Iran und Irak Der unheimliche Verbündete

Die bedrohliche Invasion der sunnitischen Gotteskrieger aus Syrien ruft zwei Verbündete der irakischen Regierung auf den Plan, die ungleicher nicht sein könnten: die USA und den Iran. Schwer vorstellbar, dass die internationale Isolierung des Iran jetzt noch lange weiter geht. 

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USA wollen mit Iran beraten

Für die Regierung in Washington bedeutet der erfolgreiche Vormarsch der terroristischen Isis-Truppe bis vor die Tore Bagdads, dass ein jahrelang vertuischtes außenpolitisches Debakel grell sichtbar wird. Präsident Obama und seine Berater hatten gehofft, nach dem restlosen Abzug der US-Truppen aus dem Irak würde sich in Bagdad ein halbwegs pro-amerikanisches Regime und einigermaßen demokratisches Regime behaupten – und vor allem würde das Land im Inneren stabil und nach außen friedlich bleiben. Nichts davon ist eingetreten, der herrschende Klüngel um den Premier Nuri el-Maliki, einen schiitischen Araber, hat die beiden großen Minderheiten des Landes – Kurden und sunnitische Araber – von der Macht fern gehalten, und Obamas Leute haben dazu fein geschwiegen, damit sich Maliki nicht voll und ganz seinen Gesinnungsfreunden im Iran an den Hals warf.

Gefährliche Alternative

In der Folge kam es zur faktischen Abspaltung Kurdistans und den anhaltenden Terrorakte von Sunniten gegen Schiiten und dann auch in Gegenrichtung – Haupthindernis für eine wirtschaftliche Erholung des ölreichen und fruchtbaren Landes. Und in den letzten Wochen ging es ganz schnell weiter bergab. Mit der Invasion von mörderischen Radikal-Sunniten zeichnet sich auf einmal eine Alternative für den Irak ab, die viel schlimmer wäre als der heutige Zustand: mörderische Gotteskrieger, die Andersgläubige töten, internationale Grenzen missachten, vom Irak aus die Nachbarn im weiten Bogen von Jordanien über Saudi-Arabien bis in den Iran bekämpfen wollen – Terroristen, die sich mit den Überresten von Al-Qaeda in Pakistan verkracht haben, weil die ihnen nicht radikal genug sind.

Fakten zum Terror im Irak

Aber zu so einer Machtübernahme der Finsterlinge wird es nicht kommen. Ihre Unterstützung durch ganz normale sunnitische Glaubensbrüder im Irak ist unwahrscheinlich, und dazu kommt die Drohung amerikanischer Luftschläge gegen das Heer der Terroristen. Doch vor allem scheint die militärische Intervention der natürlichen Verbündeten des Schiiten Maliki bevorzustehen: das ist der Iran. Präsident Rohani hat entsprechende Schritte angekündigt, und der Kommandant einer Elitedivision seiner Streitkräfte ist offenbar schon in Bagdad aktiv. Macht die Isis-Invasion im Zweistromland also Teheran und Washington zu echten Verbündeten?

Die Frage ist offen, nur eins ist sicher: Die iranische Regierung hätte das gerne. Fast genau 25 Jahre nach dem Tod des rabiat antiwestlichen großen Revolutionsführer Chomeini wäre damit das Ende der weltpolitischen Isolierung erreicht, wahrscheinlich auch das Ende der Wirtschaftssanktionen gegen das Atomprogramm. Es ist bezeichnend, dass das Regime in Teheran seit Wochen Kompromissbereitschaft bei den schwierigen internationalen Atom-Verhandlungen andeutet; genau so bezeichnend aber auch, wie Teheran den Todestag Chomeinis beging.

Der Feind meines Feindes ist mein Freund

Als Zeichen der Trauer ruhte unter anderem der zivile Flugverkehr im Land. Zehntausende pilgerten zu Chomeinis Mausoleum in Teheran, und sein Nachfolger Ali Khamenei, als Revolutionsführer so etwas wie der Vorgesetzte von Präsident Rohani, nutzte die Gelegenheit zu verbalen Angriffen gegen die USA, die gescheitert seien, mit dem „größten Versuch, die islamische Demokratie mit politischen, ökonomischen und militärischen Mitteln zu bekämpfen“. Das ganze verbunden mit dem Appell an die Europäer, das Bündnis mit Amerika aufzugeben – nichts Neues also, aber vielleicht doch vor allem der Versuch, vor der Schlussrunde der Nuklearverhandlungen mit den Sicherheitsratsmächten und Deutschland einen Keil zwischen die Verhandlungspartner zu treiben.

Immerhin keine Rede mehr vom „großen Satan“ – und im Nahen Osten gilt natürlich auch heute die Regel, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist. Und die Feindschaft zwischen den schiitischen Islamisten im Iran und den sunnitischen Terroristen ist tiefer als andere, solange die Isis-Führung droht, die heiligen Stätten des schiitischen Islam im Irak zu zerstören.

Nur wäre es Illusion zu glauben, dass der Iran darum im Inneren zu einem normaleren, weltoffeneren Land würde, wie sich das vor allem an der iranischen Wirtschaft interessierte Manager und Unternehmer vorstellen. Und auch an der destruktiven iranischen Politik gegenüber Syrien, dem Libanon und Palästina wird sich so schnell nichts ändern. Mit den Worten des Teheraner Journalisten Nader Karimi Juni: „Khamenei will die USA und andere Staaten daran erinnern, dass auch ein Abkommen über die Nuklearfrage nicht bedeutet, dass darauf irgendwelche anderen Kompromisse mit Amerika folgen werden.“ Karimi Juni ist Chefredakteur der Zeitung “Dshahan-e Sanat”. Zu Deutsch heißt das “Welt der Industrie”.

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