Jemen-Krieg Im Nahen Osten tobt ein Stellvertreterkrieg

Die saudischen Luftangriffe auf den armen Jemen sind Teil eines Stellvertreterkrieges mit dem Iran. Lässt der sich nicht noch abwenden, treibt das den Ölpreis nach oben.

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Der Konflikt im Jemen eskaliert. Quelle: dpa

Krieg im Nahen Osten: Im armen, weltwirtschaftlich eher unbedeutenden Jemen haben Aufständische die Hauptstadt fast alle städtischen Zentren des 26-Millionen-Einwohner-Staates eingenommen. Das ruft den großen Nachbarn Saudi-Arabien auf den Plan: Die saudische Luftwaffe bombardiert die Hauptstadt Sanaa, König Salman zimmert ein Bündnis aller Golf-Monarchien zusammen. Ägypten, wirtschaftlich abhängig von den Hilfsgeldern der Saudis, verspricht Bodentruppen und Kriegsschiffe für den Kampf gegen eine Rebellenbewegung, deren Namen bis vor ein paar Wochen außerhalb der arabischen Halbinsel nur ein paar Experten kannten.

Die Akteure des Konflikts im Jemen

Und in der Reaktion darauf steigt der Ölpreis nach anfänglichen hysterischen Ausschlägen immerhin noch um vier Prozent im Tagesvergleich und die Börsen haben weltweit einen schlechten Tag. Dabei macht die Ölförderung im Jemen keine 0,2 Prozent der Weltproduktion aus, weniger als ein Siebzigstel der saudischen Fördermenge. Dass der Erdölexport - vor allem nach China und nach Thailand – trotzdem für ein Viertel der jemenitischen Wirtschaftsleistung und fast zwei Drittel der Staatseinnahmen sorgt, belegt nur die Armut des Landes. Und sie saudischen Ölquellen mit ihrer großen Bedeutung für die globale Ökonomie sind weit weg, im Nordosten des großen Königreichs. Dass der saudische Krieg gegen die jemenitische Huthi-Bewegung internationalen wirtschaftlichen Akteuren Sorgen macht, lässt sich mit den Verhältnissen im Jemen nicht erklären.

Wohl aber mit dem Blick auf Lausanne.

In der Schweizer Stadt am Genfer See hält sich derzeit der iranische Außenminister Dschawad Zarif auf: In wenigen Tagen sollen die Verhandlungen dort die mühsamen Verhandlungen über die Begrenzung des Nuklearprogramms seines Mullah-Staates zum erfolgreichen Abschluss kommen. Trotz schwieriger Detailfragen und trotz des Widerstandes von Israels Regierungschef Netanjahu sah es bisher so aus, als würden Iran einerseits, die fünf Mächte des UN-Sicherheitsrates und Deutschland andererseits in ein paar Tagen ein Ergebnis vorweisen. Mit der Folge, dass zumindest fürs erste einer der vielen Brandherde im Nahen Osten eingedämmt ist; auch mit der Folge, dass schon bald viel mehr iranisches Öl auf den Weltmarkt fließt. Damit haben die Marktteilnehmer bisher auch gerechnet.

Und jetzt? „Die von Saudi-Arabien geführten Luftschläge im Jemen müssen aufhören“, sagt Minister Zarif – und setzt fort: „Wir“ – also die Führung in Teheran – „werden alles tun, die Krise im Jemen unter Kontrolle zu bringen.“

Diplomatie zur Lösung des Konflikts

Dass Teheran bisher schon die aufständischen Huthis unterstützt, ist ein offenes Geheimnis: Die Huthi gehören wie 35 Prozent der Jemeniten einer schiitischen Konfessionsgruppe, sind also im weiteren Sinn Glaubensbrüder der iranischen Herrscher. Nach Damaskus, Beirut und Bagdad ist jetzt Sanaa die vierte arabischen Hauptstadt, in der Anhänger und Günstlinge Teherans den Ton angeben. Für den saudischen König sieht das nach Umzingelung aus, die er unbedingt aufbrechen will.

Saudi-Arabien greift militärisch in Jemen-Konflikt ein

Darum die saudischen Luftangriffe auf die Huthi-Stellungen. Aus Sicht der Saudis hat sich nach einem Kriegstag die Bedrohung in eine gewaltige politische Stärkung umgekehrt: Nicht nur die Golfmonarchien und das schwache Ägypten, sondern auch Jordanien, Marokko, Pakistan und der Sudan haben sich formal dem großen sunnitischen Bündnis gegen die hinterwäldlerischen Huthis angeschlossen,  die USA und Großbritannien ihre Unterstützung erklärt.

Jetzt stellt sich aber die bange Frage, was hinter den markigen Worten des iranischen Außenministers steckt. Will Teheran mit Hilfe der Huthis im abgelegenen Jemen einen Stellvertreterkrieg  gegen Saudi-Arabien führen? Das wäre – besser als Zarif weiß das kein iranischer Politiker – das Ende der Annäherung an den Westen und wohl auch das Ende der Atomgespräche. Es wäre – wenn es nicht beim Säbelrasseln bleibt – auch der Beginn einer militärischen Konfrontation zur See: Auf dem Landweg kann Teheran die Huthis unmöglich unterstützen, und iranische Kriegsschiffe im alten britischen Kolonialhafen Aden an der jemenitischen Küste wären die Vorstufe zur Konfrontation an der Meerenge Bab al-Mandeb. Den schmalen südlichen Zugang zum Roten Meer mit dem schönen arabischen Namen „Tor der Tränen“  müssen alle Schiffe passieren, die vom ölreichen Persischen Golf zum Suezkanal und weiter nach Europa wollen.

Der jemenitische Staat ist Anrainer, hatte aber nie eine Kriegsmarine von Bedeutung. Jetzt lassen sich leicht üble Szenarien über die weitere Entwicklung am Tor der Tränen ausmalen. Wer iranische, saudische, am Ende gar amerikanische Kriegsschiffe dort nicht in Aktion sehen will, muss auf Diplomatie zur Lösung des Jemen-Konflikts setzen. Vielleicht – das wäre die freundlichste Interpretation – möchte der iransiche Außenminister mit seiner Erklärung so etwas auslösen. Wenn dem nicht so ist, wird der Ölpreis weiter steigen – und vor allem werden die geschundenen Menschen im Jemen weiter leiden.  

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