IWF-Chefposten Geheimwaffe Christine Lagarde

Die Französin hat zwar gute Chancen auf den IWF-Chefposten, aber es gibt Hindernisse, die ihr den Weg verbauen könnten.

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Christine Lagarde Quelle: dapd

Christine Lagarde ist eine imposante Erscheinung. Mit ihrer Körpergröße von 1,80 Meter, ihrer geraden Haltung, dem grauen Schopf und auffälligen Accessoires wie Schals oder Ohrringen sticht die 55jährige schon äußerlich aus dem Herr ihrer meist anthrazitfarben gewandeten Kollegen hervor. Nun wird Frankreichs Wirtschafts- und Finanzministerin als heiße Kandidatin für die Nachfolge ihres Landsmannes Dominique Strauss-Kahn an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) gehandelt.

Die Qualitäten für den Posten hätte sie sicher. Denn bei den Versuchen, die Finanz- und Wirtschaftskrise zu lösen, spielt sie seit langem eine führende Rolle. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lernte die Seiteneinsteigerin in die Politik vor allem wegen ihrer perfekten Englischkenntnisse und wegen ihrer hervorragenden internationalen Kontakte schätzen. Die hat sich Lagarde, die einst Mitglied der französischen Synchronschwimmnationalmannschaft war, während ihrer Zeit an der Spitze von Baker & McKenzie, einer der größten Anwaltskanzleien der USA erworben.

Premierminister Dominique de Villepin holte die Staranwältin und Mutter zweier erwachsener Kinder, die zweimal durch die Aufnahmeprüfung für die Eliteschule ENA rasselte, 2005 als Außenhandelsstaatssekretärin in seine Regierung. Mit ihrer direkten Art und teilweise offenen Kritik stand sie zunächst kurz vor dem Rauswurf und erwarb sich den Spitznamen Madame La Gaffe (Fettnapf). Doch im Laufe der Zeit wurde die Ministerin, die nach einer kurzen Episode an der Spitze des Agrarministeriums seit 2007 an der Spitze des Finanz- und Wirtschaftsministeriums steht, zu einem der Eckpfeiler der Regierung Sarkozy.

Die disziplinierte Frau, die nach eigenen Angaben mit täglich fünf Stunden Schlaf auskommt und sich mit täglicher Gymnastik und Yoga fithält, wäre aus deutscher Sicht keine ideale Wahl – auch wenn sie zu Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit dem sie fast jeden Tag telefoniert, ein sehr inniges Verhältnis pflegt. Dabei hat sie gerade Berlin immer wieder brüskiert, indem sie etwa Schäubles Zustimmung zur Berufung des Italieners Mario Draghi an die Spitze der Europäischen Zentralbank unautorisiert hinausposaunte oder 2010 Deutschlands Außenhandelsüberschüsse als egoistisch und unsolidarisch geißelte. Nicht zuletzt um die hochexponierten französischen Banken zu schützen, tritt sie vehement für die Milliardenhilfen für Griechenland und andere Staaten, eine Verlängerung der Laufzeit griechischer Kredite, eine europäische Regierung sowie den Aufkauf von Staatsanleihen durch den europäischen Rettungsfonds ein. Als Landwirtschaftsministerin verhinderte sie Fortschritte in den WTO-Verhandlungen zur Handelsliberalisierung.

Ob sie tatsächlich als IWF-Chefin in Frage kommt, das ist mehr als fraglich – auch wenn ihr allgemein die fachliche Eignung für den Posten attestiert wird. Doch vor ihr standen bereits vier andere Franzosen an der Spitze der Organisation und die Umstände des Abgangs von Strauss-Kahn sind dem Image Frankreichs nicht gerade förderlich. Außerdem besetzt Frankreich mit dem (scheidenden) EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet und dem Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, bereits mehrere internationale Spitzenposten.

Es kommt hinzu, dass der ohnehin geschwächte Sarkozy die Frau, die die Wirtschafts- und Finanzkrise anfangs völlig unterschätzt und kleingeredet hatte und in deren Amtszeit das Außenhandelsdefizit des Landes dramatisch anstieg, wohl nur sehr ungern ziehen lassen würde. Sie ist ein starkes Gewicht in seiner Regierung.

Ihre entscheidende Schwäche ist jedoch anderer Natur. Um einen 15 Jahre dauernden Rechtsstreit mit dem Unternehmer Bernard Tapie über die Umstände des Verkaufs des früheren Sportartikelherstellers Adidas zu beenden, stimmte sie – offenbar gegen den Willen ihres Ministeriums – einem Vergleich zu. Tapie erhielt 285 Millionen Euro. Es laufen Ermittlungen, ob es dabei mit rechten Dingen zuging. Beobachter in Paris sind der Ansicht, wegen der möglichen juristischen Folgen dieser Affaire komme Lagarde für den Posten des IWF-Chefs nicht mehr in Frage. Nachdem die drei letzten IWF-Chefs Horst Köhler, Rodrigo Rato und Dominique Strauss-Kahn allesamt ihre Amtszeit nicht beendeten, will man in Washington endlich einen Chef, der sein Mandat voll durchziehen kann und nicht von Vorwürfen irgendwelcher Art belastet wird. Offiziell ist Lagarde nicht nominiert. Aber anders als Deutschland hat Frankreich zur Not immer Kandidaten für internationale Spitzenposten.

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