Im Alltag jedes Mittelständlers spielen Bürgschaften und Exportkreditversicherungen eine ganz entscheidende Rolle. Die Versicherer springen ein, wenn ein Abnehmer zahlungsunfähig wird – was bei neuen und komplizierten Märkten durchaus denkbar ist. Kaum ein Mittelständler würde ein Handelsgeschäft ohne Absicherung wagen. Und wenn die Versicherungen am Markt nicht verfügbar sind, gibt es eben keinen Handel.
Kritischer noch als die Versicherer schätzen Großbanken das Iran-Geschäft ein. Bei der Commerzbank will sich niemand auch nur im Hintergrund zum Business in einem der größten Wachstumsmärkte der Welt äußern. Die Frankfurter sind gebrannte Kinder: Wegen Verstößen gegen US-Exportrecht plus anschließender Verschleierung verdonnerte die dortige Justiz die Bank im März 2015 zu einer Strafzahlung über 1,45 Milliarden Dollar – es war ein Vergleich, mit dem man den Einzug der Banklizenz für den US- und Dollar-Markt verhindern konnte.
Glimpflicher kam die Deutsche Bank davon (Vergleichshöhe: 258 Millionen Dollar), noch schlimmer traf es Frankreichs BNP Paribas (8,9 Milliarden Dollar).
Akteure im Atomkonflikt mit Iran
Der US-Präsident war 2009 mit einer „Politik der ausgestreckten Hand“ angetreten, wollte Kooperation statt Konfrontation mit feindlich gestimmten Ländern. Doch die Strategie hatte kaum Erfolg. Ein Abkommen mit dem Iran wäre ein außenpolitischer Befreiungsschlag, ein historischer Triumph. Doch Obama ist nicht naiv - schließlich wird er sich auch nach dem Ende seiner Präsidentschaft 2017 rechtfertigen müssen, falls ein Abkommen negative Folgen hätte.
Abgeordneten beider US-Parteien drohen offen damit, im Kongress gegen einen Vertrag zu stimmen. Kürzlich griffen sogar 47 republikanische Senatoren zu einem beispiellos drastischen Mittel und schrieben an die Führung in Teheran, jede Vereinbarung mit Obama wäre ohne das „Ja“ des republikanisch beherrschten Kongresses wertlos. Zudem könne der nächste Präsident die Vereinbarung „mit einem Federstrich widerrufen“. Das Weiße Haus tobte, weil die Autorität des Präsidenten untergraben werde; der habe weiterhin die außenpolitische Oberhoheit.
Der israelische Ministerpräsident, dessen konservative Likud-Partei gerade wieder die Wahlen gewonnen hat, gilt als Hauptfeind jeder Vereinbarung im Atomstreit mit dem Iran. Der 1949 in Tel Aviv geborene Sohn eines Historikers vergleicht Teheran oft mit biblischen Erzfeinden des jüdischen Volkes und sogar mit den Nationalsozialisten. In der Vergangenheit hatte der Regierungschef, der vor seiner vierten Amtszeit steht, mehrmals indirekt mit einem Militärschlag auf die iranischen Atomanlagen gedroht. Israel versucht vor allem über die USA, Einfluss auf den Ausgang der Gespräche zu nehmen. Weil Netanjahus Verhältnis zu Präsident Obama schlecht ist, versucht er es über den US-Kongress.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius wie auch Präsident François Hollande gelten als Hardliner in den Gesprächen und haben 2014 bereits eine Vereinbarung ausgebremst. Sie betonen die Notwendigkeit effizienter Kontrollen der Abmachungen und technischer Details wie der Anzahl der Uran-Zentrifugen und der Forschungskapazitäten des Irans. Frankreich sieht den Iran, der einst an der Urananreicherung in Frankreich beteiligt war, kritisch wegen dessen militärischer Rolle in den Krisenstaaten Irak, Syrien und Libanon, die früher wichtige Rollen in Frankreichs Arabienpolitik spielten.
Präsident Hassan Ruhani hat viel in die Atomverhandlungen investiert. Eine umfassende Lösung wäre für den moderaten Kleriker und den gemäßigten Flügel in Teheran wichtig für das politische Überleben. Ein Scheitern könnte das Ende seiner prowestlichen Politik und eine Rückkehr der harten Islamisten bedeuten. Um die akute Wirtschaftskrise im Land zu beenden, braucht Ruhani außerdem eine schnelle Aufhebung der Sanktionen. Ein Ende des Atomstreits würde auch das Ende der Isolierung der Islamischen Republik bedeuten.
Ajatollah Ali Chamenei steht als höchste religiöse Instanz der Islamischen Republik über dem demokratisch gewählten Präsidenten. Er hat damit auch das letzte Wort im Atomkonflikt mit dem Westen. Der Kleriker war schon am Anfang der islamischen Revolution 1979 ein Vertrauter des Revolutionsführers Ruhollah Khomeini. 1989 wurde er zu dessen Nachfolger ernannt. Chamenei steht dem konservativen Flügel näher als den Reformern, hat aber eine gute Beziehung zu Präsident Hassan Ruhani. Im Atomstreit hat er dessen Kurs unterstützt.
Deutschland hat bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm gerade am Anfang eine maßgebliche Rolle gespielt. Auch auf deutsche Initiative hin gab es bis 2005 mit Teheran rund 15 Treffen auf verschiedenen Ebenen. 2005 schien eine Einigung nahe, bis mit der Wahl des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad zum iranischen Präsidenten 2006 die Lage eskalierte und fortan die UN-Vetomächte USA, Russland und China ins Boot kamen. Deutschland betont, dass ein diplomatischer Erfolg sehr wichtig für den von Konflikten erschütterten Mittleren Osten wäre, fordert aber klar nachprüfbare Ergebnisse der Gespräche.
Entsprechend schlottern den Bankern die Knie. Ein Marktteilnehmer sagt, was sie in der Branche offenbar alle denken: „Wir werden nicht gegen die Sanktionen verstoßen, selbst wenn wir kein US-Geschäft haben. Denn wir emittieren in US-Dollar und das soll auch so bleiben.“ Auch nachdem die Amerikaner ihr Sanktionspaket zusammengestrichen haben, hingen die Banken „zwischen Baum und Borke“: Wie rigoros setzen die US-Behörden ihr Sanktionsrecht außerhalb des Landes durch? Das ist die Frage, an der die Finanzierungen im Moment hängen.
Unabhängig davon fällt es gerade den vorsichtigen Deutschen schwer, das Dickicht der iranischen Wirtschaftsstrukturen zu durchschauen. „Es gibt einige Unternehmen, die vor den Sanktionen bereits im Iran im Geschäft waren“, sagt Thomas Wülfing, Chef der auf den Iran spezialisierten Hamburger Unternehmensberatung Germela. „Aber für die meisten Investoren ist der Iran eine Art ‚Black Box‘.“ Wülfing weiß: Wer im Iran Fuß fassen will, muss sich „wohl oder übel auf eine gewisse Staatsnähe seiner Partner einlassen“.
Aber welche Personen stehen auf den US-Sanktionslisten? Mit wem kann man Geschäfte machen? Wülfing sagt, wohl nicht ganz uneigennützig: Es brauche ein regelrechtes Navigationssystem vor Ort, die die Beziehungen zu den unterschiedlichen Machtgruppen Teherans durchschauen.
Manche Unternehmen stehen den Religionswächtern nahe, andere dem Militär, wieder andere stehen unter Kontrolle von Investmentfonds, die das Vermögen des Schahs verwalten. „Mit allen Machtgruppen gleichzeitig kann man keine Geschäfte machen“, sagt Wülfing. Für alle von ihnen gelte aber: „Sie sind so offen für Gemeinschaftsunternehmen wie nie zuvor.“
Und so wagen sich vorher nur wenige aus der Deckung: Daimler will mit früheren Partnern im Iran die Fertigung von Lkw und Motoren wieder aufnehmen. Siemens hofft auf die Lieferung von 500 Zügen. Beide Konzerne sind groß genug, um die damit verbundenen Risiken abzusichern.
Für den deutschen Mittelstand gilt das nicht. Und so werden die meisten hiesigen Unternehmer vom großen Geschäft im Iran vorerst nur träumen dürfen.