IHS-Chefökonom Nariman Behravesh „Das goldene Zeitalter der Globalisierung ist vorbei“

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"Es gibt keine Alternative"

Aber erleben wir nicht jetzt schon, dass viele Menschen der Entwicklung nicht mehr folgen können und sich radikalisieren – aus Angst, für sie bleibe am Ende immer weniger übrig?

Ungleichheit ist ein großes Thema. Wenn der Kuchen nicht gleich verteilt wird, entsteht politischer Frust. Das ist sicher der Grund, warum Marine Le Pen in Frankreich oder Donald Trump in den USA so  populär werden. Ich glaube nicht, dass sie am Ende an die Regierung kommen. Aber sie haben Einfluss, einfach weil sie populär sind. Das ist die Sorge, wenn Ungleichheit zu immer weiterer Radikalisierung führt:  dass moderate Politiker auf diese Linien einschwenken und so populistischer werden.

Ist das nicht schizophren: Einerseits verbindet Kommunikationstechnik die Welt wie nie zuvor. Andererseits sehen wir in vielen Bereichen eine politische Renationalisierung.

Ich glaube, dass das goldene Zeitalter der Globalisierung vorbei ist deswegen. Wir werden kein Wachstum des globalen Handels mehr sehen in nächster Zeit.

Aber was ist die Alternative?

Es gibt keine Alternative.

Der Großteil der westlichen Wohlstandsgewinne fußt auf einem stetig wachsenden Welthandel.

Ich würde das nicht nur negativ sehen. Der Handel schrumpft zum einen, weil die Löhne in Schwellenländern steigen, also die Kostenvorteile von Produktionsverlagerungen, die dann Handel nach sich ziehen, nicht mehr so groß sind. Der zweite Grund aber ist, dass die Lieferketten sich durch die 3-D-Drucktechnik massiv ändern. Du musst nicht mehr in Indien produzieren, wenn Du günstig etwas herstellen willst. Dadurch sinkt natürlich der internationale Handel. Das wird eine andere Wirtschaftswelt, aber das muss nicht schlechter sein.

 

Wie schaffen wir es, dass diese Möglichkeiten nicht zu einem neue wirtschaftlichen Isolationismus führen?

Die Politik ist das Problem. Wir brauchen ein beherztes Eintreten für TTIP und ähnliche Freihandelsabkommen. Ich hoffe, dass die Politik das erkennt. Trump verspricht immer, wenn er Präsident wird, will er Apple zwingen, in den USA die iPhones zu produzieren.

Das wäre wohl eher das beste Rezept, um Apple zu ruinieren.

Das appelliert an ein Bauchgefühl, die Jobs in den USA halten zu wollen. Das Problem ist nur, und da wird Trump an seine Grenzen stoßen: Die Leute lieben ihre billigen iPhones. Sie wollen das nicht verlieren.

Herr Behravesh, zum Schluss: Würden Sie derzeit Ihr Geld noch in die Aktienmärkte stecken?

Das hängt vom zeitlichen Horizont ab. Auf lange Sicht ist das keine Frage, dass sich Aktien lohnen. Kurzfristig aber ist das ein Desaster.

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