dort mehr Schweine als in den 43 nächst größten Ländern, gemessen an der Zahl der Tiere, zusammen. Zum Vergleich: In Deutschland werden aktuell rund 26,7 Millionen Schweine gehalten. Quelle: dpa
Geisterstädte im ganzen LandIn China wurde in den letzten Jahren massiv gebaut – auch in ländlichen Gegenden. Doch die Landflucht ließ vielerorts Geisterstädte entstehen. Mehr als 64 Millionen Wohneinheiten stehen im ganzen Land leer. Auch das größte Einkaufszentrum der Welt, … Quelle: dpa
McDonald’s allein auf weiter Flur… die "New South China Mall", hat reichlich Gewerbeflächen zu vermieten. 1500 Geschäfte finden dort Platz, 70.000 Käufer sollten täglich nach Dongguan pilgern. Doch die Realität sieht anders aus: 99 Prozent der Flächen sind unbenutzt, berichtete die britische Zeitung "Daily Mail". Nur ein paar Restaurants befinden sich in dem Gebäude, unter anderem Mc Donald’s. Quelle: AP
Bauboom geht weiterDennoch bauen die Chinesen fleißig weiter. Die Folge: Kein Land verbaut mehr Zement als China. 53 Prozent der weltweiten Nachfrage stammt aus dem Reich der Mitte, so Michael Pettis, China-Experte und Ökonom der Peking-Universität. Quelle: dpa
Barbie ist zu sexyWenn in China gerade nicht gebaut wird, werden in den zahlreichen Fabriken Güter produziert. Neben Textilien vor allem Spielwaren. Rennautos, Barbie-Puppen und Kuscheltiere: Fast 80 Prozent der deutschen Spielwaren stammen aus China. Vor Ort selbst sind Barbie-Puppen übrigens kein Verkaufsschlager. Für die Chinesen ist die kurvige Blondine zu sexy. Dort verkaufen sich vor allem niedliche Puppen. Quelle: AP

Auch wenn das Projekt in Hoppstädten-Weiersbach in seiner Dimension in Europa einmalig ist, die Idee dahinter ist in China inzwischen sehr verbreitet. In jeder chinesischen Metropole finden sich Dutzende Agenturen, die dem chinesischen Geld helfen, im Westen eine neue Heimat zu finden. Eine davon ist Qiaowai, die als eine der ersten Agenturen des Landes bereits seit 1999 Aufenthaltsgenehmigungen in anderen Ländern vermittelt. Nach Angaben der Gründerin Ding Ying hat ihre Firma in den vergangenen zwölf Jahren Investitionen über 3,6 Milliarden Euro vermittelt. Meist in die USA. Nun sieht sie zunehmend auch Europa als Ziel für ihre Arbeit. „Dort gibt es noch viele attraktive Investitionsobjekte für chinesische Käufer“, sagt Ding. Die Immobilienpreise seien noch vergleichsweise niedrig, selbst die Technologien von kleinen Unternehmen hoch entwickelt und versprächen gute Gewinne.

In einem telefonischen Beratungsgespräch verspricht ein Mitarbeiter von Qiaowai, innerhalb von zwei Monaten eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland ermöglichen zu können. „Der Prozess ist kompliziert, aber wir haben viel Erfahrung damit“, erklärt er. Dazu verspricht er Zugang zum „kostenlosen“ deutschen Gesundheits- und Rentensystem, der Arbeitslosenversicherung und nach dem Ruhestand eine Rente in Deutschland von mindestens 30.000 Euro pro Jahr.

Chinesen investieren gerne in Deutschland. Hier, finden sie, ist ihr Geld sicher. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Und die Nachfrage nach solchen Märchengeschichten ist immens. Denn der stille Exodus betrifft nicht nur wirtschaftliche Eliten. Viele Beamte und regierungsnahe Unternehmer haben in den vergangenen Jahren ihre Familien ins Ausland geschickt. In China nennt man sie deshalb nackte Beamte. Sie stehen im Verdacht, sich durch ihre Position bereichert zu haben und das veruntreute Geld nun über ihre Verwandten ins Ausland bringen zu wollen, um sich später selbst abzusetzen. Die chinesische Regierung geht zwar seit Langem gegen diese Beamten vor, aber auch diese mischen mit im Wettlauf um die besten Investitionsobjekte im Ausland.

Dass Chinesen dabei aufs Ausland setzen, hat nicht nur mit Zweifel oder Angst vor der Regierung zu tun, es fehlen auch schlicht gute Investitionsmöglichkeiten. In Städten wie Shanghai, Peking oder dem südchinesischen Shenzhen warnen Experten schon lange vor einer Immobilienblase. Die meisten Wohnungen sind hoffnungslos überbewertet. In Shanghai stiegen die Preise im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent und in der südchinesischen Stadt Shenzhen um knapp 57 Prozent. Viele wohlhabende Chinesen besitzen zudem bereits mehrere Wohnungen. Die chinesische Börse wiederum wirkt spätestens seit dem Börsencrash im Sommer mehr wie ein Casino. Deswegen sucht das Geld nun sichere Ziele im Ausland.

Industrie und Immobilien

Deutschland hat dabei in China einen sehr guten Ruf. Nicht nur im Bezug auf Industrieprodukte, auch die Immobilien sind für Chinesen attraktiv. Im Hunsrück bekommen sie die Wohnung schon für 90 000 Euro, andere Angebote auf chinesischen Seiten wie für ein Haus in Schlüchtern nahe Frankfurt (12 Millionen Euro) oder eine Villa im Hamburger Stadtteil Harvestehude (6,5 Millionen) sind nicht so verbraucherfreundlich. Sie versprechen dafür anderes, was der chinesische Markt nicht bieten kann: 730 Quadratmeter Wohnfläche darunter zehn Bäder, einen Swimmingpool und einen weitläufigen Garten.

Projektentwickler Andreas Scholz. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Immobilien in den Großstädten sind vor allem Trophäen. Ein Symbol für den Reichtum der Investoren, die damit zu Hause wie mit ihren Sportwagen und teuren Uhren angeben wollen. In China nennt man diese Käufer tuhao. Eine mögliche Übersetzung des Wortes wäre neureich. Ein wenig besser trifft es aber wohl die zweite Übersetzungsmöglichkeit: reich, aber dumm.

Viele Chinesen nutzen diese Möglichkeit auch, um im Ausland schneller eine Firma aufsetzen zu können oder in anderen Ländern einfacher an Visa zu kommen. „Dabei geht es vor allem um Flexibilität“, sagt ein junger Chinese, Mitte 20, der in Shanghai lebt, aber häufiger für Familiengeschäfte in die USA fliegt. Obwohl er sich mit der Geschäftswelt in den USA und internationalen Investments auskennt, hat er für die Beantragung der Greencard und die Auswahl der entsprechenden Investition in den USA auf eine Agentur zurückgegriffen, die sich darauf spezialisiert hat.

So benehmen Sie sich in China richtig

Er konnte zwar das Investitionsobjekt selbst wählen, bekam aber eine vorsortierte Auswahl durch die Agentur vorgelegt. „Es ging dabei ja nicht um die Rendite“, so der junge Chinese, der für die Greencard insgesamt eine halbe Million Dollar investieren und mehrere Zehntausend Euro an die Agentur bezahlen musste.

Der Zugang zu einem Schengen-Visum ist auch für die Waldbewohner im Oak Garden von entscheidender Bedeutung. „Als Händler sind sie darauf angewiesen, sich in Europa frei bewegen zu können“, sagt Projektleiter Andreas Scholz. Manche EU-Länder haben das bereits als Geschäftsmodell für sich entdeckt, in Griechenland oder Litauen sind nur sehr geringe Investitionen in Immobilien notwendig, um ein Schengen-Visum zu bekommen.

In Deutschland ist das eigentlich deutlich schwieriger, 300.000 Euro müssen investiert und eine Handvoll Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch das sind nur Richtwerte. Im Hunsrück zeigt sich, dass letztlich etwas ganz anderes ausschlaggebend ist: das Wohlwollen der örtlichen Industrie- und Handelskammer. Denn die begutachtet die Businesspläne der ansiedlungswilligen Chinesen und gibt dem Ausländeramt dann eine Empfehlung, ob Aufenthaltsgenehmigungen erteilt werden sollen.

Wir investieren munter in aller Welt. Aber kommen die Investitionen zu uns, ist die Angst groß. Höchste Zeit, dass Deutschland ein Rendezvous mit der Globalisierung hat.
von Max Haerder, Christian Ramthun, Gregor Peter Schmitz

„Viele meiner Kollegen lassen sich davon abschrecken, dass die chinesischen Unternehmer deutlich flexibler denken als wir deutschen“, sagt Thomas Wild von der IHK Koblenz, zuständig für das ungewöhnliche Projekt im Wald. „Da ändert sich schon mal die Adresse oder der Geschäftszweck“, sagt er, „aber wir haben bisher nur gute Erfahrungen gemacht.“ So kann der Oak Garden seinen Kunden ein Rundumpaket bieten: Wer hier eine Wohnung kauft, der muss sich von der Geschäftsanmeldung bis zur Einschulung der Kinder um keine Formalitäten mehr kümmern. Dann lässt es sich auch im deutschen Mittelgebirge gut leben.

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