Im Februar kaufte ein eritreischer Kämpfer namens Mohamed Fisehaje. Er sagte ihr nie, wie viel er für sie bezahlen musste. Am Anfang wirkte er sanft, erkundigte sich nach ihrem Wohlergehen und ihrem früheren Leben in Eritrea. "Ich war verwirrt. Ich dachte, er würde mir helfen. Vielleicht hatte er sich bei Daesch eingeschmuggelt? Vielleicht war er nicht wirklich einer von denen? Ich begann, Hoffnung zu schöpfen", berichtet Fisehaje. Stattdessen vergewaltigte er sie. Immer wieder, wochenlang.
"Niemand konnte uns je zeigen, welcher Teil des Koran es zulässt, dass uns Männer zu Sklaven machen", klagt Fisehaje. "Sie wollten uns zerstören, da war so viel Böses in ihren Herzen." Sie schmiedete Fluchtpläne, konnte aber keinen Ausweg finden. Dann verlieh ihr Besitzer sie an einen anderen Mann, einen senegalesischen Kämpfer mit dem Kriegsnamen Abu Hamsa. Er hatte seine Frau und seine drei Kinder an die Front mitgebracht. Fisehaje musste ohne Bezahlung in seiner Küche arbeiten.
Die Arbeit war erträglich, bis Abu Hamsa eines nachts eine eritreische Frau aus dem Lagerhaus mitbrachte. Er vergewaltigte sie die ganze Nacht lang. "Sie schrie, sie schrie. Es hat mir das Herz zerrissen", berichtet Fisehaje. "Seine Frau stand in der Tür und weinte." Am nächsten Morgen überzeugte Fisehaje die misshandelte Frau, gemeinsam mit ihr zu flüchten. Sie rannten aus der Stadt in die Wüste hinaus. Es hielt aber niemand an, um ihnen zu helfen. So wurden sie von der Religionspolizei aufgegriffen und in die Gefangenschaft zurückgebracht.
Die zehn gefährlichsten Konflikte der Welt
In Syrien und im Irak gehört die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu den stärksten Kriegsparteien. Im syrischen Bürgerkrieg bekämpfen sich zudem das Regime und seine Gegner. Iran, die Hisbollah-Miliz und die russischen Luftwaffe sind dort involviert.
Quelle: dpa
Bei den Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungseinheiten und prorussischen Separatisten im Unruhegebiet Donbass starben seit April 2014 mehr als 9000 Menschen. Von den 13 im Friedensplan von Minsk vereinbarten Punkten wurde noch keiner vollständig umgesetzt.
Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram will in Nigeria und angrenzenden Gebieten der Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger einen „Gottesstaat“ errichten, verübt blutige Anschläge und Angriffe.
Fünf Jahre nach ersten Protesten gegen den später gestürzten und getöteten Diktator Muammar al-Gaddafi ist Libyen ein „failed state“ (gescheiterter Staat) - und ein Rückzugsgebiet für IS-Kader.
Im Südchinesischen Meer streitet sich China gleich mit einer ganzen Reihe seiner Nachbarn um Territorien.
Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm wird in der Region, aber auch darüber hinaus, ja weltweit, als Bedrohung angesehen.
Der Konflikt dort flammt wieder voll auf. Die Taliban kontrollierten jetzt so viel Territorium wie seit 2001 nicht mehr. Dutzende Bezirke sind umkämpft, der IS versucht sich auszubreiten.
Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern schwelt schon seit Jahrzehnten. Seit Oktober 2015 gibt es wieder eine neue Serie palästinensischer Anschläge.
Im jemenitischen Bürgerkrieg sind schon mehr als 5800 Menschen gestorben. Die schiitischen Huthi-Rebellen kontrollieren weite Teile im Norden, die regimetreuen Truppen werden von Luftschlägen einer saudisch geführten, sunnitischen Militärkoalition unterstützt.
Die Türkei ist der einzige Nato-Partner, bei dem in Teilen des Landes bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen: In kurdischen Städten im Südosten geht das Militär gegen Kämpfer der PKK vor.
Die Flucht glückt
Die misshandelte Frau ging zurück zu Abu Hamsa. Fisehaje wurde zu Mohamed in ein dreistöckiges Gebäude in Sirte gebracht, das er gemeinsam mit zwei weiteren Kämpfern bewohnte. Sie zog mit einer 22-jährigen Eritreerin und deren 4-jährigem Sohn zusammen, die einem tunesischen Kommandeur namens Saleh gehörten. Außerdem lebte in dem Haus eine 23 Jahre alte Eritreerin mit ihrem zweijährigen Sohn und einer Tochter, die sie in Gefangenschaft zur Welt gebracht hatte. Sie waren im Besitz eines nigerianischen Kämpfers, der sich al-Bagdadi nannte.
Im April bezog die neue libysche Einheitsregierung Quartier auf einem Marine-Stützpunkt in Tripolis. In Sirte erfuhren Fisehaje und ihre Gefährtinnen unterdessen, dass eine von ihnen, die zweifache Mutter, bald an einen anderen Mann weiterverkauft werden sollte. Diese Nachricht trieb die Frauen dazu, erneut ihre Flucht zu planen. Unter dem Vorwand, ihre Familien anzurufen, sprachen sie mit eritreischen Schleusern in Tripolis.
Am frühen Morgen des 14. April schließlich nahmen sich die Frauen 60 Dinar, etwa 40 Dollar, aus Salehs Tasche und brachen durch eine Hintertür aus dem Haus aus. Sirte wirkte um diese Zeit jedoch fast verlassen. Weil sie befürchteten, erneut aufgegriffen zu werden, kehrten die Frauen in das Haus zurück. Stunden später, als die Stadt zum Leben erwachte, verließen sie ihr Gefängnis wieder. Sie liefen mehrere Stunden, ehe ein Taxi für sie anhielt.
In stockendem Arabisch verhandelte Fisehaje mit dem Fahrer. Sie erzählte ihm, sie seien Dienstmädchen, die von ihrem Arbeitgeber betrogen worden seien. Dann gab sie ihm die Nummer eines Schleusers in Tripolis. Der Fahrer verhandelte am Telefon mit dem Mann und erklärte sich schließlich bereit, die Frauen für 750 Dinar (540 Dollar) in das fünf Stunden entfernte Bani Walid zu fahren, wo der Schleuser ihn bezahlen sollte. Am Ende dauerte die Fahrt zwölf Stunden.
In Bani Walid brachte sie der eritreische Schleuser in einen Raum, wo sie ihre Schleier ablegten und vor Freude in Tränen ausbrachen. Sie beteten für die Dutzenden Frauen, die sie zurückgelassen hatten. Fisehaje borgte sich das Telefon des Schleusers und rief ihren Vater an, der die Nachricht von ihrem Entkommen unter Freunden und Verwandten verbreitete. Sie bezahlten Fisehajes Schulden und weitere 2000 Dollar, damit sie ein Boot nach Europa besteigen konnte. Im Mai, einem Monat, in dem 1133 Migranten auf See ertranken, überquerte sie das Mittelmeer. Ihre zehnmonatige Gefangenschaft war endgültig zu Ende. Wie viele andere Flüchtlinge schlug sie sich durch Italien und Österreich durch und erreichte einen Monat nach ihrer Flucht Deutschland, wo sie sich nun um Asyl bemüht.