Griechenland-Krise Das Katz-und-Maus-Spiel des Alexis Tsipras

Die Geldgeber kehren nach Athen zurück, um die Gespräche mit Griechenland fortzusetzen. Es ist bereits ihr dritter Anlauf. Denn die Tsipras-Regierung bremst bei den Reformen. Dabei braucht sie dringend Finanzspritzen.

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Bei der Umsetzung der Programmauflagen zum dritten Hilfspaket für Griechenland gibt es weiter Skepsis. Quelle: dpa

Athen Nach den Ausschweifungen des Karnevals feiern die Griechen „Kathara Deftera“, den „reinen Montag“. Er markiert den Beginn der vorösterlichen Fastenzeit. Dazu passt, dass die Vertreter der Gläubiger am Dienstag in Athen erwartet werden, um ihre Gespräche mit der griechischen Regierung wieder aufzunehmen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem höhere Steuern und neue Einschnitte bei den Renten.

Die Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Euro-Stabilitätsmechanismus ESM und des Internationalen Währungsfonds (IWF) wollen in Athen die zweite Prüfrunde fortsetzen. Es geht um die Auflagen des dritten Hilfspakets von bis zu 86 Milliarden Euro, auf das sich Athen und die Geldgeber im Sommer 2015 geeinigt hatten, um einen drohenden Staatsbankrott Griechenlands abzuwenden. Diese Überprüfung sollte eigentlich bereits im Frühjahr 2016 abgehakt sein. Sie verzögert sich aber aus mehreren Gründen. Einer ist der Streit der Geldgeber um die künftige Rolle des IWF bei der Griechenlandrettung und die Frage, ob und wann Griechenland Schuldenerleichterung braucht.

In diesem Punkt zeichnet sich nach dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit IWF-Chefin Christine Lagarde in der vergangenen Woche ein Kompromiss ab. Er könnte so aussehen, dass man bereits in nächster Zeit über die bisher von Berlin strikt abgelehnten Schuldenerleichterungen für Griechenland berät, diese aber erst nach Abschluss des laufenden Programms Mitte 2018 in Kraft setzt – sofern Athen alle Reform- und Haushaltsziele erreicht und sich für die folgenden Jahre zu weiteren Sparmaßnahmen verpflichtet.

Was die Umsetzung der Programmauflagen angeht, gibt es allerdings Skepsis. Die von Alexis Tsipras geführte Koalition aus Links- und Rechtspopulisten bremst bei den Reformen. Das ist der Hauptgrund für die ständigen Verzögerungen des Programms. Vorgaben wie die Liberalisierung des Arbeits- und Tarifvertragsrechts, die Renten- und Steuerreform sowie die Öffnung des Energiemarktes hat Tsipras bisher nicht umgesetzt, weil er Konflikte mit den Gewerkschaften und dem kommunistischen Flügel der eigenen Partei scheut. Auch gegen die Privatisierungen gibt es innerhalb der Regierung erhebliche Widerstände.

Während ähnliche Programme in Krisenländern wie Irland, Portugal, Spanien und Zypern bereits im ersten Durchgang gegriffen haben, befindet sich Griechenland bereits im dritten Anlauf. Die meisten Vorgaben, um die es jetzt geht, waren schon Bestandteile der ersten beiden Programme, wurden aber nicht oder unvollständig umgesetzt. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft stellt in seiner jüngsten Studie fest, die Ursache für die schlechte Verfassung der griechischen Wirtschaft sei vor allem in der „mangelnden Bereitschaft zur Umsetzung der Reformen in der Politik und der Bevölkerung“ zu suchen.

Die jetzt beginnenden Gespräche könnten deshalb besonders schwierig werden, weil sich der griechische Verhandlungsführer Finanzminister Euklid Tsakalotos offenbar eine neue Prozedur ausgedacht hat. Wie die Zeitung „Kathimerini“ berichtet, will Tsakalotos jeden Verhandlungsschritt mit einer Kommission des regierenden Linksbündnisses Syriza abstimmen. So will der Minister sich absichern und die politische Verantwortung auf möglichst viele Schultern verteilen. Dies würde bedeuten, dass er ständig zwischen dem Sitzungssaal im Athener Hilton-Hotel, wo er mit den Vertretern der Gläubiger spricht, und der Syriza-Parteizentrale pendeln muss – ein Verfahren, das die Verhandlungen endlos hinauszögern oder sogar von vornherein zum Scheitern verurteilen könnte.


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Denn innerhalb der Regierungspartei gibt es erhebliche Widerstände gegen weitere Reformen. So ist fraglich, ob die Partei die von den Geldgebern geforderten Änderungen beim Streik- und Tarifvertragsrecht sowie den Gewerkschaftsgesetzen mitträgt. Auch die Forderung der Gläubiger, den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer von derzeit 8636 Euro auf etwa 6000 Euro abzusenken und bei den höheren Renten Abstriche vorzunehmen, bringt die Regierung in große politische Bedrängnis – zumal Tsipras ohnehin mit desolaten Umfragewerten konfrontiert ist. In einer vor zehn Tagen publizierten Erhebung führen die oppositionellen Konservativen mit 13 Prozentpunkten Abstand vor Syriza.

Tsipras versichert zwar, dass es trotz der schwierigen Materie gelingen kann, die Verhandlungen bis zur nächsten Sitzung der Eurogruppe am 20. März einzutüten. Aber diesen Abschluss hatte er schon nacheinander für November, Dezember und Februar versprochen. In Kreisen der Gläubiger befürchtet man denn auch, dass sich die Gespräche noch bis April, Mai oder noch länger hinziehen werden. Vom Abschluss der Prüfung hängt die Freigabe weiterer Hilfskredite ab. Zwar gibt es in Athen keinen akuten Finanzbedarf. Aber im Juli werden größere Tilgungen und Zinszahlungen fällig, die ohne neue Finanzspritzen kaum zu stemmen sind.

Auch an eine Aufnahme Griechenlands in Anleihekaufprogramm (QE) der EZB ist erst nach einem Abschluss der Prüfung zu denken. Das wäre ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte und würde die griechischen Banken stabilisieren. Die griechische Wirtschaft brauche „eine Lösung hier und jetzt“, mahnt der Industrieverband SEV. Ein Land, das „ständig unter dem Damoklesschwert des Grexit“ stehe, könne keine Investoren anlocken. Auch der griechische Zentralbankchef Yannis Stournaras drängt jetzt auf eine rasche Einigung. Nur dann könne die griechische Wirtschaft Dynamik entwickeln und das Wachstumsziel für dieses Jahr erreichen.

Die Notenbank erwartet für dieses Jahr einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts um 2,5 Prozent. Verfehlt Griechenland wegen der immer neuen Verzögerungen bei den Gläubigerverhandlungen das Wachstumsziel, könnten zusätzliche Sparmaßnahmen im Haushalt nötig werden, die die Konjunktur weiter ausbremsen – ein Teufelskreis.

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