Handelsminister Manturow Russland umgarnt deutsche Investoren

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Russland, ein Markt mit vielen Hürden

Vorbei scheinen damit die Zeiten, da sich Russland dem Westen ab- und China zuwandte. Dabei liegt der strategisch gedachte Handschlag zwischen Präsident Wladimir Putin und dem Staatsoberhaupt aus Peking keine anderthalb Jahre zurück. In der Zwischenzeit gelang es der russischen Regierung offenbar nicht, die Handelsbeziehungen mit den Chinesen als sinnvolle Alternative zum Europa-Handel auszubauen. Das Volumen des Warenumschlags brach mit China ebenso ein wie mit Europa; nennenswerte Investitionen kamen nicht ins Land. Speziell in Deutschland, so sieht man es nun wohl auch in Moskau, finden die Russen doch die zuverlässigeren Technologiepartner.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Die echten Lackmustests stehen allerdings erst noch bevor. Politisch stehen die Sanktionen einem Neustart zwischen Ost und West im Wege. Solange die von Russland unterstützten Separatisten statt der Kiewer Regierung die ukrainisch-russische Grenze kontrollieren, wird Brüssel die Sanktionen wegen Russlands Rolle eher verlängern statt aufzuheben. Manturow verurteilt diese im WiWo-Gespräch als „völkerrechtswidrig“ und behauptet, Russland könne nichts zur Aufhebung der Sanktionen beitragen. Das sei eine Entscheidung der Staats- und Regierungschefs.

Praktisch wirtschaftspolitisch sind die Russen ebenfalls weit davon entfernt, wieder Vertrauen unter deutschen Investoren zu gewinnen. Autohersteller wie Volkswagen und deren Zulieferer kämpfen mit Überkapazitäten, da die aktuelle Zollpolitik den Export unattraktiv hält – der Binnenmarkt aber am Boden liegt. Im Maschinenbau fehlt auch wegen der Sanktionen das Kapital für langfristig angelegte Investitionen, sogar im Konsumgütersektor sinkt die Nachfrage. Dieses Jahr wird die Wirtschaftskraft wohl um mehr als vier Prozent schrumpfen, ehe ab 2016 eine Phase der Stagnation beginnt. Chancen sehen anders aus.

Überdies bleibt Russland ein Markt mit vielen Hürden, wie sich dem Minister während eines Besuchs bei Siemens in Berlin gezeigt haben dürfte. Siemens müsste in Russland hofiert werden: Die Münchner sind dem Markt seit mehr als 160 Jahren treu, sie investieren auch in Zeiten schlechte Konjunktur kräftig in neue Fabriken, die Vorstandschefs machen Putin gar in Phasen schärfster politischer Krisen den Hof – und dennoch kommt Siemens in Russland bei staatlichen Aufträgen kaum zum Zuge.

Nagelneue Werke wie die Gasturbinenfabrik in Sankt Petersburg oder die Kompressoren-Fabrik im südrussischen Woronesch sind ansatzweise ausgelastet, wie die WiWo erfuhr. „Die haben fast nichts mehr zu tun“, sagt jemand, der die Werke kennt. Siemens will sich zu „Spekulationen“ über geringe Auslastung nicht äußern und verweigert Journalisten derzeit auch den Zugang zu russischen Werken. Was nicht dafür spricht, dass der Konzern am Mittwoch ein Umsatzwachstum für das Russlandgeschäft vorlegen wird.

Vorstand Siegfried Russwurm beklagte im Gespräch mit Minister Denis Manturow den eingeschränkten Zugang des Konzerns bei staatlichen Aufträgen in Russland. Der widersprach im Interview nur, alle in- und ausländischen Bieter hätten bei Ausschreibungen dieselben Chancen. Das wird man nicht nur bei Siemens anders sehen – und die Zukunft wird zeigen, ob sich daran etwas ändert.

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