Jerusalem ist der Sehnsuchtsort der Europäer: der Ort, an dem Christus starb, die Straßen, über die der Heiland ging. In Zeiten, als der Kontinent von religiösem Furor in der Weise ergriffen war, wie es heute weite Teile der islamischen Welt sind, trieb diese Sehnsucht tausende Männer und ihre Familien in das Heilige Land, um es von den Arabern zu befreien, die es im Jahre des Herrn 637, kurz nach Beginn der islamischen Expansion, siegreich belagert hatten.
Auch für den jungen Islam wurde das Zentrum des Monotheismus zu einem Sehnsuchtsort. Hier stehen sich Muslime und Christen in nichts nach. Der Ort wäre allerdings nie zu dem, was er geworden ist, ohne das Judentum. Jesus von Nazareth war Jude und wallfahrtete in die Heilige Stadt. Als Zentrum geistlicher und weltlicher Herrschaft, mit der Sesshaftwerdung und der Errichtung des Tempels wird Jerusalem zum kultischen und kulturellen Mittelpunkt dieser Religion.
Die Muslime hatten Mekka und Medina, die Christenheit Rom und, seinerzeit noch, Konstantinopel. Das Politische in ihren Religionen wurde dort verhandelt, das Spirituelle ausgelagert: so konnten die Päpste für den Marsch nach Jerusalem mobilisieren, genauso wie heute radikale Akteure die Gläubigen des Islam drängen, mit Zorn nach Jerusalem zu blicken.
Im Abendland wurde man das Problem vagabundierender und marodierender Ritter und das eine oder andere innenpolitische Problem durch die Kreuzzüge los. Die Fixierung auf Jerusalem in dem einen oder anderen Winkel der islamischen Welt heute folgt dem gleichen Schema. Jerusalem sagen, damit man den Friedensprozess nicht voranbringen oder den Palästinensern nicht wirklich helfen muss.
Die Provisorien, in denen diese seit Jahrzehnten leben müssen, die Autonomiebehörde, die mit ausländischen Hilfszahlungen kein vorzeitiges Ende ihres privilegierten Zustands herbeiführen wird, all das sind Zeichen dafür, dass es von Seiten der arabischen oder türkischen Nachbarn kein wirkliches Interesse gibt, das Problem zu entschärfen. Es ist eben leichter, Jerusalem zu rufen, als an Lösungen zu arbeiten.
Was Sie zum Streit um Jerusalem wissen müssen
Der künftige Status Jerusalems ist eine der zentralen Streitfragen im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Mit Ende des britischen Mandats hatten die Vereinten Nationen sich 1947 für eine internationale Verwaltung der Stadt ausgesprochen, die von Gläubigen aller drei Weltreligionen als Heiligtum verehrt wird.
Im ersten Nahost-Krieg 1948 besetzten der neu gegründete Staat Israel jedoch den westlichen und Jordanien den östlichen Teil Jerusalems. Damit war die Stadt de facto geteilt. Während des Sechs-Tage-Kriegs 1967 eroberte Israel dann auch den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems und beansprucht seither die ganze Stadt als seine „ewige und unteilbare Hauptstadt“. Den Anspruch der Palästinenser auf den Ostteil als künftige Hauptstadt eines unabhängigen Palästinenserstaats lehnt Israel ab.
Verschiedene Lösungsvorschläge der USA sahen eine Aufteilung der Stadtgebiete unter Israelis und Palästinensern vor. „Was jüdisch ist, bleibt jüdisch, was arabisch ist, wird palästinensisch“, lautete die Formel des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Der frühere US-Außenminister John Kerry sprach von einer „international anerkannten Hauptstadt zweier Staaten“, betonte aber, eine erneute Teilung sei nicht erstrebenswert.
Brennpunkt der religiösen Spannungen in Jerusalem ist der Tempelberg in der Altstadt - für Muslime „Al-Haram al-Scharif“ (Das edle Heiligtum). Hier standen ehemals jüdische Tempel, heute beten an der Stelle Muslime in der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom mit seiner vergoldeten Kuppel. Der heilige Ort steht offiziell unter muslimischer Verwaltung. An der allein stehengebliebenen Westmauer des ehemaligen jüdischen Tempelbezirks, der Klagemauer, beten die Juden. Auch für die Christen sind viele Stätten in der Stadt heilig, vorrangig darunter die Grabeskirche in der Altstadt.
Jerusalem ist für das Judentum alles in einem: spirituelles Zentrum, politische Mitte, Kristallisation all dessen, was Jude sein über die Jahrtausende bedeutet hat und bedeutet. Die Christenheit hat andere Orte, so hat sie der Islam. Alleine schon geschichtlich versteht es sich daher, dass Jerusalem die Hauptstadt des israelischen Staates ist und nicht etwa die durchaus sympathische, aber dennoch sehr junge Party-Hochburg Tel Aviv.
Die Heiligen Stätten des Christentums und des Islam müssen vom israelischen Staat besonders sensibel betrachtet und gehandhabt werden, denn sie sind unsere Sehnsuchtsorte. Dort wo religiöses Sehnen und messianische Hoffnung kulminiert, sind Fanatismus und Aberglaube nicht fern. Der Hinweis auf US-amerikanische Evangelikale, die es befeuert haben sollen, dass Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt anerkennt und die Botschaft der Vereinigten Staaten dorthin verlegt, und so die Endschlacht, Harmagedon, heraufbeschwören wollen, um so das zweite Kommen unseres Herrn zu erzwingen, mag als ein Beispiel genügen.