"Wenn man in Washington oder auch in New York ankommt und in die Stadt fährt, glaubt man eher, man ist in einem Schwellenland. Das ist ein anderes Ankommen als in Shanghai, wo man in einen Magnetschwebezug steigen kann", sagt auch Thunert.
Im Wahlkampf spielte die marode Infrastruktur des Landes dennoch bislang kaum eine Rolle. Zwar betonen beide Präsidentschaftskandidaten, sie wollen die Wirtschaft ankurbeln und Infrastrukturfragen seien „entscheidend“ für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Doch Geld will weder Präsident Barack Obama noch Herausforderer Mitt Romney in die Hand nehmen. Im Gegenteil: Letzterer will zwar per "Fracking" die Ölforderung und damit die Steuereinnahmen ankurbeln, die Ausgaben des Staates aber auf 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drosseln – und auch bei den Ausgaben für Infrastrukturprojekte sparen. So soll etwa die Bahngesellschaft „Amtrak“, die jährlich mit 1,6 Milliarden Dollar subventioniert werden muss, privatisiert werden. Von der Verlegung der oberirdischen Stromkabel unter die Erde oder der Erneuerung und Erhöhung der Deiche an den Küsten, ist im Wahlprogramm von Demokraten und Republikanern nichts zu lesen.
Die größten Pleitekandidaten der USA
Kaliforniens Haushaltsloch brachte schon Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger zur Verzweiflung. Weder die Schließung von Gefängnissen noch die Sperrung von Nationalparks konnten die Finanzkrise des Landes lösen. In diesem Jahr wird im bevölkerungsreichsten US-Staat wohl eine Lücke im Haushalt von 25,4 Milliarden Dollar klaffen. Zur Einordnung: Das ist fast ein Drittel (29,3 Prozent) des Gesamtetats von 2011. Nun wird überall gespart – außer bei der Filmförderung für Hollywood.
Der fünftgrößte US-Staat war jahrelang die Heimat von US-Präsident Barack Obama. Er arbeitete in Chicago und ist noch heute in der „windy city“ äußert beliebt. Die Finanzlage des Landes ist besorgniserregend. Für 2012 erwartet Illinois ein Haushaltsloch von 15 Milliarden Dollar (44,9 Prozent des aktuellen Budgets). Die Bonität des Staates gilt schon jetzt als gering. Investoren leihen Illinois nur für hohe Zinsen ihr Geld. Die Schuldenspirale dreht sich damit immer weiter.
Der Bundesstaat an der Grenze zu Kanada hat nicht nur viele Gewässer ("Land der tausend Seen"), sondern auch viele Schulden. Für das Gesamtjahr 2012 gehen die Behörden von einem Haushaltsloch von knapp vier Milliarden US-Dollar aus. Schon im Juli 2011 war Minnesota zeitweise zahlungsunfähig. Zoos und Nationalparks wurden geschlossen, Bauarbeiten an Straßen wurden eingestellt und 22.000 staatliche Bedienstete in den unbezahlten Urlaub geschickt.
Der kleine Ostküstenstaat zwischen New York und Rhode Island steckt ebenfalls in der schwersten Finanzkrise seiner Geschichte. Im Haushalt 2012 fehlen 3,7 Milliarden Dollar (20,8 Prozent des 2011er-Etats). Selbst die private Elite-Uni Yale in Connecticut bleibt von der Krise nicht verschont. In ihrem Uni-Budget für 2011/12 fehlen 68 Millionen Dollar.
Der Südstaat musste in den vergangenen Jahren viele Tiefschläge verkrafte. Erst wütete Hurrikan „Katrina“ über das Land, dann folgte eine schmerzhafte Rezession und 2010 schließlich noch die Ölkatastrophe. Der Haushalt ist vollkommen überlastet. Es klafft 2012 ein Loch von 1,7 Milliarden US-Dollar (22 Prozent des 2011er-Etats).
Der Wüstenstaat ist durch eine Stadt weltbekannt: Las Vegas. Die Spielermetropole zieht jährlich Touristen aus allen Teilen der Erde an. Der Haushalt des Bundesstaates kann davon aber nicht profitieren. 2012 wird der Haushalt eine Lücke von 1,5 Milliarden Dollar aufweisen. Allerdings: Die Summe entspricht fast der Hälfte des derzeitigen Etats Nevadas.
Der nördliche Nachbar von Kalifornien wird 2012 wohl ein Haushaltsloch von 1,8 Milliarden US-Dollar verkraften müssen. Diese Summe beträgt ein Viertel des Gesamthaushaltes von 2011. Es wird drastisch gespart: Sowohl bei Kranken und Rentnern als auch bei Schülern und Studenten.
So sind die US-Bürger auf sich alleine gestellt, um "Sandy" zu überstehen – aber auch alle folgenden Hurrikans und Tornados. Meteorologen erwarten, dass "Sandy" am Montagabend Ortszeit irgendwo zwischen Washington und Boston auf Land trifft. Der Streifen gehört zu dem am dichtesten besiedelten in Amerika.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg forderte am Sonntag 375 000 Bewohner auf, wegen des drohenden Hurrikans ihre Häuser zu verlassen. Radio- und Fernsehsender warnten die Bevölkerung an der Ostküste vor einem drohenden "Frankenstorm" – in Anlehnung an das von der Filmfigur Frankenstein geschaffene Monster. Schon jetzt steht fest: Die USA haben dem Schreckgespenst nur wenig entgegenzusetzen.