Italien Korruption? Tradition!

Die Mafia und Korruption gehören zu Italien wie Pasta und Pizza. Damit will sich das Land nicht länger abfinden. Doch beim Kampf gegen die Korruption gibt es zwei große Probleme – sie sind teilweise hausgemacht.

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Ob illegale Bauvorhaben, Bestechung oder Begünstigung: Korruption hat viele Facetten. Quelle: dpa

Rom Korruption gehört zu Italien wie die Mafia. Jeder Politiker oder Beamter, der sich bestechen lässt oder Schmiergelder zahlt, öffnet der organisierten Kriminalität die Tür – ob es nun um Bauvorhaben, Bestechung oder Begünstigung geht. Fast jede Woche werden neue Fälle aufgedeckt. So verhaftete im Juli die Finanzpolizei in Rom 24 Verdächtige, die bei der Auftragsvergabe von Bauarbeiten an Ministerien 12,8 Millionen Euro abgezweigt hatten.

Selbst gegen einen Parlamentarier aus der Regierungskoalition wird im Rahmen der Operation ermittelt, die den bezeichnenden Namen „Labyrinth“ hat. Und nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien am 23. August vergingen keine drei Tage, bis Franco Roberti, Präsident der Antimafia-Behörde, öffentlich vor Korruption und Misswirtschaft warnte.

Doch gerade die Erfahrungen im Kampf gegen die Mafia haben Italien geholfen. Kein Land in Europa hat eine bessere Gesetzgebung zur Aufspürung der organisierten Kriminalität – von der Kronzeugenregelung bis zum Abhören von Telefonaten – und dies kommt dem Kampf gegen die Korruption zugute. Die Betrüger in Rom wurden gefasst, weil ihr Telefon monatelang abgehört wurde.

Außerdem gibt es seit 2015 ein Antikorruptionsgesetz, in dem der Tatbestand der Bilanzfälschung wieder in die Strafprozessordnung aufgenommen wurde – Silvio Berlusconi hatte das während seiner Amtszeit als Premier abgeschafft. Zudem existiert nach dem Vorbild der Antimafia-Gesetze eine strafmildernde Regel für den Umgang mit denen, die mit der Justiz zusammenarbeiten. Auch die Strafen für den Stimmenkauf zwischen Politiker und Mafioso sind verschärft worden.

Eine der ersten Amtshandlungen von Matteo Renzi war vor zweieinhalb Jahren die Einrichtung einer nationalen Antikorruptionsbehörde (ANAC), die von einem der fähigsten Ermittlungsrichter geleitet wird. Der aus Neapel stammende Raffaele Cantone bekämpfte jahrelang unter Polizeischutz die Camorra. Er steht für unparteiliche und effiziente Kontrollarbeit, durchleuchtete die Auftragsvergabe bei der Expo in Mailand und den Korruptionssumpf der römischen Mafia.

Nach dem Erdbeben soll er jetzt darüber wachen, ob der Wiederaufbau planmäßig und gesetzeskonform abläuft. „Wir kümmern uns um Prävention, unsere Aufgabe ist es nicht, Straftaten aufzudecken. Es geht darum, in der öffentlichen Verwaltung darauf zu schauen, dass die Regeln eingehalten werde“, erklärt er.


Die Probleme bleiben

Dennoch hat Italien zwei große Probleme beim Kampf gegen die Korruption: die langsame Justiz und die Wahrnehmung der Korruption, das fehlende Unrechtsbewusstsein. In Italien ist ein Urteil erst nach drei Instanzen rechtskräftig – und das kann Jahrzehnte dauern.

Inzwischen greift die Verjährung. Nach einer Statistik der Abgeordnetenkammer wurden zwischen 2005 und 2014 zehn Prozent der Prozesse wegen Verjährung eingestellt. Vor allem Berlusconi, in zahlreichen Prozessen angeklagt unter anderem wegen Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung, profitierte jahrelang von der Verjährungsfrist. Zur Zeit wird eine Gesetzesänderung im Parlament diskutiert: Sie soll nach der Sommerpause verabschiedet werden. Bei Korruptionsfällen soll die Verjährung auf bis zu 15 Jahre verlängert und vor der Berufung für drei Jahre ausgesetzt werden.

Wenn es um die Wahrnehmung geht, muss noch viel getan werden: „Es gibt das Problem der sozialen Sensibilität, das eng verbunden ist mit der kulturellen Unterschätzung des Phänomens der Korruption“, sagt ANAC-Chef Cantone. Vor allem dann, wenn es darum gehe, auf die Arbeit der öffentlichen Verwaltung zu schauen, gebe es die Tendenz, Fehlverhalten zu rechtfertigen. Das Bürgerbewusstsein ist traditionell nicht sehr ausgebildet in Italien, dazu kommt die langsame Bürokratie, die die Arbeit der Unternehmen behindert und sie so vielleicht eher in die Illegalität treibt.

Die Italiener wissen sehr genau, dass die Korruption ein Makel ist: 75 Prozent erklärten laut einer Umfrage der Fondazione Hume, dass sich die Situation in den vergangenen drei Jahren verschlechtert habe. Doch Cantone hält dagegen: „Wenn wir jetzt mehr Fälle haben, heißt das nicht, dass die Korruption angestiegen ist“, sagt er, „sondern die Wahrnehmung ist gestiegen.“ Das sei ein gutes Zeichen, denn jahrelang habe man überhaupt nicht von Korruption in Italien gesprochen.

Es tut sich was: Ab Januar 2017 übernimmt Italien den Vorsitz der G7. Just hat ANAC mit der Regierung ein Abkommen unterzeichnet, um die Auftragsvergabe für die dafür nötigen Bauarbeiten zu überwachen.

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