Die Linienflieger nach Teheran sind dieser Tage gut gebucht. Voller Euphorie pilgern Vertreter deutscher Mittelständler neuerdings in den Iran. Mit dem Fall der EU-Sanktionen gegen das Land mit rund 80 Millionen Einwohnern öffnet sich für sie ein Markt mit einem gewaltigen Modernisierungsbedarf.
Es fehlt an allem: Ölfelder liegen brach, weil die Nachfrage nach iranischem Öl wegen der Sanktionen eingebrochen ist. Es bedarf neuer Pumpen und Kompressoren, um die Förderung wieder hochzufahren. Fabriken verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, allein weil man für die vielfach deutschen Maschinen darin keine Ersatzteile bekommt. Krankenhäusern fehlt die Ausstattung mit Medizintechnik, den Autoverkehr dominieren uralte Dreckschleudern.
Logisch, die Deutschen sind voller Erwartungen ob des großartigen Neugeschäfts. Vor Ort treffen sie auf Iraner, die sehr genau wissen, was sie wollen und deutschen Exporteuren und erst Recht Investoren große Wertschätzung entgegenbringen.
Wissenswertes zum Iran
Der Iran ist schon alleine wegen der Bevölkerungszahl von fast 80 Millionen eine Macht in der Golf-Region. Der Gottesstaat war jedoch wegen seiner kompromisslosen Atompolitik in den vergangenen zehn Jahren international isoliert. Die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Sanktionen führten in dem öl- und gasreiche Land auch zu einer Wirtschaftskrise. Viele Beobachter rechneten daher mit einem zweiten Nordkorea am Persischen Golf.
Mit dem Sieg von Hassan Ruhani bei der Präsidentenwahl 2013 im Iran änderte sich jedoch das Bild. Sein Wahlslogan „Versöhnung mit der Welt“ führte im Juli 2015 zu einem Atomabkommen mit dem Westen. Der Iran wurde plötzlich zu einem potenziellen politischen und wirtschaftlichen Partner des Westens in einer von Krisen geschüttelten Region. Besonders im Syrien-Konflikt hofft der Westen auf eine positive Rolle Teherans.
Mit seinen beiden gut ausgerüsteten Streitkräften - der klassischen Armee und den Revolutionsgarden - kann der Iran besonders im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eine entscheidende Rolle spielen. Diese Rolle aber ist innerhalb der Region höchst umstritten, unter anderem bei der anderen Regionalmacht Saudi-Arabien. Ideologische und besonders religiöse Differenzen zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitisch-wahhabistischen Saudis sorgen daher immer wieder für Spannungen in der Region.
„Ideale Bedingungen mit weitgehender Steuerfreiheit oder Visa-freier Einreise in die Sonderwirtschaftszonen“ gelobt ihnen etwa Mohammed Khazaee, der Vize-Minister für Wirtschaft und Finanzen. Nader Maleki, ein auf das Land spezialisierter Berater aus Frankfurt, sagt aber: „Der Iran wird sicherlich 100 Milliarden Dollar aufwärts investieren müssen, um die Wirtschaft wieder zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu führen.“
Offen bleibt indes die Frage: Wer soll das bezahlen? Zwar ist der Iran reich an Öl und Gas, doch der Export der Rohstoffe ist beim aktuell niedrigen Ölpreis keinesfalls profitabel. Zwar werden mit der Lockerung der Sanktionen rund 100 Milliarden Dollar eingefrorenen iranischen Staatskapitals verfügbar. Doch es wird rasch im hoch defizitären Staatshaushalt verschwinden. Unternehmen müssen zudem Verbindlichkeiten gegenüber asiatischen Lieferanten begleichen.
Kurzum: Im Land fehlt bis auf weiteres das Geld für große Einkäufe. Aber was ist mit Kapital von den internationalen Märkten? Theoretisch wird es einfacher für (westliche) Investoren, in den Iran zu liefern. Praktisch halten sich alle Financiers bis auf weiteres zurück.
Die USA haben die Sanktionen nur abgespeckt, nicht aufgehoben, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt des Pariser Exportkreditversicherers Euler Hermes. Für jedes Geschäft müsse man also weiter „umfassend prüfen“, ob etwa einer der Anteilseigner der Spedition vor Ort mit den Revolutionswächtern in Zusammenhang steht – was als Verstoß gegen das US-Sanktionsregime teuer werden könnte. Subran registriert ein großes Interesse mittelständischer Kunden am Iran-Geschäft, warnt aber: „Vorläufig bleibt der Iran ein Markt mit hohen Risiken.“
Mittelständler sollten geduldig und vorsichtig sein, so Subran: „Mit zweistelligen Wachstumsraten ist schon wegen des niedrigen Ölpreises sowieso nicht zu rechnen.“ Euler Hermes plant für dieses Jahr, ein Büro in Teheran zu eröffnen – und 2017 sei dann mit einer Wiederaufnahme des Geschäfts zu rechnen. Im Bundeswirtschaftsministerium heißt es, man „prüfe“ die Wiederaufnahme der Vergabe von Hermes-Bürgschaften. Will heißen: Es wird so rasch keine Garantien geben