IS Saudische Truppen in Syrien sind keine Lösung

Die Saudis bieten sich an, mit Bodentruppen gegen den IS zu kämpfen. Der Westen sollte dies nicht unterstützen, denn dadurch droht weitere Eskalation. Ein Kommentar.

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Saudischer Soldat. Quelle: dpa

Saudi-Arabien ist „bereit“, Bodentruppen zum Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) nach Syrien zu entsenden, wenn die anderen Staaten der Anti-IS-Koalition einverstanden sind und mitmachen. Diese Einschränkung ist wichtig. Denn im Interesse der Syrer und der gesamten Region, ja, man kann ganz ohne Pathos sagen: im Interesse des Weltfriedens wäre ein solcher Schritt nicht. Daher sollte der Westen Riad eindeutig signalisieren, dass saudische Soldaten auf syrischem Boden nicht erwünscht sind.

Das Regime des wahhabitischen Herrscherhaus Saud ist ein unumgänglicher Verhandlungspartner, aber kein verlässlicher Verbündeter des Westens. Nicht zu vergessen: Der Wahhabismus, jene auf der ultrafundamentalistischen Koranauslegung  des Muhammad ibn Abd al-Wahhab (1702/03 – 1792) beruhende Traditionslinie des Sunnitentums, ist auch die ideologische Grundlage des menschenverachtenden „Islamischen Staates“, gegen den die Saudis nun zu Felde ziehen wollen. Der Wahhabismus ist so ziemlich das genaue Gegenteil einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, die ökonomische Entwicklung jenseits der staatlich dirigierten Ausbeutung von Ölquellen ermöglicht.

Die Akteure im Syrien-Konflikt

Der Kampf Saudi-Arabiens gegen den Islamischen Staat ist also nicht durch eine grundsätzliche Ablehnung von dessen menschenverachtender Ideologie und brutaler Herrschaftspraxis motiviert. In erster Linie geht es dem saudischen Regime um die Ausschaltung innersunnitischer Konkurrenz, die die Legitimität des Anspruchs auf religiöse und politische Führung der gesamten Sunna in Frage stellt. Diese Legitimität und damit die innere Stabilität Saudi-Arabiens ist zusätzlich gefährdet durch den Verfall des Ölpreises und die absehbaren Schwierigkeiten des Regimes, seiner wachsenden jungen Bevölkerung auch in Zukunft ein Leben in Wohlstand – aber ohne Freiheit und Mitbestimmung – zu garantieren.

von Anna Gauto, Hans Jakob Ginsburg, Florian Willershausen, Gregor Peter Schmitz

Die Anwesenheit saudischer Truppen auf syrischem Boden würde das Kriegschaos in dem leidgeprüften Land vermutlich noch vergrößern. Die Saudis träfen dort nämlich nicht nur auf IS-Kämpfer, sondern auch auf ihren schiitischen Erzfeind Iran, der bekanntlich dem Regime Assads mit Geld, Waffen und eigenen Soldaten zur Seite steht. Möglicherweise ist das sogar das eigentliche Ziel des Vorstoßes. Wenn saudische und iranische Soldaten direkt aufeinander schießen, könnte dies den latenten Konflikt zwischen der schiitischen und der sunnitischen Führungsmacht aufheizen. Die Gefahr einer weiteren Eskalation würde real. Aus dem syrischen Stellvertreterkrieg könnte im schlimmsten Fall eine direkte militärische Konfrontation zwischen Riad und Teheran werden.

Im westlichen und deutschen Interesse kann natürlich nur eine Deeskalation sein. Der Westen sollte Saudi-Arabien und Iran, soweit es in seiner Macht steht, von direkten Waffengängen abhalten. Das bedeutet gerade nicht, dass die Drähte nach Riad abgebrochen werden sollten, wie einige Bundestagsabgeordnete fordern. Im Gegenteil. Ein pragmatischer Umgang mit dem Regime ist gefragt. Nur so kann vielleicht eine allmähliche Befriedung des Syrienkrieges gelingen. Das wird, wie die stockenden Verhandlungen in Genf zeigen, schwierig genug.

Strategisches Ziel deutscher, europäischer und westlicher Außenpolitik sollte eine Stärkung derjenigen gesellschaftlichen Kräfte in Saudi-Arabien und allen anderen islamisch geprägten Ländern sein, die eine halbwegs freiheitliche und damit auch ökonomische Entwicklung jenseits des Ölexports ermöglichen. Es sind dies in der Regel auch jene Kräfte, die am wirtschaftlichen Austausch mit dem Westen Interesse haben. Das Plädoyer von Außenminister Frank-Walter Steinmeier für eine "selbstbewusste Zivilgesellschaft" in Riad wird umso mehr Gehör finden, je intensiver die Handelsbeziehungen zu Deutschland und zum Westen sind. Ökonomisch instabile Staaten sind gerade in dieser Weltregion brandgefährlich. Wandel durch Handel dagegen ist eine Möglichkeit, etwas im westlichen Sinne zu bewegen.

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