Jens Weidmann „Es wäre tragisch, wenn Athen jetzt aufgeben würde“

Jens Weidmann fordert Athen zu weiteren Reformen auf. Der Bundesbank-Präsident meint, dass die Perspektiven des Landes nur so nachhaltig verbessert werden können. Deutschland warnt er vor steigenden Immobilienpreisen.

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Der Bundesbank-Präsident geht davon aus, dass Griechenlands Weg der Reformen noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Quelle: dpa

München Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat Krisenländer wie Griechenland aufgerufen, den Weg der Reformen nicht zu verlassen. „Nur grundlegende Reformen können die wirtschaftlichen Perspektiven der Menschen in diesen Ländern nachhaltig verbessern“, sagte Weidmann am Mittwoch auf einer Veranstaltung in der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sparmaßnahmen und Strukturreformen würden spürbar zu wirken beginnen. „Es wäre insofern tragisch, wenn Griechenland im Anpassungsprozess jetzt aufgeben würde und das Erreichte verspielen würde“, sagte Weidmann.

Der Bundesbank-Präsident geht davon aus, dass der Weg der Reformen noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. „Der wirtschaftliche Anpassungsprozess gleicht eben eher einem Marathonlauf als einem Sprint“, sagte Weidmann. Die zweite Hälfte sei beim Marathon bekanntlich schwieriger als die erste. Weidmann zufolge haben die von der Krise betroffenen Länder aber bereits beachtliche Fortschritte erzielt. So habe sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Portugals bis Ende 2014 um sechs Prozent, die Spaniens um neun Prozent und die Irlands um zwölf Prozent verbessert. „Die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft stieg sogar um vierzehn Prozent.“

Die Wirtschaft des Euro-Raums, einschließlich der Banken, sei insgesamt inzwischen in einer besseren Verfassung als vor drei, vier oder fünf Jahren. In seiner Rede erneuerte Weidmann zudem seine Skepsis bezüglich des großen Staatsanleihen-Kaufprogramms, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 9. März gestartet hatte.

Die langfristigen Inflationserwartungen seien entsprechend der verfügbaren Umfragedaten immer noch verankert, sagte Weidmann. „Die Gefahr einer sich selbst verstärkenden Deflation ist nach wie vor als sehr gering einzuschätzen.“ Aus seiner Sicht sei es daher nicht notwendig gewesen, durch das Staatsanleihen-Kaufprogramm die Geldpolitik noch weiter zu lockern.


Bundesbank warnt vor steigenden Immobilienpreisen

Weidmann sieht hingegen die Gefahr, dass sich Euro-Länder zu sehr an die günstigen Refinanzierungsbedingungen gewöhnen könnten und bei erforderliche Reformen einen Gang zurückschalten. „Denn am Ende der Käufe werden die Staaten einen bedeutenden Teil ihrer Schulden sehr günstig durch die Notenbank finanzieren“, sagte der Bundesbank-Präsident. Ihre Motivation für weitere Konsolidierungs- oder Reformschritte könne sinken.

Deutschland warnt Weidmann vor deutlich aus dem Ruder laufenden Immobilien-Preisen in Großstädten. „Wir gehen davon aus, dass die Preise zwischen zehn und 20 Prozent über den Werten liegen, die fundamental zu rechtfertigen wären“, sagte Weidmann am Mittwoch auf einer Veranstaltung in der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Für Deutschland als Ganzes sei allerdings nach wie vor keine substanzielle Überbewertung von Wohneigentum zu sehen.

Laut dem im Februar veröffentlichten vierteljährlichen Barometer des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken (vdp) haben sich Wohnimmobilien in Deutschland 2014 so stark verteuert wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Die Preise kletterten um fünf Prozent, was der fünfte Anstieg in Folge und der größte seit Beginn der Datenerhebung 2003 war. Anleger und private Häuslebauer investieren derzeit wegen der niedrigen Zinsen verstärkt in Immobilien und treiben damit die Preise.

Da sich die Übertreibungen Weidmann zufolge vor allem auf Städte konzentrieren, will der Bundesbank-Chef nicht von einer gefährlichen Immobilienblase sprechen. „Eine Immobilienblase, die die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährdet, ist derzeit aber nicht zu beobachten“, sagte Weidmann. Wachsamkeit sei daher durchaus angebracht – Alarmismus dagegen fehl am Platze.

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