WirtschaftsWoche: Herr Sachs, die Flüchtlingskrise bedroht Europas Zusammenhalt, knapp fünf Millionen Syrer sind noch auf der Flucht. Wie viel Entwicklungshilfe brauchen wir, damit sie in ihr Land zurückkehren können?
Jeffrey Sachs: Die Menschen in Syrien fliehen vor dem Krieg, also sollten wir ihn schnellstmöglich beenden. Danach gehen viele Flüchtlinge nach Hause, und die Krise entschärft sich.
Sie sprechen sich gegen mehr Entwicklungshilfe für die Region aus?
Zur Person
Jeffrey Sachs, 61, gehört zu den führenden Entwicklungsökonomen. Er leitet das Earth Institute an der Columbia-Universität in New York. In den vergangenen Jahren hat er Dutzende Regierungen in Entwicklungsprozessen begleitet – er berät unter anderem die Vereinten Nationen. Als Autor hat er zahlreiche Bücher über Entwicklungsfragen veröffentlicht – darunter den Beststeller „Das Ende der Armut“.
Jeden Tag fließen riesige Summen in Kriegsregionen. Ganz ehrlich: Ich mag das nicht. Aus meiner Sicht sollten Saudi-Arabien und die USA die Verantwortung für den Wiederaufbau Syriens übernehmen. Der amerikanische Geheimdienst CIA und die Saudis wollten Diktator Baschar al-Assad stürzen. Das hat nicht funktioniert – und dieses Eingreifen ist die wichtigste Ursache der heutigen Krise. Deutsche und europäische Entwicklungshelfer sollten sich auf Afrika konzentrieren. Dort leben wirklich arme Menschen, die Hilfe brauchen.
Die EU-Kommission will für afrikanische Länder einen Fonds auflegen. Wer Flüchtlinge aufhält, soll finanziell belohnt werden. Wer nicht kooperiert, bekommt weniger Geld.
Am dringendsten bräuchten wir einen globalen Bildungsfonds. Die meisten Kinder in Afrika können derzeit keine weiterführende Schule besuchen, was direkt in die Armut führt. Viele machen sich dann auf den Weg übers Mittelmeer und ertrinken. Zudem benötigen wir deutlich mehr Investitionen in die Infrastruktur: Bahngleise, Straßen, Internet und vor allem Elektrizität. Afrika ist der letzte Ort auf der Welt, an dem vielerorts keine Stromversorgung existiert. Wenn es künftig brauchbare Infrastruktur und eine gebildete Arbeiterschaft gibt, siedeln sich mehr Unternehmen in Afrika an.
Wie viel Geld kostet das?
Für Gesundheit und Bildung etwa 50 Milliarden Dollar pro Jahr. Allein für Infrastrukturprojekte könnten in Afrika zudem bis zu 200 Milliarden Dollar jährlich zusätzlich anfallen. Die Infrastruktur sollten wir über gering verzinste und langfristige Kredite finanzieren. Wir haben einen riesigen Überschuss an Ersparnissen in der ganzen Welt. Private Investoren wissen nicht, wo sie das Geld anlegen sollen. Weist ihnen die öffentliche Hand den Weg, werden diese folgen.