Israel rechnet nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump mit einer Kehrtwende in der Nahost-Politik der USA. „Am 20. Januar nehmen wir Palästina von der Tagesordnung“, sagte der ultrarechte israelische Erziehungsminister Naftali Bennett. Er reagierte damit auf eine Grundsatzrede des scheidenden US-Außenministers John Kerry zum Nahost-Konflikt. Diese verschärfte die Spannungen der Regierung von Präsident Barack Obama mit Israels rechtsgerichteter und siedlerfreundlichen Regierung weiter.
In seiner gut einstündigen Rede hatte Kerry am Mittwoch einen flammenden Appell an Israelis und Palästinenser gerichtet, die Zwei-Staaten-Lösung nicht aufzugeben. Diese sei die einzige Möglichkeit, dauerhaft Frieden zu schaffen.
Hintergrund sind die Siedlungspolitik Israels sowie ein möglicher Kurswechsel der neuen Trump-Regierung. „Die kommende Regierung hat signalisiert, dass sie einen neuen Weg einschlagen will, und sogar vorgeschlagen, mit der traditionellen US-Politik in der Frage der Siedlungen, Jerusalems und der Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zu brechen“, sagte Kerry. In diesem Fall drohe neue Gewalt in der Region, warnte der erfahrende Diplomat.
Parteien in Israel
Der Ursprung der Likud-Partei liegt in der 1948 gegründeten Partei Cherut. 1977 stellte Likud mit Menachem Begin zum ersten Mal den israelischen Regierungschef. Der aktuelle Ministerpräsident und Parteivorsitzende Benjamin Netanjahu war bereits von 1996 bis 1999 Ministerpräsident Israels. Likud gehört zu den Arbeiterparteien und steht für den Ausbau israelischer Siedlungen im Westjordanland. Nationalkonservative Grundsätze zeichnen Likud genauso wie ihre zionistische Weltsicht aus.
Die vom damaligen Ministerpräsident Ariel Scharon 2005 gegründete Kadima-Partei hat ihren Ursprung bei der rechtskonservativen Likud. Kadima gehört zu den liberalen Parteien und strebt mithilfe der „Road Map“ eine Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts an. Parteivorsitzender ist Schaul Mofas.
Die Awoda ist eine israelische Arbeitspartei und wurde 1968 gegründet. Im Zentrum stehen sozial- und wirtschaftspolitische Fragen. Aber auch der Konflikt mit Palästina spielt bei Awoda eine zentrale Rolle. Die Arbeitspartei verfolgt hier einen ähnlichen Ansatz wie Kadima. Mithilfe von Verhandlungen mit nicht gewalttätigen palästinensischen Gruppierungen soll Frieden zwischen den Nationen hergestellt werden. Der aktuelle Parteivorsitzende ist Jitzchak Herzog.
Die Partei „Jüdische Heimat“ zählt zu den ultrakonservativen Gruppen im israelischen Parlament und ist aktuelle Koalitionspartner von Benjamin Netanjahu. Die von nationalreligiösen Politikern geführte Partei setzt sich besonders für israelische Siedler im Westjordanland ein.
Die ultraorthodoxe Partei Schas gehört zu den Hardlinern im Parlament. Sie verfolgen eine kompromisslose Politik gegenüber den Palästinensern und stufen Homosexualität als Krankheit ein. Dennoch war Schas an einigen Regierungen beteiligt. Seit 2013 gehört sie der Opposition an.
Die Zukunftspartei unter den Vorsitzenden und Parteigründer Yair Lapid hat sich seit 2012 zu einer Partei der Mitte etabliert. Die Partei fordert eine Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden, die bisher vom Dienst an der Waffe befreit waren. Außerdem wird eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern angestrebt.
Die von Tzipni Livni gegründete Hatnua ist ein Abspaltungsprodukt der Kadima-Partei. Hatnua gehört dem Mitte-Links-Spektrum an. Im aktuellen Wahlkampf hat sich die Partei der Awoda zusammengeschlossen. In den Prognosen liegt das Parteibündnis vor der Likud.
Die linksgerichtete Meretz hat die Bürgerrechte, die Gleichstellung der Frau und den religiösen Pluralismus im Fokus. Außenpolitisch besitzt Meretz ein Alleinstellungsmerkmal. Als erste zionistische Partei akzeptiert sie einen palästinensischen Staat. Aktuelle Parteivorsitzende ist Zahava Gal-On.
Die Vereinigte Arabische Liga setzt sich aus der Balad- und der Taal-Partei zusammen. In ihrem Wahlkampf fordern sie die Etablierung eines palästinensischen Staates, die Räumung der jüdischen Siedlungen und eine Gleichberechtigung zwischen jüdischen und arabischen Israelis.
Der von Kerry wegen der Siedlungspolitik hart kritisierte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Ansprache als „große Enttäuschung“. „Wir lassen uns von niemandem belehren“, sagte er. Aus Sicht Netanjahus ist das Kernproblem des Konflikts, dass die Palästinenser sich weigerten, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen: „Wie kann man Frieden schließen mit jemandem, der uns unser Existenzrecht abspricht?“
Unterstützung bekam Netanjahu vom künftigen US-Präsidenten Trump, der Amtsinhaber Barack Obama und dessen Regierung eine Haltung „totaler Verachtung und Respektlosigkeit“ gegenüber Israel vorwarf. „Bleib stark, Israel! Der 20. Januar kommt schnell näher!“, twitterte Trump.
Bennett äußerte die Erwartung, mit Trump als US-Präsident werde es keinen unabhängigen Palästinenserstaat geben. Der Vorsitzende der Siedlerpartei setzt sich für die Annektierung großer Teile des Westjordanlands und einen entsprechenden Gesetzesentwurf ein.
Kerry hatte in sechs Punkten seine Vision einer Friedensregelung in dem Konflikt dargelegt und für eine Zweistaatenlösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 mit vereinbartem Landtausch plädiert. Jerusalem solle nicht wieder geteilt werden wie 1967, sondern als Hauptstadt beider Staaten dienen - mit freiem Zugang zu den religiösen Stätten aller drei monotheistischen Religionen.
Kerry forderte ein Ende der Besatzung. Er gab zu verstehen, dass es für palästinensische Flüchtlinge kein Rückkehrrecht ins israelische Kernland, sondern eine Entschädigung und Hilfe bei der Suche nach einer festen Bleibe geben solle. Zudem müsse die Vereinbarung die Sicherheit Israels garantieren.
Der Außenminister sparte nicht mit deutlichen Worten an die Adresse Netanjahus. „Der israelische Ministerpräsident unterstützt öffentlich eine Zweistaatenlösung, aber seine jetzige Koalition ist die rechteste Regierung in der Geschichte des Landes und hat eine Agenda, die von den extremsten Elementen angetrieben wird.“
Beide Konfliktparteien hätten nun die Wahl, warnte Kerry. Laufe es auf einen einzigen Staat hinaus, „dann kann Israel entweder jüdisch sein oder demokratisch. Es kann nicht beides sein, und es wird sich niemals wirklich im Frieden befinden.“
Kerry scheidet am 20. Januar nach vier Jahren aus dem Amt. Er hatte als Vermittler die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern ermöglicht. Diese scheiterten im April 2014.
Zwischen den USA und Israel war es zu Spannungen gekommen, nachdem der UN-Sicherheitsrat Israel am Freitag zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalems aufgefordert hatte.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bekräftigte seine Position, zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen bereit zu sein, falls Israel den Siedlungsbau stoppe und unterzeichnete Verträge umsetze.