Grenze zu Syrien Die Türkei mauert sich ein

Donald Trump redet von einer Mauer, Recep Tayyip Erdogan baut sie: Die türkische Grenze zu Syrien wird dichtgemacht. Die Sperranlagen sollen Terroristen zurückhalten – aber nicht nur.

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Die Mauer schränkt nicht nur die Bewegungsmöglichkeiten des IS und der kurdischen PKK ein. Sie sind auch für Flüchtlinge und Migranten ein kaum zu überwindendes Hindernis. Quelle: AP

Athen Seit drei Jahren wird gebaut, jetzt ist das Projekt fast vollendet: eine Mauer an der Grenze zu Syrien. Diese Woche meldete der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik im Parlament die Fertigstellung eines 700 Kilometer langen Abschnitts. Die Mauer, die vom staatlichen Wohnungsbauunternehmen Toki mit Unterstützung des Militärs errichtet wurde, besteht aus zwei Meter breiten und drei Meter hohen vorgefertigten Betonelementen und einer „Krone“ aus messerscharfem Stacheldraht. Damit ist der größte Teil der rund 900 Kilometer langen Grenze zu Syrien nun gesichert. Nach offizieller Lesart soll das Sperrwerk vor allem die Infiltration von Kämpfern des so genannten „Islamischen Staats“ (IS) verhindern.

Die Türkei war in früheren Jahren in die Kritik geraten, weil sie den IS in der Grenzregion weitgehend ungehindert gewähren ließ. Über die Grenze zwischen der Türkei und Syrien verliefen lange die wichtigsten Versorgungslinien der Terrormiliz. Verwundete IS-Kämpfer wurden in Kliniken der türkischen Grenzprovinzen verarztet. Der IS konnte über die Türkei auch tausende in Europa rekrutierte Kämpfer nach Syrien schleusen. Die USA und Europa setzten die Türkei deshalb unter Druck, ihre Grenze zu Syrien besser zu sichern.

Mit dem Bau der Mauer wurde 2014 begonnen. Nach dem schweren IS-Terroranschlag in der türkischen Grenzstadt Suruc im Sommer 2015 wurden die Arbeiten beschleunigt. In Ankara wuchs die Befürchtung, dass die Türkei zunehmend selbst in den Fokus der Terrormiliz geraten würde – keine unbegründete Sorge, wie sich inzwischen zeigte.

Die Mauer soll aber nicht nur ein Bollwerk gegen die IS-Terroristen sein. Sie hat vor allem den Zweck, die kurdischen Bevölkerungen auf beiden Seiten der Grenze zu trennen und die Bewegungsfreiheit der kurdischen Terrororganisation PKK sowie ihrer syrischen Ableger einzuschränken. Die Regierung in Ankara fürchtet, dass im Norden Syriens ein eigener Kurdenstaat entsteht. Das könnte neue Autonomiebestrebungen der türkischen Kurden anfachen.

Verteidigungsminister Isik kündigte im Parlament an, dass auch an den Grenzen der Türkei zu anderen Nachbarländern Sperren errichtet werden sollen. An der iranischen Grenze habe der Bau einer Mauer bereits begonnen, sagte der Minister. Die Region ist ein Rückzugsgebiet der PKK. Sie unterhält auf der iranischen Seite der Grenze Lager, in denen sich nach Erkenntnissen des türkischen Geheimdienstes 800 bis 1000 Kämpfer aufhalten. Als ein Brennpunkt der PKK-Aktivitäten gilt auch die iranische Stadt Maku, die 22 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt ist. Ein Großteil der Einwohner der Region sind Kurden.


Mauer hält auch Flüchtlinge fern

Die Regierung in Teheran steht den türkischen Plänen zur Verstärkung der Grenzsicherungen wohlwollend gegenüber. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Bau einer Mauer an der iranischen Grenze“, zitierte kürzlich die „Tehran Times“ einen Offiziellen des Außenministeriums. Die iranische Regierung hofft offenbar, so den florierenden Schmuggel in der Grenzregion eindämmen zu können.

Das Projekt dürfte aber auf technische Schwierigkeiten stoßen. Während die Grenze zu Syrien meist über weite Ebenen verläuft, was den Bau einer Mauer begünstigt, ist das Grenzgebiet zum Iran größtenteils unwegsames Bergland. Die Türkei will deshalb zunächst nur einen rund 70 Kilometer langen, zugänglichen Abschnitt der Grenze im Norden mit einer Mauer sichern. Im restlichen Verlauf plant man Zäune und Wachtürme. Ebenso schwer zugänglich ist die Grenzregion zum Irak. Die Rebellen der PKK nutzen diese Geografie. Sie unterhalten in den Bergen des Nordirak ihre wichtigsten Lager und ihr Hauptquartier. Von dort stoßen sie immer wieder in die Türkei vor. Verteidigungsminister Isik kündigte an der irakischen Grenze den Bau eines „integrierten Sicherheitssystems“ an, das aus physischen Sperren wie Mauern und Zäunen und aus „Scheinwerfern, Sensoren, Kameras, Ballons und Drohnen“ bestehen soll.

Die Mauer zu Syrien und die geplanten Sperranlagen zum Irak und Iran schränken nicht nur die Bewegungsmöglichkeiten des IS und der kurdischen PKK ein. Sie sind auch für Flüchtlinge und Migranten ein kaum zu überwindendes Hindernis. Die Türkei gibt die Zahl der syrischen Kriegsflüchtlinge, die sie beherbergt, mit rund drei Millionen an.

Dass diese Zahl in den vergangenen Monaten trotz der heftigen Kämpfe bei der Rückeroberung einstiger Rebellenhochburgen offenbar nicht gestiegen ist, dürfte ein Ergebnis des Mauerbaus sein. Hilfsorganisationen berichten, dass die Türkei nur noch verletzte Flüchtlinge ins Land lässt. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen sind bereits knapp eine Million Kriegsflüchtlinge an der türkischen Grenze gestrandet. Sie warten in Lagern auf der syrischen Seite darauf, dass sich die Mauer vielleicht doch noch für sie öffnet.

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