Importstopp gegen EU Serbien profitiert von Russlands Sanktionen

Russlands Importverbot vieler EU-Lebensmittel hat Serbien in Euphorie versetzt. Die Landwirtschaft erwartet einen Exportboom. Doch was nach einer Chance aussieht, bringt das Land politisch in eine bedenkliche Lage.

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Leere Supermarktregal in Noginsk. Vor allem Milch, Obst, Gemüse und Schweinefleisch werden Serbien von Russland aus den Händen gerissen Quelle: Eva Mala

Belgrad Das russische Importverbot von Lebensmitteln aus Ländern der Europäischen Union hat den EU-Kandidaten Serbien elektrisiert. „Diese Chance müssen wir nutzen“, sagt Agrarministerin Snezana Bogosavljevic. „Eine große Chance, die wir nicht verpassen dürfen“, pflichtet ihr der Regierungspolitiker Dragan Markovic am Freitag in der Belgrader Zeitung „Politika“ bei. „Die Regierung wird nicht erlauben, dass die EU unsere Exporte nach Russland blockiert“, gibt sich die Zeitung „Nase Novine“ überzeugt.

Bogosavljevic war am Donnerstag in Moskau und hatte dort mit ihrem russischen Amtskollegen konkrete Schritte besprochen. So sollen der serbischen Wirtschaftskammer in Belgrad Experten des Moskauer Ministeriums zugeteilt werden. Drei große Milchproduzenten, darunter „Imlek“, die serbische Nummer eins, können in der kommenden Woche mit grünem Licht aus Moskau für große Exportaufträge rechnen. Die drittgrößte russische Einzelhandelskette Dixy war schon vor Tagen in Belgrad vorstellig geworden. „Wir ersticken an russischen Anfragen“, sagt Handelsminister Rasim Ljajic.

Was nach einer Riesenchance aussieht, bringt das Balkanland politisch in eine bedenkliche Lage. Brüssel verlangt von Belgrad, dass es sich der EU-Sanktionspolitik anschließt. Das lehnt Serbien strikt ab, denn traditionell ist das Land der engste Verbündete Russlands in dieser Region. Daneben fordert die EU, Serbien solle aus Solidarität mit der Gemeinschaft alles unterlassen, um mit gesteigerten Exporten den Warenmangel in Russland zu mildern.

„Noch eine Erpressung der EU!“, empörte sich am Freitag die Belgrader Zeitung „Informer“ auf ihrer Titelseite. Die Regierung will die Nahrungsausfuhren nach Russland noch in diesem Jahr von 172 auf 300 Millionen Dollar (225 Millionen Euro) fast verdoppeln. Um die Exporte auch im nächsten Jahr zu steigern, seien aber schnelle Investitionen in den Tierbestand und die Bewässerung der Äcker notwendig, gaben Experten zu bedenken.

Vor allem Milch, Obst, Gemüse und Schweinefleisch würden Serbien von Russland aus den Händen gerissen, heißt es in Belgrad. Dabei hatte Moskau dem Land erst im Juni mit einer Blockade von Schweinefleisch gedroht. Moskau war empört, weil serbische Exporteure importierte Ware als serbische umetikettiert und nach Russland weitergeleitet hatten. Dieser Exportweg sei ein für alle Mal geschlossen, beteuerte Handelsminister Ljajic.

Die Ausfuhr von Nahrungsmitteln soll aus Sicht Belgrads nur der Anfang sein. Serbien hofft, auch bei der Lieferung von Pkw zum Zuge zu kommen. Bisher hatte sich Russland geweigert, jährlich 10 000 im serbischen Kragujevac produzierte Autos der Marke Fiat ohne Zoll auf den heimischen Markt zu lassen. Trotz des Drucks der EU auf Serbien trauen viele serbische Politikexperten Belgrad zu, „auf zwei Klavieren spielen“ zu können - eng mit Russland zu kooperieren und schnell der EU beizutreten.

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