Innenpolitik China Hoffnungsvolles Zeichen

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Chinas politisches System (Zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Jiangs Machtbasis war Shanghai (und die wohlhabenden Küstenprovinzen), deshalb sprechen China-Watcher auch von der „Shanghai-Fraktion“, wenn sie die Wirtschaftsliberalen meinen. Deren Hauptziele: hohes Wirtschaftswachstum, mehr wirtschaftliche Autonomie der Provinzen, weniger Kontrollen von Investitionen und Bankgeschäften und die engere Verbindung von Partei und Privatwirtschaft.

Die Vorherrschaft der Shanghai-Clique erhielt 2003 mit der Wahl von Hu Jintao zum Partei- und Staatschef einen Dämpfer. Hu hatte sich in der Kommunistischen Jugendliga eine alternative Machtbasis aufgebaut. Er und seine Anhänger stützen sich auf die weniger entwickelten Provinzen im Landesinneren und machen sich für mehr soziale Gleichheit und Umweltschutz stark, auch wenn dies zulasten des Wirtschaftswachstums geht. Hus Ziel ist mehr Balance zwischen Ökonomie und Ökologie, eine „harmonische Gesellschaft“. Dass das politische Pendel unter Hu nach links ausschlägt, ist kein Wunder angesichts des massiven Raubbaus an der Natur und der zunehmenden sozialen Spannungen.

Wohin das Pendel bei dem geplanten Führungswechsel im Jahr 2013 schlagen wird, ist noch ungewiss. Zwar hat der 55-jährige Xi als voraussichtlicher Nachfolger eine starke Position und mit dem ehemaligen Pekinger Bürgermeister und Mitglied des Politbüros Wang Qishan einen starken Verbündeten. Doch zur sogenannten fünften Führungsgeneration, die dann die Geschicke Chinas bestimmen wird, gehören auch einflussreiche Anhänger Hus.

So wurde der Xi unterlegene Li Keqiang auf dem jüngsten Parteitag in den Ständigen Ausschuss des Politbüros gewählt und im März darüber hinaus zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. Er gilt als Nachfolger von Premierminister Wen Jiabao. Lis Namensvetter Li Yuanchao, bis Anfang 2007 KP-Chef in der reichen Provinz Jiangsu bei Shanghai, wurde ebenfalls ins Politbüro befördert und zum mächtigen Chef der Organisationsabteilung der KP ernannt. Die beiden Lis haben ihre politische Karriere wie Hu im Jugendverband der KP gemacht, der Machtbasis von Staats- und Parteichef Hu. Gemeinsam ist den Politikern der beiden Parteiflügel, dass sie zum ersten Jahrgang gehörten, der nach der Kulturrevolution wieder studieren konnte. Sie haben intensive Kontakte ins Ausland und bewegen sich sicher auf dem internationalen Parkett. Sie alle engagieren sich für eine nachhaltigere wirtschaftliche Modernisierung Chinas, jedoch mit unterschiedlicher Betonung.

"Kronprinz" Xi

Xi und seine Leute wollen stärker die wirtschaftliche Entwicklung forcieren. Hus Anhänger, die sogenannten Neuen Linken, legen dagegen mehr Gewicht auf höhere Umweltstandards, Bekämpfung der Korruption und eine vorsichtige gesellschaftliche Öffnung Chinas. Ohne das Machtmonopol der kommunistischen Partei aufzugeben, wollen sie die Partei für Chinas Normalbürger berechenbarer machen, sie soll öfter Rechenschaft über Entscheidungen ablegen und die Bevölkerung offener als in der Vergangenheit über ihre Politik informieren.

„Der Aufstieg dieser Führungsgruppe ist ein hoffnungsvolles Zeichen für China“, urteilt der amerikanische Berater Sidney Rittenberg, der von 1944 bis 1979 in China lebte und enger Freund zahlreicher Politiker der ersten Führungsgeneration um Mao Tse-tung und Zhou Enlai war.

Als Krisenmanager und Mann der Wirtschaft hat sich Xi in China bereits einen Namen gemacht. 1999 wurde er zum Gouverneur der Ostküstenprovinz Fujian ernannt, nachdem die dortige Führung wegen spektakulärer Korruptionsfälle zurücktreten musste. Er räumte entschlossen auf und sorgte mit wirtschaftsfreundlicher Politik dafür, dass sich Tausende Unternehmen aus dem nahe gelegenen Taiwan niederließen und Milliardensummen investierten. Macherqualitäten zeigte der studierte Industriechemiker und promovierte Jurist auch in der Nachbarprovinz Zhejiang. Als Parteisekretär forcierte er dort die Privatisierung. Gut 90 Prozent der Arbeitnehmer sind dort heute in der Privatwirtschaft tätig. Xi setzte sich auch dafür ein, dass möglichst viele Wirtschaftsvertreter in die Partei eintraten. „Er ist der Kandidat der Unternehmer und der neuen Mittelklasse“, urteilt der Sinologe Li Cheng von der Washingtoner Brookings Institution.

Im März vergangenen Jahres wurde Xi überraschend zum Parteisekretär von Shanghai ernannt. Sein Vorgänger wurde geschasst, ihm wurde vorgeworfen, mehrere Hundert Millionen Euro aus dem städtischen Sozialfonds in dubiose Bauprojekte verschoben zu haben. Xi säuberte die örtliche Partei und Verwaltung mit harter Hand.

Xi ist ein sogenannter „Taizi“, ein Kronprinz, wie die Kinder früherer Parteiführer im Volksmund heißen. Sein Vater war Gründungsmitglied der KP und beim legendären Langen Marsch unter Mao Tse-tung dabei. In den Sechzigerjahren jedoch bezichtigte Mao den alten Xi der Illoyalität und stellte ihn kalt, erst nach Maos Tod wurde er rehabilitiert.

Auch sein Sohn hatte unter der Kulturrevolution zu leiden, er wurde in die arme Kohleprovinz Shaanxi verschickt und arbeitete dort sechs Jahre lang auf dem Feld. Kein Wunder, dass die Kronprinzen dem Maoismus sehr kritisch gegenüberstehen.

Zu den Kronprinzen gehört auch Wang Qishan, ein Historiker und Schwiegersohn eines früheren Vizepremierministers. Im Frühjahr wählte ihn Chinas Parlament, der nationale Volkskongress, zum stellvertretenden Premierminister. Wie Xi machte sich Wang einen Namen als entschlossener Reformer und Modernisierer.

Als im Frühjahr 2003 in China die Lungenkrankheit SARS wütete, holte ihn die Zentralregierung nach Peking. In der Hauptstadt hatte es die ersten Todesopfer gegeben, die Krankenhäuser waren hoffnungslos überfordert und unter der Bevölkerung breitete sich Panik aus – auch weil die Behörden versuchten, das Ausmaß der Epidemie zu vertuschen.

Wang leitete eine radikale Kursänderung ein. Er informierte die Öffentlichkeit und suchte die Hilfe internationaler Organisationen. 2004 zum ersten Bürgermeister gewählt, machte sich Wang an die Modernisierung des Pekinger Gesundheitswesens. Auch in der Welt der Finanzen hat sich Wang einen Namen gemacht. So leitete er etwa die chinesische Delegation beim Wirtschaftsdialog zwischen der EU und China.

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