Harvard-Jugend-Umfrage "Junge Amerikaner haben das Vertrauen verloren"

Der Ansehensverlust des Kapitalismus wird durch den Präsidentschaftswahlkampf verstärkt, glaubt John Della Volpe von der Harvard University. Seine Umfrage zeigt eine enttäuschte Generation, die ihren Idealismus aber nicht verloren hat.

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Bernie Sanders Fans Quelle: AP

Wie ist die politische Stimmung unter jungen Amerikanern im Frühling des Wahljahres 2016?

Die jungen Leute sind trotzig und haben kein Vertrauen zu den meisten großen Institutionen, die Amerika regieren. Rund die Hälfte von ihnen glauben, dass der Amerikanische Traum tot ist, dass die Justiz beeinträchtigt ist und dass unsere Politik nicht die Probleme lösen kann, vor denen unser Land steht. Dennoch kümmern sie sich um ihre Gemeinden und das Land. Und sie haben Hoffnung – Hoffnung, dass die Themen, die Bernie Sanders, der mehr als 70 Prozent der jungen Stimmen in den Vorwahlen gewann, nicht verschwinden, wenn es Herbst wird.

51 Prozent der jungen Amerikaner halten nichts von “Kapitalismus”, wie Ihr Harvard University Survey gerade feststellt. An was denken Amerikaner heute bei diesem Wort?

John Della Volpe ist Direktor für Umfragen am Institut für Politik der Harvard University in Cambridge/Massachusetts. Quelle: PR

Seit etwa einem Jahrzehnt oder sogar schon länger hört man selten das Wort Kapitalismus in einem positiven Umfeld – vor allem nicht im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf. Während des Kalten Krieges war Kapitalismus das Gegenmittel zum Kommunismus. Doch in den Köpfen der jungen Amerikaner von heute ist es das Gegenmittel zum Fortschritt und zu sozialer Gerechtigkeit. Die Hälfte der 18-29-Jährigen, die den Kapitalismus nicht unterstützen, sagen mir, dass sie ihn ablehnen, weil er zu viele Menschen zurücklässt. Sie glauben, dass der Kapitalismus von heute zu leicht von den Super-Reichen manipuliert wird, so dass es für die hart arbeitenden Amerikaner schwieriger wird, vorwärts zu kommen. Sie befürworten den freien Markt, streben aber einen mitfühlenderen Kapitalismus an.

Nur 44 Prozent der jungen Amerikaner bekennen sich zum “Fortschritt”. Ist der traditionelle amerikanische Optimismus am Ende?

Das ist eine schwierige Frage. In gewisser Hinsicht gibt es weniger Optimismus, dass der Amerikanische Traum genauso erreichbar ist wie eine Generation zuvor. Aber das heißt nicht, dass die jungen Amerikaner nicht fortschrittlich sind. Diese Generation mag keine politischen Etiketten, aber es gibt Anzeichen dafür, dass junge Amerikaner heute mehr als in jüngerer Vergangenheit eine liberale oder fortschrittliche Regierung wünschen, die sich für eine Gesundheitsfürsorge für alle einsetzt, den Armen hilft, die Bildung verbessert und die Umwelt schützt.

"Was unterstützt du?"

Ist das Misstrauen gegen den Kapitalismus verbunden mit der positiven Sicht auf Bernie Sanders, die 54 Prozent der jungen Amerikaner zeigen?

Absolut. Die Wahlkämpfe von Bernie Sanders – und auch Donald Trump – haben zu der negativen Konnotation des Kapitalismus beigetragen. Beide Kandidaten weisen junge Amerikaner oft darauf hin, dass die Wall Street und das „System“ manipuliert sind. Sanders als demokratischer Sozialist war erfolgreicher darin, die Marke Kapitalismus zu beschädigen als darin, die Marke Sozialismus zu polieren.

"Hast du eine positive oder negative Sicht auf die folgenden Personen?"

Nur 17 Prozent der jungen Leute haben eine positive Sicht auf Donald Trump, den wahrscheinlichen Kandidaten der Republikaner. Werden die Präsidentschaftswahlen zu einer Entscheidung zwischen unzufriedenen jungen und unzufriedenen älteren Amerikanern?

Die amerikanische Wählerschaft ist sehr komplex und reich an Unterschieden. Es ist auch noch früh – zig Millionen Wähler werden sich erst ab September wirklich für den Wahlkampf interessieren. Dennoch, ein Kandidat der Republikaner muss in der Altersgruppe der 18- bis 30-jährigen Wähler, die wohl 20 Prozent der Wähler ausmachen, wettbewerbsfähig sein, um auf nationaler Ebene gut abzuschneiden. Clinton führt in dieser Altersgruppe jetzt mit 61 zu 25 Prozent – und ichglaube, Trump muss mindestens 42 Prozent dieser Stimmen gewinnen, um im November erfolgreich zu sein. Andere Bevölkerungsgruppen, auf die man achten sollte, sind die Hispanics – bei denen George W. Bush relativ gut abschnitt – und weiße, unabhängige Frauen.

"Wenn heute der Präsident gewählt würde und die Kandidaten Clinton und Trump wären, wen würdest du wählen?"

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