Islamisten-Miliz „Al-Shabaab“ 230 Tote bei Anschlag in Somalia

Es war der bislang schwerste Bombenanschlag in Somalia: Bei einer Explosion in Mogadischu sind mindestens 230 Menschen ums Leben gekommen. Verantwortlich soll die Terrormiliz Al-Schabaab sein.

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Die Zahl der Opfer könnte weiter steigen. Quelle: dpa

Mogadischu Eigentlich sollte dieses Jahr für Somalia endlich zum Wendepunkt für einen weniger brüchigen Frieden werden. Dieses Motto hatte zumindest der neue Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed ausgegeben, der im Februar in einer umstrittenen Wahl den bisherigen Amtsinhaber geschlagen hatte und in weiten Kreisen der Bevölkerung beliebt ist. Die Machtübergabe selbst verlief reibungslos und der neue Präsident demonstrierte schnell Entschlossenheit, als er die Chefs von Polizei, Militär und Geheimdienst austauschte – und gleichzeitig den Steinzeit-Islamisten der Al-Shabaab noch einmal den Krieg erklärte. Zwar wird das Land am Horn von Afrika seit mehr als 25 Jahren von einem Bürgerkrieg erschüttert, doch hat sich die Sicherheitslage vor allem in der einst bitter umkämpften Hauptstadt Mogadischu in den letzten Jahren so sehr verbessert, dass inzwischen viele tausend Somalis aus dem Ausland zurückgekehrt sind, um beim Aufbau ihres Landes zu helfen.

Dass die seit Langem vor allem im Süden ansässige Terrormiliz Al-Schabaab, ein Ableger des internationalen Terrornetzwerks Al Qaida, jedoch noch immer mächtig Schlagkraft besitzt, zeigt der ihr zugeschriebene Angriff am Wochenende, bei dem es mit mindestens 230 Toten mehr Opfer gab als bei jedem anderen Anschlag in der Vergangenenheit. Ein Lastwagen soll demnach am Samstag mit hoher Geschwindigkeit eine Straße entlang gerast sein – und dabei im Stau stehende Motorräder sowie Autos überrollt oder aus dem Weg geschoben haben, berichteten Augenzeugen. Sicherheitskräfte hatten danach offenbar versucht, auf den Fahrer zu schießen. Dieser erreichte jedoch eine der belebtesten Kreuzungen in Mogadischu, wo er sich in die Luft sprengte. Mindestens 230 Menschen sollen nach jüngsten Angaben dabei getötet worden sein. Etliche Opfer wurden nach Angaben von Sicherheitskräften erst am Sonntagmorgen aus den Trümmern der beschädigten Gebäude geborgen.

Einige Gebäude sollen durch die Kraft der Detonation ganz oder teilweise eingestürzt sein. Noch in einer Entfernung von Hunderten von Metern gingen demnach Fenster und Türen von Häusern kaputt. In der Gegend befinden sich etliche Hotels, Läden, Restaurants und Regierungsgebäude. Augenzeugen berichteten, womöglich sei ein bei Regierungsmitarbeitern und aus dem Ausland zurückkehrenden Somalis beliebtes Hotel Ziel des Attentäters gewesen.

Die Terrormiliz verübt in Mogadischu vor allem seit der Präsidentschaftswahl im Februar immer wieder Anschläge und greift dabei bevorzugt Regierungsgebäude und Hotels an. Kaum ein Tag vergeht inzwischen ohne Explosion und Schusswechsel. Die mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida in Verbindung stehenden militanten Sunniten wollen in dem Land am Horn von Afrika einen Gottesstaat mit strikter Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, errichten. Trotz großer Verluste kontrolliert Al Schabaab noch immer Teile des Südens von Somalia. Die Bevölkerung leidet zudem unter der permanenten Gewalt verfeindeter Clanmilizen und krimineller Banden, die das Land weiter mit Terror überziehen.

Der Westen pumpt seit Jahren Geld und Expertise nach Somalia, um neue politische Strukturen und Institutionen zu schaffen – und um die unerwartet effektive afrikanische Friedenstruppe (Amisom) zu unterstützen, deren 22.000 Soldaten die islamische Miliz vor gut fünf Jahren aus Mogadischu drängten und seitdem stete Bodengewinne erzielt hatten.

Obwohl sich die Terrormiliz in der Defensive befindet, hat Al Schabaab noch immer Zugriff auf Millionen Dollar, vornehmlich durch den Export von Holzkohle. Diese wird mit den für die Region typischen kleinen Dhow-Segelschiffen über das Meer in die nahe gelegenen Golfstaaten geschafft. Im Gegenzug erhält Al Schabaab regelmäßig Waffenlieferungen aus dem Jemen. Zwar versucht die im Golf von Aden aktive internationale Schutztruppe im Rahmen ihres (stark zurückgefahrenen) Anti-Piraten-Einsatzes seit Langem, den Kohle- und Waffenhandel zu stoppen. Allerdings ist der UN-Sicherheitsrat über ein gemeinsames Vorgehen zerstritten.
Somalia wird oft als Musterbeispiel eines „gescheiterten Staats“ beschrieben. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International liegt der Staat am Horn von Afrika seit langem auf dem letzten Platz. Nach Angaben von Beobachtern gilt es als eines der am schlechtesten regierten Länder der Welt.

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