Grünen-Chef Cem Özdemir "Jeder weiß, dass Euro-Bonds kommen werden"

Der Grünen-Chef findet Euro-Bonds besser als alle Alternativen. Er sieht die Front gegen die Gemeinschaftsanleihen bröckeln. Selbst Wolfgang Schäuble sei schon auf seiner Seite.

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Grünen-Chef Cem Özdemir Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Özdemir, warum sind die Grünen für die Einführung von Euro-Bonds?

Özdemir: Weil Euro-Bonds besser als alle Alternativen sind. Wir können uns nicht weiter von Gipfel zu Gipfel schlängeln. Ein Krisengespräch jagt inzwischen das nächste, die Kosten für den Rettungsschirm klettern immer höher, und dennoch beruhigen sich die Märkte nicht. Schlimmstenfalls droht ein Zerbrechen des Euro. Das können wir nicht wollen.

Man könnte die Rettungspakete ja auch erst mal wirken lassen. Haben Sie einen Hang zur Schwarzmalerei?

Keinesfalls. Die Reaktion der Märkte zeigt doch eines: Solange es keine politische Führung in Europa gibt, kommen die Einschläge immer näher. Es wird den Euro-Raum überfordern, wenn Spanien oder Italien unter den Rettungsschirm schlüpfen müssten. Nationalstaatliche Lösungen und die Forderung, dass diese Länder sich allein aus der Krise heraussparen müssen, werden nicht funktionieren. Wir brauchen eine europäische Lösung – und dazu gehört, dass die Zinsen für die Krisenländer auf ein erträgliches Maß abgesenkt werden.

Sollen die etwa weniger sparen, weil die gesunden Länder schon haften werden?

Ganz im Gegenteil. Euro-Bonds sind ein Instrument, um alle Länder zu mehr Disziplin in der Haushaltspolitik zu zwingen. Wer sie in Anspruch nimmt, der muss Souveränität nach Brüssel abgeben. Das bedeutet dann ein klares Ende des Schuldenmachens, denn niemand wird sich leichtfertig entmachten lassen und sich umso mehr anstrengen, die Regeln einzuhalten.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wollen eine europäische Wirtschaftsregierung und eine Schuldenbremse für alle Länder – das Vorspiel für Euro-Bonds?

Natürlich. Jeder weiß, dass Euro-Bonds kommen werden. Wir Grünen plädieren schon seit zwei Jahren dafür, die CDU folgt uns nun mit einiger Verspätung. So verstehe ich Finanzminister Wolfgang Schäuble, der gesagt hat, er sei so lange gegen gemeinsame Anleihen, wie es nicht auch Instrumente für eine gemeinsame Finanzpolitik auf EU-Ebene gibt. Er hat im Prinzip recht damit, dass wir mit der Einführung von Euro-Bonds auch eine stärkere Vergemeinschaftung brauchen. Inzwischen sucht doch auch Frau Merkel nach Wegen, wie sie das alles innenpolitisch durchsetzen kann. Die Ablehnung von Euro-Bonds hat wenig mit ökonomischen Erwägungen zu tun, sondern allein mit drei Buchstaben: FDP.

Die Zinsen von Bundesanleihen aber steigen, wenn wir für Krisenstaaten haften.

Ja, es wird nicht zum Nulltarif zu haben sein, aber immer noch billiger, als sich von Rettungsschirm zu Rettungsschirm zu hangeln. Aber das wird nicht in dem Maße geschehen, wie es derzeit beschrieben wird. Wir müssen das Risiko für uns begrenzen: Da gibt es etwa ein überzeugendes Konzept des Brüsseler Bruegel- Institutes, das die Schuldenaufnahme über Euro-Bonds auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt. Ein Land, das darüber hinaus Schulden macht, trägt dafür selbst Verantwortung.

Die Märkte würden dann gegen die ‧nationalen Anleihen wetten, die nicht über die Euro-Zone abgedeckt sind.

Um das zu verhindern, muss eines klar sein: Es gibt keine ökonomische Lösung ohne eine politische. Es gibt keine Euro-Bonds, wenn die Länder nicht gleichzeitig auf Souveränität verzichten.

Wie viel Einfluss müssen sie hergeben?

Wir brauchen einen europäischen Finanzminister, der so viel Macht hat, dass er tatsächlich für die EU-Finanzminister sprechen darf. Alle Länder müssen Kompetenzen nach Brüssel abgeben und ihre Haushalte überprüfen lassen. Anders als die Bundesregierung will ich das aber nicht über den Rat absegnen lassen, sondern die Rolle des Europäischen Parlamentes stärken. Bisher gibt es keine parlamentarische Kontrolle im Euro-Raum. Wir könnten aus dem EU-Parlament eine parlamentarische Versammlung des Euro-Raumes gründen. Sonst würde das Gefühl vieler Menschen verstärkt, dass Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden.

Schlimmer ist das Gefühl, für die Schulden aller Krisenländer mitzuhaften.

Das muss man an den realen Alternativen messen. Was würde uns als Exportweltmeister der Fall des Euro kosten? Schauen Sie doch, wie die Schweiz gerade mit dem starken Franken kämpft. Was kosten uns immer größere Rettungsschirme? Wer bei Sinnen ist, kann doch nicht einfach den Zerfall des Euro oder ein Immer-weiter-So forcieren.

Was würden uns Euro-Bonds kosten?

Das kann gegenwärtig niemand exakt beziffern, da es von der Ausgestaltung abhängt. Es ist aber klar, dass sich die Belastungen für uns im überschaubaren Rahmen abspielen müssen.

Das ifo Institut schätzt die Kosten auf jährlich 47 Milliarden Euro. Halten Sie das für überschaubar?

Verglichen mit dem, was uns der Zerfall des Euro und damit der EU kosten würde, wäre das eine sinnvolle Investition in eine dauerhaft stabile Währung. Aber die Zahlen des ifo Instituts halte ich für völlig überzogen.

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