Illegale Rauschmittel Die tödlichen Gifte aus Chinas Drogenlaboren

Betäubungsmittel für Elefanten und chemische Waffe: Das Opiat Carfentanyl wird immer öfter als Droge konsumiert. In den USA und Deutschland ist das Rauschmittel verboten. Doch China garantiert die Lieferung – fast überallhin.

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Carfentanyl wird als weißes Pulver kiloweise aus China verschifft. Das weiße Pulver sieht unbedenklich aus, hat es aber in sich. Quelle: AP

Shanghai Es zählt zu den stärksten Opiaten überhaupt: Eine Dosis von der Größe eines Mohnkorns kann einen Mensch töten. Bis Juli war die Substanz mit dem Namen Carfentanyl vor allem als Betäubungsmittel für Elefanten bekannt - und als chemische Waffe. Inzwischen wird das Mittel aber zunehmend auch als Droge missbraucht. Für die Konsumenten endet der Rausch oft fatal. Umso mehr verwundert es, wie leicht Carfentanyl zu kaufen ist. In China bieten es etliche Händler im Internet ganz offen zum weltweiten Export an.

Die Nachrichtenagentur AP hat im Rahmen einer Recherche zwölf chinesische Unternehmen aufgespürt, die sich ohne Umschweife zur Lieferung des Opiats nach Nordamerika oder in die EU bereit erklärten. Als Preis wurden zum Teil nicht mehr als 2.750 Dollar (2.500 Euro) pro Kilogramm verlangt. Die potenziellen Gewinnmargen beim Weiterverkauf sind also enorm.

Die AP hat am Ende zwar keine Drogen bestellt - und entsprechend auch nicht die Echtheit der angebotenen Ware getestet. Die Nachforschungen zeigen aber deutlich die Probleme. In den USA, wie auch in Deutschland, ist der freie Verkauf von Carfentanyl streng verboten. In China dagegen steht die Substanz bisher nicht auf der Schwarzen Liste. Und im Umfeld der unübersichtlichen Chemie-Branche des Landes läuft die Herstellung offenbar auf Hochtouren.

„Wir können Carfentanyl liefern, natürlich“, schrieb im September eine Verkäuferin der Firma Jilin Tely Import and Export in gebrochenem Englisch. „Und dies ist eines unserer besonders beliebten Produkte.“ Ähnliche Antworten kamen auch von anderen Anbietern. Für den Versand wurde in den meisten Fällen der zum staatlichen chinesischen Postunternehmen gehörende Expressdienst EMS empfohlen. „EMS ist etwas langsamer als Fedex oder DHL, aber sehr sicher, mit einer Erfolgsquote von mehr als 99 Prozent“, schrieb ein Vertreter der Firma Yuntu Chemical.

EMS wollte sich dazu nicht äußern. Beim Versuch einer telefonischen Nachfrage bei Yuntu Chemical wurde der Hörer aufgelegt, kurz darauf war die Internet-Seite der Firma nicht mehr online. Auch das in China zuständige Ministerium für Öffentliche Sicherheit ließ mehrere Anfragen zum Thema unbeantwortet.


„Unternehmen sollten es nicht einfach an jeden verschicken.“

Bereits vor Jahrzehnten wurde zu militärischen Zwecken mit Carfentanyl experimentiert – unter anderem in den USA, Großbritannien, Russland, Israel, China, Tschechien und Indien. Der Einsatz des Mittels im Kampf ist nach der Chemiewaffenkonvention aber international verboten. „Es ist eine Waffe“, sagt Andrew Weber, der von 2009 bis 2014 im US-Verteidigungsministerium als Staatssekretär für nukleare, chemische und biologische Kampfstoffe zuständig war. „Unternehmen sollten es nicht einfach an jeden verschicken.“

Carfentanyl ist hundertmal stärker als Fentanyl, eine ähnliche synthetische Droge, die bereits die fünfzigfache Wirkung von Heroin hat. Fentanyl soll unter anderem bei einem fehlgeschlagenen Angriff des israelischen Geheimdienstes Mossad auf einen Führer der radikalislamischen Hamas im Jahr 1997 in Jordanien eingesetzt worden sein; 2002 verwendetenn russische Sicherheitskräfte das Mittel mit tödlicher Wirkung bei einem Geiseldrama in einem Moskauer Theater.

Wegen dieser Vorfälle hätten die USA Strategien entwickelt, um eine Nutzung von Carfentanyl durch Terroristen zu verhindern, sagt Weber. „Es bereitet uns Sorgen, dass auch Gruppen wie der IS es kommerziell erwerben könnten.“

Von Drogenhändlern wurde das Potenzial der Substanz aber offenbar erst vor wenigen Jahren voll erkannt. In den USA beschlagnahmten die Behörden im Fiskaljahr 2014 lediglich 3,7 Kilogramm Carfentanyl. In der Zeit vom 1. Oktober 2015 bis Mitte Juli 2016 waren es dagegen bereits 134,1 Kilogramm. Carfentanyl sei nur geringfügig teurer als Fentanyl, aber deutlich wirkungsvoller, sagt Russell Baer von der US-Anti-Drogen-Behörde DEA. „Das hat für die Drogenhändler einen Vorteil: Sie verdienen mehr Geld.“ Das Risiko für die Konsumenten sei aber immens.

Im August und September haben Delegationen aus China und den USA über mögliche Lösungen des Problems beraten. Bezüglich Carfentanyl wurde bisher aber kein Ergebnis erzielt. „Ich weiß, das China die Sache genau im Blick hat“, sagt Baer. Fentanyl und 18 ähnliche Substanzen hat Peking bereits verboten. Die Durchsetzung der Verbote erweist sich aber als äußerst schwierig. In der gigantischen und vergleichsweise unregulierten chinesischen Chemie-Industrie gibt es offenbar stets genügend Leute, die sich für schnell verdientes Geld bereitwillig über Gesetze hinwegsetzen.

Bei den Nachforschungen der AP erklärten einige der Händler, sie würden über alle notwendigen Zollformulare verfügen und sie könnten die Lieferung von Carfentanyl auch in solche Länder garantieren, in denen es verboten sei. Einige gaben sogar strategische Tipps für den „sicheren Schmuggel“. Die meisten vertrauen offenbar ganz auf die Ohnmacht der Behörden. „Wenn ich ein oder zwei Kilogramm herstelle, wie sollte das irgendjemand merken“, sagte Xu Liqun von der Firma Hangzhou Reward Technology. „Sie können dich gar nicht kontrollieren, so viele Produkte, so viele Labore.“

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