„Made in China“ hat zumindest in Südafrika noch einen weiten Weg vor sich, wenn es mal Qualitätssiegel werden will. Das mussten auch die Organisatoren einer Konferenz des National Economic Development and Labour Councils (NEDLAC) einsehen, einer wichtigen Wirtschaftorganisation, die unter anderem Beschäftigung fördern soll. „Ihr sollt den lokalen Arbeitsmarkt stärken“, ruft ein Kongressteilnehmer. „Stattdessen kauft ihr Taschen, die in China hergestellt wurden“. „China hat mit seinen billigen Produkten schon unsere Textilindustrie zerstört“, sagt ein anderer. „Wir müssen in Südafrika viel stärker darauf achten, lokal zu denken und einzukaufen“.
Während zumindest ein Teil der Bevölkerung also versucht, Produkte mit dem Label „Made in China“ zu vermeiden, liegt der Fokus bei der Politik etwas anders. China ist Südafrikas wichtigster Handelspartner, vor allem die milliardenschweren Infrastrukturinvestitionen aus Fernost sind für die Kaprepublik sehr wichtig.
Nicht kompatibel
Zudem gilt dient der rasante Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht vielen südafrikanischen Politikern als Vorbild. Dabei machen sie allerdings ein paar Denkfehler.
Ganz offensichtlich ist, dass China und Südafrika nicht vergleichbar sind. Chinas Aufstieg begann als Werkbank der Welt – bedingt vor allem durch die zahllosen Chinesen, die als günstige Arbeitskräfte in den Fabriken in Chinas Osten beschäftigt waren. Allein was die Zahl der Beschäftigten angeht, ist China klar im Vorteil.
Zudem spielt die Vergangenheit eine Rolle. Südafrikas Wirtschaft leidet weiterhin stark unter der mangelnden Bildung der Erwerbsbevölkerung. Die wiederum resultiert zu großen Teilen noch aus der Apartheid, in der Schwarze kaum Zugang zu vernünftiger Bildung hatten.
Wird China zum Vorbild illuminiert, werden die grundverschiedenen Voraussetzungen beider Länder, ihrer Systeme und ihrer Gesellschaften weitestgehend ignoriert. Was die Südafrikaner aber vielmehr aufregt ist, dass sich ihr Land oft scheinbar zum Spielball der Chinesen machen. Winkt Peking mit Devisen und Investitionen, versucht Pretoria jeden Wunsch zu erfüllen.
So soll ab dem kommenden Jahr auch Mandarin an südafrikanischen Schulen unterrichtet werden – auf Wunsch Pekings. Das soll die bilateralen Beziehungen weiter stärken. Während Südafrikas Bevölkerung, speziell die Lehrer, sich dagegen wehren, will die Regierung wunschgemäß Mandarin als Fremdsprache einführen. Viele sehen darin eine Form der Kolonialisierung Südafrikas durch China.
Noch mehr Klangvielfalt
Die Regierung sollte lieber sicherstellen, dass die landeseigenen Sprachen unterrichtet werden, so die Meinung vieler. Südafrika hat offiziell elf Amtssprachen, so viele wie kaum ein anderes Land. Von zu wenig Klangvielfalt kann also keine Rede sein. Auch das große Problem der Arbeitslosigkeit wird der Mandarin-Unterricht zumindest vorerst nicht lösen. Pekings Botschaft will in China Lehrer rekrutieren, die freiwillig in Südafrika unterrichten und Lehrer ausbilden.
Kritisch könnte es für die China-orientierte Regierung werden, wenn auch die Wirtschaft sich zunehmend vom Land und seinen Produkten abwendet. Zunächst haben viele Unternehmen die günstigen Maschinen „made in China“ gerne gekauft. Nach und nach bekommen sie allerdings die Nachteile zu spüren. Ersatzteile sind oft nicht vorhanden, viele Geräte geben schneller den Geist auf, als es den Unternehmen lieb ist.
Wirtschaftsdaten ausgewählter Länder in Afrika
BIP (in Mio. US-Dollar, 2013) | 44.223 |
Veränderung zum Vorjahr (Wirtschaftswachstum) | 5,45% |
Korruption (Rang auf dem TI-Index) | 63 |
Quelle: IWF, Corruption Perceptions Index (CPI), 2013
BIP (in Mio. US-Dollar, 2013) | 45.082 |
Veränderung zum Vorjahr (Wirtschaftswachstum) | 5,56 % |
Korruption (Rang auf dem TI-Index) | 136 |
BIP (in Mio. US-Dollar, 2013) | 286.470 |
Veränderung zum Vorjahr (Wirtschaftswachstum) | 6,27 % |
Korruption (Rang auf dem TI-Index) | 144 |
BIP (in Mio. US-Dollar, 2013) | 7.431 |
Veränderung zum Vorjahr (Wirtschaftswachstum) | 5,00 % |
Korruption (Rang auf dem TI-Index) | 49 |
BIP (in Mio. US-Dollar, 2013) | 22.416 |
Veränderung zum Vorjahr (Wirtschaftswachstum) | 6,04 % |
Korruption (Rang auf dem TI-Index) | 83 |
BIP (in Mio. US-Dollar, 2013) | 350.779 |
Veränderung zum Vorjahr (Wirtschaftswachstum) | 1,89 % |
Korruption (Rang auf dem TI-Index) | 72 |
Auch Chinas aktuelle Konjunkturschwäche trifft Südafrikas Wirtschaft hart. Eigentlich wäre es also an der Zeit, die starke Abhängigkeit zu überdenken. Bisher ist das nicht der Fall. Die Regierung, welche gegenüber ausländischen Regierungsberatern eigentlich relativ immun schien, entwickelt neue Beratungs- und Austauschprogramme auf Regierungsebene.
Südafrikas Regierung eifert China also nicht nur nach, Peking wird auch jeder Wunsch erfüllt, um sich die für die Wirtschaft so wichtigen Geldflüsse weiterhin zu sichern. Die Bevölkerung dagegen will keine richtige Beziehung zu China aufbauen. „Wir können da ja noch nicht mal einfach einreisen“, kommentiert ein Südafrikaner die geltenden Visa-Vorschriften.
Die verschmähten Konferenztaschen liegen am Ende der Veranstaltung zahlreich herrenlos im Saal. Mit „made in China“ wollen viele nichts zu tun haben. Einer, der sich vorher aufgeregt hat, greift dann doch zur Tasche. Plötzlicher Sinneswandel? Ich schaue ihn fragend an. Nein, versichert er, die Parkwächter draußen würden nicht viel verdienen und sich sicher über eine Tasche freuen.
Und tatsächlich schaut der Mann auf dem Parkplatz mich sehr glücklich an, als ich ihm meine Tasche überreiche. Immerhin war „made in China“ doch nicht ganz umsonst.