Iran und Türkei Zweikampf in Arabien

Waschmaschinen, Autos, Seifenopern – Firmen aus Iran und der Türkei wetteifern in Afrika und im Mittleren Osten darum, wer Exporteur Nummer eins in der Region wird.

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Iranians walk in Tehran's old Quelle: AP

Ein Basar in der Vorstadt von Damaskus.

Tief hängende Zeltplanen, staubige Gassen, Holztische mit Unterwäsche, Wasserhähnen, Klimaanlagen. Was all diese Waren gemeinsam haben: Made in Iran! Ahmed Attar bedient gerade eine Gruppe iranischer Frauen, in Tschadors gehüllt. Sie zahlen mit iranischen Rial, er gibt syrische Pfund zurück. An der Wand hängen Bilder des iranischen Revolutionsführers Ajatollah Chamenei und des syrischen Staatschefs Assad. "Iran ist mein Geschäft, mein Leben." Der Syrer Ahmed Attar beherrscht die iranische Landessprache Farsi genauso wie sein Papagei auf der Stange hinter ihm. Der Vogel ist sein bester Verkäufer.

Der Basar in der Altstadt von Aleppo. Tiefschwarze Mauern, herrliche Galerien mit Marmorbögen, darin zurückgesetzt die Läden. Hussam Farwati räumt nach einem langen Tag seinen Großhandel auf. Kühlschränke, Wasserhähne, Klimaanlagen stehen da.

Der Nachbar verkauft Kleidung. Made in Turkey! "Das Geschäft mit der Türkei brummt – und es ist so einfach geworden." Der Syrer Farwati kann ohne Visum ins Nachbarland reisen. Zwei Flugzeuge am Tag gehen nach Istanbul. Nächste Woche kommen drei Delegationen aus der Türkei mit Vertretern von über hundert Firmen. "Die Türken wollen bei uns produzieren, um zollfrei in andere arabische Länder exportieren zu können." Farwati will ihnen dabei helfen.

Zwei Syrer – zwei Geschäftsideen und zwei konkurrierende Sponsoren. Iran und die Türkei. Seitdem die Türkei im Juni die neuen UN-Sanktionen gegen Teheran ablehnte, spekulieren westliche Kommentatoren über eine neue Allianz der beiden Länder. Aus der Ferne. Doch in der Nahaufnahme ist von dem angeblichen Bündnis nicht viel zu sehen. Was im Nahen Osten vielmehr auffällt, ist der Wettlauf der beiden Länder – die religiös begründete Diktatur Iran gegen die säkulare Demokratie Türkei. Beide Länder sind ehrgeizige Industrienationen, beide wollen exportieren, beide haben um die 75 Millionen Einwohner, beide sehen sich als Vormacht im Nahen Osten. Die gleichen Startbedingungen, die gleichen Waren, die gleichen Abnehmer. Die Kunden sehen Iran und die Türkei als Wettbewerber, die sie streng vergleichen. Wer hat die Nase vorn?

"Der Papierkrieg ist furchtbar", sagt ein Händler über Geschäfte mit Iran

In Aleppos alten Kaufmannsgalerien schwärmt Hussam Farwati von den Geschäften mit den Türken. Er fährt seit der Aufhebung der Visumpflicht im vorigen Jahr regelmäßig in die türkischen Grenzstädte Gaziantep und Urfa. Türkisch kann er nicht, aber türkische Firmen haben für ihre Syrien-Geschäfte oft Arabisch sprechende Alawiten eingestellt – eine von vielen Minderheiten in der Türkei. Man verstehe sich, könne sich aufeinander verlassen. Anders mit Iran.

"Bei denen bin ich vorsichtig geworden", sagt Farwati. "Der Papierkrieg ist furchtbar", stöhnt er über die iranische Handelsbürokratie. Die Händler seien unzuverlässig. Im vorigen Jahr habe er Schmierstoffe aus Iran gekauft. Erst einen Vertrag unterschrieben, dann das Geld überwiesen, die Belege gefaxt. Doch der iranische Partner wollte plötzlich mehr Geld sehen, weil die Ölpreise gestiegen seien. "Tatsächlich waren sie gefallen!", ärgert sich Farwati. Er löste den Vertrag auf, die Ware blieb aus, das gezahlte Geld kam nie zurück. Seitdem konzentriert er sich auf die Türkei.

Der Rückstand Teherans ist unübersehbar. Das Land, das erst durch die Islamische Revolution, dann in einem Abnutzungskrieg gegen den Irak von Saddam Hussein und schließlich durch UN-Sanktionen von der Welt abgeschottet wurde, kann gegen die Exportprofis aus der Türkei bei gleichen Bedingungen schwer mithalten. Die türkischen Geschäfte mit Syrien wachsen rapide, die iranischen stagnieren. Anders sieht es dort aus, wo Iran machtpolitisch Druck ausüben kann. Darauf versteht sich Teheran.

Willkommen im Irak.

In Erbil, im kurdischen Gebiet, laufen Türken und Iraner noch Kopf an Kopf. Eine Messe iranischer Firmen verschafft der Stadt Besucher. Iraner füllen die Restaurants und Frühstückssalons. Das Mineralwasser, der Tee, die Früchte kommen aus der Türkei. Iraner haben die Hotels von der ersten bis zur letzten Etage gebucht. Gebaut sind die Herbergen von türkischen Unternehmen. Im kurdischen Teil des Iraks sieht es gut aus für sie. Ebenso bei den irakischen Sunniten.

Im Süden des Landes dagegen, bei den irakischen Schiiten, dominieren iranische Kaufleute den Markt. Sie spielen die schiitische Karte aus. In der heiligen Stadt Kerbela kommen Zahnpasta, Shampoos, Klimaanlagen und Autos aus Iran. Iranische Pilger beherrschen Kerbela, Farsi ist die zweite Sprache neben Arabisch.

Die Regierung in Teheran sagt, der iranische Handel mit dem Irak sei 2009 auf vier Milliarden Dollar gewachsen – viermal so viel wie 2006. Südlich von Kerbela, in der irakischen Hafenstadt Basra, haben iranische Baufirmen gerade große Verträge abgeschlossen. Eine iranische Staatsbank hat jüngst geöffnet.

Die Stadtverwaltung von Basra ist eng mit Iran vernetzt. Einige schiitische Parteien werden von Teheran gesponsert. Irans Regierung will den Handel mit dem Irak in den nächsten drei Jahren auf zehn Milliarden Dollar ausdehnen.

Wie sie das machen? Nahim Junis al-Sawi, Universitäts-Vizerektor aus dem irakischen Dohuk, hat seit dem Fall Saddam Husseins schon viele Türken und Iraner bei der Expansion beobachtet. Die Iraner seien sehr aufs Ziel fixiert, unelegant, steif. "Ich will das jetzt!" Das stehe ihnen ins Gesicht geschrieben. Die Türken – sanfter, geschickter, auch witzig, flexibel. Dagegen würden die Iraner gern die Religion in den Vordergrund stellen.

Mit TV-Serien gewinnen die Türken die Sympathien vieler Araber

Ein neues Spielfeld ist Afrika.

Auf dem vermeintlichen Krisenkontinent erwarten einige Länder in den kommenden Jahren ein beeindruckendes Wachstum. Senegal zum Beispiel. Was dieses Land besonders macht, ist seine wachsende schiitische Bevölkerung. Iran unterstützt dort ein theologisches Seminar und ein Netz religiöser Grundschulen. Sogar eine senegalesische Hisbollah ("Partei Gottes") gab es schon mal. Der Präsident Senegals war bereits vier Mal in Teheran.

Dort hat Abdoulaye Wade natürlich sogleich das iranische Recht auf Nutzung der Kernenergie betont. Gastgeber Mahmud Ahmadineschad freute sich über den Zuspruch. Der iranische Präsident bereiste im Gegenzug Senegal, wo die iranische Autofirma Khodro vor nicht langer Zeit eine Fabrik gebaut hat. Von hier aus soll Westafrika mit iranischen Autos beglückt werden.

Ahmadineschads Afrikaexpedition führte auch ins mehrheitlich christliche Kenia. Dort handelte er Verträge über Lieferungen von Öl, Autos und Konsumgütern aus. In Kenia wäre er fast dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül ins Gehege gekommen, der 2009 mit über hundert türkischen Geschäftsleuten einflog. Die Türken möchten Autos, Maschinen, elektronische Geräte verkaufen, Strom produzieren und Häuser bauen. Gül machte aus der Konkurrenz keinen Hehl. "Der iranische Präsident reist hier auch herum", sagte er türkischen Journalisten zur Begründung seiner Spesenrechnung in Nairobi. Der klassische Absatzmarkt in Europa sei an eine Grenze gestoßen.

Die Türkei sehe sich aktiv nach neuen Märkten um. Ähnlich in Tansania, Kongo und im Sudan. Fast überall begegnen die Türken den Iranern. Allein die Methoden sind unterschiedlich. Die Iraner werben für sich gern mit iranischen Kulturveranstaltungen, Koranlesekursen und Stipendien fürs theologische Studium in Iran. Die Türken laden afrikanische Staatschefs und Geschäftsleute eher mal nach Istanbul ein, verwöhnen sie dort in einem Prachthotel und entlassen sie mit Verträgen wieder in die Heimat. Studenten werden an türkisch-säkulare Universitäten geholt. Auch eine türkisch-afrikanische Handelskammer gibt es längst. Ankaras Handel mit Afrika hat sich seit 2005 vervierfacht.

A handout picture made Quelle: dpa

Zum Zielgebiet gehört der Sudan, ein Land, dessen Präsident vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen per Haftbefehl gesucht wird. Iran und die Türkei scheren sich nicht viel darum. Niemand will im Sudan, Afrikas größtem Flächenstaat, ins Hintertreffen geraten. Omar al-Baschir hat sowohl die Türkei wie auch Iran besucht. Teheran verkauft dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Waffen und arbeitet mit ihm militärisch eng zusammen.

Die Türken liefern gleichfalls Waffen und nähen Uniformen für die sudanesische Armee, wie die Nichtregierungsorganisation Human Rights First in New York berichtete, trotz UN-Sanktionen gegen den Sudan. Der türkische Flughafenbetreiber TAV hofft darauf, den Flughafen Khartoum umbauen zu können. Zu so einem, wie TAV schon in Teheran erweitern und betreiben wollte. Nur dass die türkische Firma sich in der iranischen Hauptstadt von Revolutionsgardisten vertreiben lassen musste. Dann erstarkte dort die Konkurrenz.

Die Türken haben in den vergangenen Jahren jedoch noch einen neuen Dreh gefunden, ihre Außenwirkung zu verbessern. Sie gehen direkt in die Wohnzimmer der Kunden, greifen ihnen ans Herz, rühren sie zu Tränen. Das Vehikel: Fernsehserien. Türkische Primetime-Schlager wie Tal der Wölfe oder Gümüs ("Silber") werden Istanbuler Produzenten von arabischen und nordafrikanischen Sendern aus den Händen gerissen. Die Seifenoper Gümüs, in der arabischen Welt unter dem Namen Nur ("Licht") ausgestrahlt, bietet Hochzeiten vor prächtiger Bosporuskulisse, dramatische Entführungen und Versöhnungen, romantische Mondscheinplaudereien, Dauerschmusen auf der Motorjacht.

Nicht weniger als 85 Millionen Araber schalten ein, wenn eine neue Folge von Nur beginnt. Das bringt Geld und Prestige zugleich. Soft power nennen die Türken das auf Neutürkisch.

Dem hat Iran nicht viel entgegenzusetzen. In Damaskus, nicht weit vom alten Basar, unterhalten iranische Beamte ein Kulturzentrum. Farsi kann man da lernen, den Koran lesen, Bilderbögen vom alten Isfahan betrachten. Der Leiter des Zentrums findet das "anständiger" und "hochwertiger" als diese platten türkischen Serien. Mag sein, aber es gibt einfach nicht viele Syrer, die sich fürs Hochwertige dort einfinden. Teherans Platzvorteile in Syrien – das sind vor allem die engen Beziehungen der beiden Regime, die iranischen Waffenlieferungen an die Syrer, die gemeinsame Päppelung der islamistischen Widerstandsbewegungen gegen Israel. Hard power.

Iran gegen die Türkei – das ist keine militärische Feindschaft, sondern ein Wettbewerb der Waren und Ideen. Für die umworbene Kundschaft im Mittleren Osten und in Afrika ist die Rivalität der beiden Staaten eine feine Sache. "Manchmal fragen uns westliche Besucher, wen wir denn bevorzugen", sagt ein syrischer Geschäftsmann. "Beide, lautet die Antwort. Wir wollen uns gar nicht entscheiden." Das könnte ja die schöne Konkurrenz stören.

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