Hartz IV New York macht vor, wie Arbeitsvermittlung funktioniert

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Szenenwechsel. Ein Kleinbus bringt die Hessen in den New Yorker Stadtbezirk Queens, zur Niederlassung der städtischen Parkverwaltung.

Das ist eine riesige Behörde mit rund 10 000 hauptamtlichen Mitarbeitern, Zuständigkeit für 4000 Grünflächen, 1000 Spielplätze, 600 Sportplätze und 14 Meilen Strand. Und dann eben auch der größte Arbeitgeber für Übergangsjobs in New York. Ständig laufen 2500 bis 3000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die je ein halbes Jahr dauern.

Eine Diskussion, ob die Zeit-Jobs reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängen, gibt es nicht. Viele New Yorker erinnern sich, wie viele ihrer Parks noch Mitte der Neunzigerjahre als kaum betretbar galten.

Die Teilnehmer verdienen 9,21 Dollar pro Stunde. Sie kehren drei oder vier Tage pro Woche Laub, reparieren Rutschbahnen und überwachen die Ordnung im Park: nicht immer die attraktivsten Tätigkeiten. Aber „wir bläuen unseren Klienten ein: Du musst Schritt für Schritt gehen, dann schaffst du es“, sagt Annika Holder, bei der Parkverwaltung für das Jobprogramm verantwortlich.

In der restlichen Zeit erhalten sie eine Weiterbildung, und die muss keineswegs mit Grünflächen zu tun haben. Einige lassen sich zur Krankenhilfsschwester ausbilden, andere zum Lkw-Fahrer oder zur Bürokraft.

Einfach mehr Mut

Burelbach ist voll des Lobs. „Vorbildlich. Stringent. Das gibt es bei uns nicht!“ Wer in Deutschland für ein Zubrot zum Arbeitslosengeld von einem Euro Wege kehrt, wird zwar beschäftigt, aber nicht qualifiziert.

Die Deutschen diskutieren untereinander: Kann man das übernehmen? Lassen die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs eine begleitende Qualifizierung zu? Wohl nicht, lautet die enttäuschende Erkenntnis. Doch der Helfer ist vielleicht nah: Marcus Lübbering, in der hessischen Staatskanzlei für Verwaltungsmodernisierung verantwortlich und Reisebegleiter der Arbeitsvermittler.

Er verspricht, sich zu Hause für eine Gesetzänderung stark zu machen: „Wir brauchen manchmal einfach mehr Mut.“

Im Bus von Queens zurück ins zentrale Manhattan, brütet Burelbach über einer Liste, die er auf die Rückseite eines Info-Zettels geschrieben hat. „Schnelligkeit“ steht da und „Konsequenz“, „Aktivierung“ und „Incentives“. „Darum sind die Amerikaner so erfolgreich“, erklärt er. Er tippt auf „Aktivierung“: „Ganz wichtig. Die Leute müssen beschäftigt sein, sie dürfen nicht vercouchen.“

Mit Mängeln leben

Natürlich gibt es auch in New York Menschen, die sich gegen eine Vermittlung sperren. Um mit Mr. Fields zu sprechen: „Es wird immer Leute geben, die mit dem System Katz und Maus spielen.“ Dafür halten auch die innovativen Amerikaner keine Lösung parat. „Wir versuchen es weiter“, sagt Mr. Fields lachend. Aus der Gelassenheit, mit der die Amerikaner ein gelegentliches Scheitern akzeptieren, lässt sich vielleicht auch etwas lernen.

Es gibt noch mehr, was den Deutschen gefällt. Die Hilfsempfänger haben „Benefit Cards“, auf denen sämtliche persönliche Daten und die Fallgeschichte elektronisch gespeichert sind.

Die Bearbeiter ziehen sie durch ein Lesegerät und haben alle Informationen auf dem Bildschirm. Die Karten können gleichzeitig mit einem Guthaben – der Transferzahlung – aufgeladen werden. Praktisch, aber... „Ist es den Leuten nicht peinlich, mit der Karte einkaufen zu gehen?“, fragt einer vorsichtig. „Überhaupt nicht“, sagt Mr. Fields, „sie können sie an der Supermarktkasse durchziehen wie eine Kreditkarte.“

Nicht nur die Sozialhilfeempfänger werden in New York straff geführt. Die Mitarbeiter im Job Center müssen ihre Anwesenheit mit einem Handscan nachweisen. Von wegen Vertrauensarbeitszeit. Die Deutschen wechseln Blicke. „Alles“, sagt Frau Herzberg-Pirih, „muss man ja vielleicht nicht übernehmen.“ 

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