Italien-Referendum „Meine Regierungszeit endet hier“

Noch vor dem offiziellen Endergebnis der Volksabstimmung räumt Matteo Renzi seine Niederlage ein. Am Montagnachmittag tritt der Premier zurück. Die Märkte in Asien reagierten schnell: Der Euro gab am Montagmorgen nach.

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Der 41-Jährige Premier kündigte seinen Rücktritt an. Quelle: dpa

Rom Ganz schnell ging es Sonntagnacht: Schon anderthalb Stunden nach Schließung der Wahllokale, noch vor der ersten offiziellen Hochrechnung und lange vor dem Endergebnis trat Matteo Renzi nach Mitternacht in seinem römischen Regierungssitz Palazzo Chigi vor die Presse und sagte: „Ich habe verloren“. Er übernehme die Verantwortung für die Niederlage.

Am Montagnachmittag werde er sein Kabinett zusammenrufen und dann bei Staatspräsident Sergio Mattarella sein Rücktrittsgesuch einreichen. „Meine Regierungszeit endet hier“, sagte Renzi. „Das ‚Nein‘ hat gewonnen, wir haben es nicht geschafft, die Mehrheit der Italiener zu überzeugen“, sagte er in seiner achtminütigen Rede, sehr emotional und mit direktem Dank an Parteifreunde und auch an seine Frau Agnese, die im Saal anwesend war.

Schon die ersten Exit-Polls kurz nach 23 Uhr hatten einen deutlichen Vorsprung für die Gegner der Verfassungsänderung ergeben. Die Reform, die zuvor von beiden Häusern des italienischen Parlaments verabschiedet worden war, sah die Umwandlung und Verkleinerung des Senats vor, gedacht, um politische Entscheidungen in Italien zu beschleunigen.

Ziel der Reform war es, die häufigen Regierungswechsel in Italien und die langwierigen Prozesse im Gesetzgebungsverfahren zu beenden. In Italien gab es seit 1948 insgesamt 60 Regierungen. Zusätzlich war vorgesehen, dass die Regionen eine Reihe von Kompetenzen an Rom abgeben, etwa um Infrastrukturprojekte zu beschleunigen. Die 110 Provinzen als Verwaltungseinheit zwischen Regionen und Kommunen sollten abgeschafft werden. Die Wirtschaftswelt hatte sich geschlossen für ein „Ja“ zur Verfassungsänderung ausgesprochen, mit der Italien glaubwürdiger, wettbewerbsfähiger und berechenbarer geworden wäre.

„Wer für eine Idee kämpft, kann nicht verlieren“, machte sich Renzi in seiner kurzen Rede Mut. Er habe den Populismus bekämpfen wollen. „Wir gehen ohne Reue“, sagte er und verwies auf die Reformen, die er in seiner Amtszeit seit Februar 2014 durchgeführt habe, wie zum Beispiel die Arbeitsmarktreform und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit.


Märkte in Asien reagieren: Euro unter Druck

Die Märkte in Asien reagierten auf die Nachrichten aus Rom sofort. Durch Renzis Niederlage geriet der Euro weiter unter Druck. Als Reaktion auf den Ausgang des Verfassungsreferendums war der Euro zwischenzeitlich fast bis auf 1,0506 Dollar gefallen. Schließlich hat der Euro seine Verluste etwas eingedämmt. Ein Euro kostete zuletzt 1,0572 Dollar, die Gemeinschaftswährung lag damit noch gut 0,9 Prozent im Minus. Sollte es auf den Märkten in Europa bei der Öffnung am Montagmorgen zu Turbulenzen kommen, steht die Europäische Zentralbank mit einem Notplan bereit.

Staatspräsident Mattarella muss jetzt einen Politiker bestimmen, dem er den Auftrag zur Regierungsbildung gibt. Namen zirkulieren bereits in Rom: Finanzminister Pier Carlo Padoan, Industrieminister Carlo Calenda, oder ein Technokrat wie seinerzeit 2011 nach dem Rücktritt von Silvio Berlusconi, als der Wirtschaftsprofessor Mario Monti kurze Zeit Regierungschef war.

Die Niederlage Renzis ist auch ein schwerer Schlag für die Europäische Union. Sie setzte auf die Reformpolitik des Ministerpräsidenten in der hoch verschuldeten drittgrößten EU-Volkswirtschaft. Renzi versprach, die verkrusteten Strukturen in Italien aufzubrechen und präsentierte sich als Politiker, der gegen das Establishment vorgeht.

Doch die Reformen zeigten wenig Wirkung. Die neue Fünf-Sterne-Bewegung des Euro-Gegners Beppe Grillo übernahm immer mehr die Rolle als Kämpferin gegen das Establishment. Grillo hatte dazu aufgerufen, das Referendum zur Abrechnung mit der Regierung zu nutzen.

Die Legislaturperiode wäre 2018 zu Ende gegangen. Jetzt sind Neuwahlen schon 2017 wahrscheinlich. Die Opposition, vor allem die rechtspopulistische Lega Nord, rief schon in der Wahlnacht nach Neuwahlen. Bis dahin herrscht in Italien Stillstand in der Politik – jedoch keine Ansteckungsgefahr für Europa. Auch die Märkte werden sich wie nach der Wahl Trumps in den USA bald beruhigen.

Ansteckungsfahr besteht erst dann, wenn die populistischen Kräfte bei den Neuwahlen siegen sollten. Ein Premier von der Fünf-Sterne-Bewegung wäre ein deutlich negatives Signal für Europa. Und eine Abschreckung für Investoren.

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