Italienischer Haushalt Zittern in Rom

Der italienische Haushalt 2017 ist bei der EU-Kommission zur Begutachtung angekommen – wie immer auf den letzten Drücker. In zwei Wochen kommt das Urteil: Milde oder Verdammnis?

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Italien hofft, dass der Haushalt für das kommende Jahr von Brüssel abgesegnet wird. Quelle: Reuters

Rom Es ist alles wie immer in Italien – wie jedes Jahr, wenn Haushaltszeit ist: Ein Defizit von 1,8 Prozent für 2017 hatte Rom im April nach Brüssel gemeldet. 2,0 Prozent waren es dann schon im überarbeiteten Haushaltsentwurf, den Finanzminister Pier Carlo Padoan vor zwei Wochen im Parlament präsentierte. „Das ist mit einem Wachstum von einem Prozent im nächsten Jahr machbar“, sagte er. Seit Samstagabend, als der Haushalt 2017 in letzter Minute von der Regierung abgesegnet wurde, sind es nun 2,3 Prozent.

Das Gesamtvolumen des Haushalts, der in allerletzter Minute erst am Dienstagmorgen nach Brüssel ging, liegt bei 27 Milliarden Euro. Das ist eine Differenz von 0,5 Prozent, die nicht zur Glaubwürdigkeit Italiens beiträgt. Die 2,3 Prozent lägen ja schließlich unter der vorgegebenen Schwelle von drei Prozent, halten Ökonomen in Italien dagegen und verweisen darauf, dass das Land noch immer an den Folgen der langen Rezession leidet. Alle Institute und Institutionen haben die Wachstumsprognose für das nächste Jahr bereits nach unten korrigiert.

In puncto Flexibilität wird es schwierig, da sie Italien schon im April für den Haushalt 2016 bewilligt wurde. Premier Matteo Renzi weiß, dass es um Einmalmaßnahmen geht. Er will aber zwei Haushaltsposten herausgerechnet haben: die Kosten zur Bewältigung des im Sommer wieder stark angestiegenen Flüchtlingsstroms über das Mittelmeer und für den Wiederaufbau nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien in Höhe von 4,7 Milliarden Euro. Das Wirtschafts- und Finanzministerium beziffert die Kosten für die Flüchtlingshilfe auf 2,6 Milliarden Euro für 2015, 3,3 Milliarden für 2016 und 3,8 Milliarden für 2017. Italien sei ein Transitland und könne so auch nicht von der Wirtschaftskraft der Migranten profitieren, steht im Text – gemeint ist: nicht wie Deutschland.

Doch da Italien seine Pläne nicht eingehalten hat, wartet man jetzt mit Besorgnis auf das Urteil aus Brüssel, das in zwei Wochen kommt. Die Staatsverschuldung Italiens – mit 132,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein Rekordwert in der EU – ist seit dem vergangenen Jahr weiter gestiegen. Bis 2017 soll sie auf 132,2 Prozent gedrückt werden.

„Die Zahlen, die Italien jetzt präsentiert, werden natürlich analysiert, aber nach unserer Auffassung sind sie in Ordnung“, sagte Padoan am Dienstag früh in der Radiosendung „Uno Mattina“. Der Haushalt sei kein Wahlspot, sondern gut für das Wachstum. Zu den Ausgaben für die Flüchtlinge erklärte er: „Wir sind die Südgrenze Europas. Und Europa lebt vom gegenseitigen Vertrauen, deshalb wird wie man gemeinsam wie schon zuvor zur Kenntnis nehmen, dass sich die Dinge ändern.“

Schaut man im Detail auf den Haushalt, wird deutlich, dass das Sparen nicht im Mittelpunkt steht. Zu wachstumsfördernden Maßnahmen wie 13 Milliarden Euro an Entlastungen bei den Unternehmenssteuern und einer Milliarde Euro an Krediten für kleine und mittlere Unternehmen kommen Maßnahmen in Höhe von sieben Milliarden Euro, mit denen die Mindestpensionen erhöht werden. Zudem wird der frühere Eintritt in die Rente subventioniert und die Ausgaben für Gesundheitswesen und Bildung steigen. Auf der Einnahmenseite wird mit Geld aus der Steuerfahndung und vom verlängerten Selbstanzeigenprogramm für Steuersünder kalkuliert.

„Wahlgeschenke“, schimpft die Opposition. Doch Premier Matteo Renzi steht vor dem schwierigsten Moment seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit: Am 4. Dezember findet das Referendum zur Verfassungsänderung statt. Ob das „Ja“ gewinnt, ist offen. Auch wenn der Premier sein politisches Schicksal nicht an den Ausgang der Volksabstimmung koppelt, riskiert er das politische Aus.

Da passen Sparmaßnahmen und Ausgabenreduzierungen nicht ins Bild. Und deshalb hofft man in Rom auf Milde aus Brüssel. „Wir werden einen anspruchsvollen Dialog haben“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici bei einem Pressetreffen in Paris, von dem „Corriere della Sera“ berichtet. Und dass es legitim sei, Ausgaben zu haben, die zur Flexibilität zählten. Doch die wahre Frage sei, ob die im Haushalt angegeben Zahlen tatsächlich mit den Ausgaben übereinstimmten.

Die EU-Kommission mache keine Politik, so Kommissar Moscovici, sei aber nicht unsensibel gegenüber dem politischen Geschehen. Er hoffe, dass beim Referendum das „Ja“ siegt. Vielleicht geht die Zitterpartie gut aus für Italien – immerhin wurden Portugal und Spanien im Frühjahr nicht bestraft.

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