In der Krise Italiens Parlamentarier sind Spitzenverdiener

Sie sind im europäischen Vergleich top bezahlt - die Parlamentarier in Rom. In der Schuldenkrise sollen jetzt auch sie abspecken. So will es der neue Anti-Krisen-Premier Mario Monti.

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Spitzenverdiener unter sich. Quelle: dpa

Rom Mario Monti will das in tiefster Schuldenkrise steckende Italien mit drastischen Sparpaketen sanieren. Während er vor Weihnachten schmerzhafte Steueropfer auch noch durch den Senat in Rom boxen will, sind es die bestbezahlten Parlamentarier Europas, die sich gegen Kürzungen ihrer Diäten und üppigen Zulagen noch sträuben:

„La Casta“, die Kaste, nennt man im Krisenland Italien die Schicht der Politiker, denen Kritiker immer wieder vorhalten, vor allem die Parlamente als Selbstbedienungsladen anzusehen. „Die Regierung muss aber rasch diese „Kosten der Politik“ kürzen“, verlangt der Präsident der Jungunternehmer, Jacopo Morelli.

„Die größte italienische Partei ist die PTI (Partito Trasversale Ingordi), die Lager übergreifende Partei der Gefräßigen“, so haben die Journalisten Sergio Rizzo und Gian Antonio Stella kürzlich dem Premier Monti gezeigt, wo ihrer Meinung nach die Axt anzulegen sei.

Mit ihrem Bestseller „La Casta - wie die italienischen Politiker unantastbar geworden sind“, legten die beiden Autoren vor fünf Jahren bereits einen Grundstein für ihren Feldzug gegen Pfründe der Politik, gegen die Zehntausenden von Dienstwagen („auto blu“), die Milliarden jährlich kosten, sowie gegen das gute Essen in Senatsrestaurants für einen Spottpreis, „die Hälfte von der Pasta für die Straßenkehrer“. Das gehört nun der Vergangenheit an, die Essenspreise wurden erhöht.

Was Rizzo und Stella die „Oligarchie der unersättlichen Brahmanen“ nennen, wurde durch den strikten Sparkurs eines vom Schuldenkollaps bedrohten Landes ins Rampenlicht gerückt. So hat sich der anerkannte Mailänder „Corriere della Sera“ die große Mühe gemacht, den Dschungel der Gehälter, Zulagen und Tagesgelder für die Parlamentarier in Rom zu durchforsten: Zu einer Basisentschädigung von netto 5246,97 Euro kommen insgesamt mehr als 7000 Euro an Diäten und Geldern für die Wählerbetreuung. Zusammen mit anderen Zulagen summiere sich das auf monatlich 14.000 Euro, so rechnete der Journalist Paolo Froschi aus.


3,30 zahlt jeder Steuerzahler im Jahr

„Im (vergleichbaren) Schnitt verdienen italienische Parlamentarier 11.700 Euro netto monatlich, in der Euro-Zone sind es 5339 Euro.“ Das sind noch längst nicht alle „costi della politica“: Während Italien in den Jahren der Krise mit erheblicher Wachstumsschwäche kämpfte, kletterten die laufenden Ausgaben des Abgeordnetenhauses in Rom (von 2006 bis 2010) weiter um einen zweistelligen Prozentbetrag auf knapp 150 Millionen Euro.

Der italienische Steuerzahler muss die Parteien jährlich mit etwa 3,30 Euro finanzieren, das ist weit mehr als in anderen Ländern wie Deutschland oder Frankreich. Diese Höhe der Wahlkampffinanzierung wollte der ehemalige Finanzminister Giulio Tremonti einst um die Hälfte kappen - und scheiterte in Rom damit.

Es ist aber vor allem auch die riesige Zahl der Parlamentarier, die bezahlt werden müssen. Das Land hat ein Zweikammersystem mit 630 Abgeordneten und 315 Senatoren (plus zehn Senatoren auf Lebenszeit). Weil die Verteilung von Aufgaben und Funktionen unscharf ist, wird also die Frage gestellt, ob zwei Kammern überhaupt notwendig und noch zeitgemäß sind. „Diese Zahl an Abgeordneten und Senatoren ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können“, sagt Gianfranco Fini, Präsident des Abgeordnetenhauses. Vielleicht tut sich ja etwas.

Was der Italiener noch jeden Tag sieht und viele Römer ziemlich hassen: In den Straßen wimmelt es vor dunkelfarbigen „auto blu“ hoher Politiker und Richter samt ihrer Eskorten, während es an Carabinieri, an Verkehrspolizisten und Streifenwagen vergleichsweise eher mangelt. Ob es der parteilose Monti schafft, auch hier Kürzungen zu erzwingen?

Montis im November begonnene Arbeit „zur Rettung Italiens“ gilt als letzte Chance des von Verschuldung und Wachstumskrise betroffenen Landes. Im Spar- und Reformpaket, das noch vor Weihnachten im Senat die letzte Hürde genommen haben soll, waren erste striktere Regeln auch für die hoch bezahlten Parlamentarier geplant.

Dies haben die beiden Kammern dann jedoch selbst festgelegt: So soll künftig etwa 60 (bislang 50 Jahre) das Mindestalter sein, um eine Abgeordnetenrente beziehen zu können. Auch um die Vergütung will sich das Parlament nun rasch selbst kümmern. Jetzt muss dann also auch „La Casta“ abspecken.

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