Griechenland-Krise Immer neue Forderungen aus Athen sorgen für Unmut

Griechenland rennt die Zeit davon. Dem Land droht das Geld auszugehen. Immer neue Vorschläge aus Athen zur Lösung der Schuldenkrise verschärfen aber die Lage eher noch. In Berlin reagiert man zunehmend gereizt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Beißen mit ihren Forderungen zur Lösung der Schuldenkrise bei den EU-Partnern auf Granit: der griechische Premier Tsipras (l.) und sein Finanzminister Varoufakis. Quelle: ap

Berlin Der Vize-Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans Michelbach, hat die griechische Regierung aufgefordert, ernsthafte Vorschläge zur Lösung der Schuldenkrise des Mittelmeerlandes vorzulegen. „Die neue griechische Regierung jongliert mit immer neuen Forderungen und Vorschlägen. Es ist längst nicht mehr klar, wer was wie ernst in Athen meint“, sagte Michelbach dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Wünschenswert wäre deshalb mehr Ernsthaftigkeit.“

Scharfe Kritik äußerte Michelbach am griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis und dessen Forderung nach einem deutschen Rettungsplan für Griechenland.

Varoufakis hatte mit Blick auf die Schuldenkrise seines Landes im Interview mit der „Zeit“ erklärt: „Ich stelle mir einen Merkel-Plan vor, nach dem Vorbild des Marshall-Plans. Deutschland würde seine Kraft nutzen, um Europa zu vereinigen. Das wäre ein wundervolles Vermächtnis der deutschen Bundeskanzlerin.“ Der Minister begründete seinen Vorstoß mit dem Hinweis, dass Deutschland das mächtigste Land Europas sei. „Ich glaube, dass die EU davon profitieren würde, wenn Deutschland sich als Hegemon verstünde. Aber ein Hegemon muss Verantwortung übernehmen für andere“, sagte er. „Das war der Ansatz der USA nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Michelbach sagte dazu: „Dass jetzt ausgerechnet ein Syriza-Minister eine deutsche Hegemonie in Europa fordert, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Schließlich hat Syriza Deutschland im Wahlkampf und auch noch danach als Quelle allen Übels hingestellt.“ Es gebe für Deutschland keinen Grund zu handeln, betonte der CSU-Politiker. „Zur Überwindung der Schuldenkrise gibt es klare Verträge zwischen Griechenland und seinen Partnern, die erfüllt werden müssen.“

Gereizt auf den Vorstoß des griechischen Finanzministers reagierte auch der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU). „Es ist wenig sinnvoll, auf die sich nahezu stündlich ändernden Forderungen aus Griechenland einzugehen“, sagte Barthle dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Wir erwarten von der neuen Regierung, dass sie ihrer Verantwortung gerecht wird und ein Konzept vorlegt, wie das Land wieder auf eigenen Beinen stehen kann, ohne ständig am Tropf anderer zu hängen.“

Aus den Gesprächen in Brüssel über den künftigen Kurs Griechenlands haben derweil Athen und führende EU-Vertreter unterschiedliche Schlüsse gezogen. Ministerpräsident Alexis Tsipras äußerte sich „sehr optimistisch“, dass man im Schuldenstreit eine praktikable Lösung finden werde. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte dagegen, die Diskussion mit den Ländern der Euro-Gruppe werde schwierig. Für sie sei wichtig, dass die neue griechische Regierung kooperiere und entschlossene Anstrengungen unternehme. Auch nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) ist eine Lösung noch nicht in Sicht.


EZB blockt Griechen-Forderungen ab

Tsipras will sein Land in den Bereichen Korruption, Steuervermeidung und öffentlicher Verwaltung reformieren. Im Gegenzug fordert er weniger strenge Regeln für Schuldenabbau und Defizitgrenzen. Finanzminister Varoufakis sprach in Frankfurt am Main mit EZB-Präsident Matrio Draghi und bezeichnete das Treffen anschließend als fruchtbar. Von Draghi gab es keinen Kommentar.

Die Europäische Zentralbank ist dem Vernehmen nach nicht bereit, die Laufzeiten griechischer Kredite zu verlängern. Das war auch zu erwarten, wie Ökonom Christian Schulz vom Bankhaus Berenberg betonte: „Mit einem Schuldenumtausch oder anderen Formen der freiwilligen Hilfe würde die EZB den Staat finanzieren. Und das ist illegal.“ Daher müsste die EZB ihre Geldflüsse nach Athen stoppen, wenn sich die Regierung nicht mit der EU auf ein Programm einigt.

Gleichzeitig wird die Notenbank die gegenwärtige Obergrenze von 15 Milliarden Euro für die Ausgabe von kurzfristigen Geldmarktpapieren („T-Bills“) nach Informationen aus Finanzkreisen nicht - wie von der griechischen Regierung gefordert - um zehn Milliarden Euro erhöhen. Mit diesem Vorschlag wollte sich die Regierung in Athen für einige Monate finanzieren, bis eine umfassendere Regelung mit den Schuldnern des Landes verhandelt ist. Allerdings ist auch die Obergrenze Bestandteil der Vereinbarungen zwischen EU und Griechenland. Die EZB könne sie nicht einfach ohne Zustimmung der EU-Finanzminister ändern, hieß es in Frankfurt.

Den Gegenwind am Kapitalmarkt bekam die Regierung bereits am Mittwoch zu spüren. Erstmals nach dem Antritt der Regierung besorgte sich das schuldengeplagte Land am freien Markt frisches Geld und traf dabei auf die geringste Nachfrage seit Mitte 2006. Bei der Auktion von Geldmarktpapieren flossen knapp 813 Millionen Euro in die Kasse. Der Zinssatz für die Papiere mit einer sechsmonatigen Laufzeit lag dabei der Schuldenagentur PDMA zufolge mit 2,75 Prozent deutlich höher als bei einer ähnlichen Auktion im Vormonat (2,3 Prozent).

Ende des Monats läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus. Griechische Banken könnten dann Hellas-Staatsanleihen nicht mehr bei der EZB als Sicherheiten für Zentralbankgeld hinterlegen. Andere Sicherheiten dürften die Institute aber nicht in ausreichendem Umfang halten. Damit droht ihnen das Geld auszugehen, sie wären auf Notfall-Hilfen der griechischen Notenbank (ELA) angewiesen. Allerdings kann der EZB-Rat diese Hilfe verbieten, wenn er eine Rückzahlung der Gelder für unwahrscheinlich hält.


Varoufakis glaubt an die Solidarität Deutschlands

Die Bundesbank fordert beim Zugang griechischer Banken zu Zentralbankgeld einen harten Kurs. Sobald klar sei, dass Athen die Voraussetzungen für die Ausnahmeregel zur Hinterlegung griechischer Staatsanleihen bei der EZB nicht mehr erfülle, müsse die Zentralbank die Ausnahme kippen, sagte Bundesbankchef Jens Weidmann der „Börsen-Zeitung“. Er ergänzte: „Auch wenn allen bewusst ist, dass ein solcher Schritt gravierende Konsequenzen für das griechische Finanzsystem hätte.“

Zudem plädierte Weidmann auch bei der Bewilligung der Notfallkredite ELA („Emergency Liquidity Assistance“) für eine strikte Haltung. „Ich bin der Auffassung, dass wir bei ELA strenge Maßstäbe anlegen sollten.“ Wenn das Konsequenzen habe für die Finanzstabilität, müsse die Politik handeln. „Entscheidungen, ob und wie Banken über Wasser gehalten oder abgewickelt werden sollen, müssen Regierungen und Parlamente treffen.“

EU-Parlamentspräsident Schulz warnt schon vor einer Staatspleite. „Wenn Griechenland einseitig die Verträge aufkündigt, ist die andere Seite auch nicht mehr verpflichtet sie einzuhalten“, sagte Schulz dem Handelsblatt (Donnerstagausgabe). „Dann fließt kein Geld mehr nach Athen, und der Staat kann sich nicht finanzieren.“ Nur wenn die griechische Regierung ihre Verpflichtungen gegenüber den europäischen Partnern erfülle, könne über Zugeständnisse an Athen geredet werden.

So könne die EU dafür sorgen, dass wohlhabende Griechen ihr im Ausland geparktes Vermögen zuhause versteuern müssen. „Wenn Tsipras darum bittet, wird man Mittel und Wege finden, um dem Fiskus den Zugriff auf Vermögen im EU-Ausland zu ermöglichen“, führte Schulz aus. „Das gilt auch für Konten in Ländern, mit denen die EU Steuerabkommen geschlossen hat.“

Am Donnerstag will sich Varoufakis in Berlin mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) treffen. Griechenlands Finanzminister bat die EU-Partner um mehr Zeit zur Erarbeitung von Lösungsvorschlägen. Die EU solle sein Land nicht mit einem Ultimatum unter Druck setzen, sagte Varoufakis in einem ARD-Interview. „Gebt uns bis Ende Mai, bis zum Anfang des Sommers, damit wir unsere Lösungsvorschläge auf den Tisch bringen können, um mit unseren Partnern darüber zu beraten“, sagte er. „Dann können wir im Sommer neue Absprachen zwischen Griechenland und Europa treffen.“

Zudem forderte Varoufakis Deutschland auf, die neue Regierung in Athen zu unterstützen. Er sei sich sicher, dass sich jeder in Deutschland solidarisch zeige, erklärte er. An erster Stelle in seinem Appell nannte er Finanzminister Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es sei nicht im Interesse Deutschlands oder Griechenlands, dass sich die Situation verschlechtere. „Denn seien wir ehrlich: Der Nationalismus verbreitet sich und kontaminiert Europa“, fügte der Minister hinzu. „Wir möchten nicht noch einmal die postmodernen 30er Jahre auf diesem Kontinent erleben.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%