Griechenland-Krise Skepsis und Verhandlungen über neuem Tsipras-Vorstoß

Athen hat als erstes entwickeltes Land eine fällige IWF-Rate nicht bezahlt, das Hilfsprogramm ist ausgelaufen. Trotzdem geht das Pokern weiter. EU-Kommission und Bundesregierung sind skeptisch, aber verhandlungsbereit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Rate an den IWF nicht bezahlt, das Hilfsprogramm ausgelaufen – doch noch verhandeln Athen und die EU um eine Lösung im Schuldenstreit. Quelle: Reuters

Athen/Brüssel/Berlin Die Rate an den Internationalen Währungsfonds ist nicht bezahlt, das Hilfspaket der Geldgeber aufgezehrt - trotzdem suchen Athen, Brüssel und Berlin weiter nach einer Lösung im Schuldendrama. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras schrieb einen neuen Brief an die Geldgeber, darin zeigt er sich bereit, die vorrangigen Bedingungen der Gläubiger grundsätzlich zu erfüllen. Nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist das aber noch keine Grundlage für eine Lösung der Krise.

„Der hat auch nicht mehr Klarheit geschafft“, sagte Schäuble mit Blick auf den jüngsten Brief. Die Ankündigungen aus Athen reichten für „seriöse Maßnahmen“ nicht aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilte Verhandlungen mit der griechischen Regierung über ein neues Hilfsprogramm vor dem für Sonntag geplanten Referendum eine Absage.

Tsipras hatte am Wochenende überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt und die Europartner so vor den Kopf gestoßen. Daraufhin scheiterten am Samstag die Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit Athen.

Der Euro-Rettungsfonds EFSF - Griechenlands größter Kreditgeber - wertet unterdessen die verpasste Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds als Zahlungsverzug der Regierung in Athen. Daraus ergäben sich für den EFSF drei Handlungsoptionen, teilte dessen Chef Klaus Regling am Mittwoch mit: Möglich sei die Kündigung der EFSF-Kredite an Griechenland mit der Forderung nach sofortiger Rückzahlung oder der Verzicht auf diese Kreditzahlung oder der Vorbehalt, erst später zu handeln.

Die Regierung in Athen schuldet dem EFSF 130,9 Milliarden Euro an Krediten, die allerdings erst in einigen Jahren zurückgezahlt werden müssen. Würde der Rettungsfonds das Geld sofort zurückfordern, würde dies die Lage in Griechenland nochmals dramatisch verschärfen. Die EU-Kommission drängt den EFSF jedoch, dies nicht zu tun, solange Beratungen über mögliche weitere Hilfen an Griechenland noch ausstehen.

EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis sagte in Brüssel, die Entscheidung über das weitere Handeln liege bei den Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission werde den 19 Euro-Finanzministern eine Einschätzung des jüngsten Hilfsersuchens aus Athen unterbreiten. Die Beratungen fänden nun in einer „anderen wirtschaftlichen Situation statt“ als noch vorige Woche.

Die Finanzminister wollten am Mittwochnachmittag in einer Telefonkonferenz über die Bitte aus Athen beraten, einen neuen, auf zwei Jahre angelegten Kredit zu gewähren. Das Büro von Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte erklärt, aus dem Rettungsschirm ESM - der auf Dauer angelegten Nachfolgeinstitution des EFSF - könnten die finanziellen Bedürfnisse des Landes abgedeckt und die Schulden umgeschichtet werden.

Dombrovskis sagte weiter, ein neues Hilfsprogramm könnte noch vor dem 20. Juli abgeschlossen werden. „Es gibt sicherlich die Möglichkeit, zu einer Abmachung zu kommen, bevor höhere (Rück-)Zahlungen fällig sind.“ Das setze jedoch die Bereitschaft der Geldgeber und Athens voraus, tatsächlich eine Vereinbarung anzustreben.


Banken bleiben geschlossen – außer für Rentner

Die aktuellsten griechischen Vorschläge könnten in Verhandlungen für das neue Rettungsprogramm eingebracht werden. „Wir sind bereit, zu verhandeln und zu einer Lösung kommen“, sagte der für den Euro verantwortliche Kommissar. „Dazu müssen sich beide Seiten konstruktiv verhalten.“ Die Kommission prüfe die jüngsten Zusagen und werde der Eurogruppe eine erste Einschätzung geben. Die Finanzminister der Eurostaaten wollen am späten Nachmittag in einer Telefonkonferenz über die Lage beraten.

Merkel machte deutlich, dass es vor dem geplanten Referendum von deutscher Seite keine neuen Verhandlungen geben werde. „Die Tür für Verhandlungen war immer offen und bleibt immer offen“, betonte Merkel zwar in einer Bundestagsdebatte über die Lage in Griechenland in Berlin. Die schwarz-rote Bundesregierung habe sich aber darauf verständigt, das Referendum abzuwarten. „Vor dem Referendum kann über kein neues Hilfsprogramm verhandelt werden.“

Wegen der dramatischen Zuspitzung der Lage bleiben Banken und Börse in Griechenland bis Anfang kommender Woche geschlossen. In den vergangenen Tagen hatten immer mehr verängstigte Bürger Bargeld abgehoben und damit die Geldhäuser in Schwierigkeiten gebracht. An Geldautomaten dürfen Griechen seit Montag maximal 60 Euro pro Tag abheben, für ausländische Bankkarten soll die Beschränkung aber nicht gelten.

Am Mittwoch öffneten Geldinstitute im ganzen Land für Rentner. Die Banken hatten diese Ausnahme ermöglicht, da viele Pensionäre keine EC- oder Kreditkarten haben und somit in den vergangenen Tagen an den Automaten kein Bargeld abheben konnten. Weil die Banken allerdings kurzfristig angekündigt hatten, Rentner in alphabetischer Reihenfolge zu bedienen, kam es zwischenzeitlich zu Tumulten, wie griechische Medien berichteten.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%