Joseph Stiglitz "Deutschland muss Trump klare Kante zeigen – sonst kollabiert der Westen"

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Über die Folgen von "Trumps Lügen-Populismus"

Drohen ist das eine. Man müsste diese Drohungen aber auch umsetzen können. Wie soll das gehen?
Es gibt viele Wege. Man kann die USA isolieren. Vor allem aber kann man vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation klagen. Und das sollte Deutschland tun, sobald Trump den ersten Schritt geht, der nicht mit den WTO-Normen vereinbar ist. Wer, wenn nicht die Deutschen, haben die Verpflichtung dazu? Sie wissen doch aus eigener Erfahrung, was passiert, wenn man sich unilateral aus bestehenden völkerrechtlichen Übereinkünften verabschiedet. So entstanden schließlich der Erste und der Zweite Weltkrieg.

Deutschland und Europa scheinen nicht in bester Form, um Trump entschieden entgegenzutreten. Die Flüchtlingskrise, die Eurokrise, das Erstarken des Rechtspopulismus – all das schwächt die Europäer und dürfte doch nicht dazu führen, dass Trump sie ernst nimmt.
Sie sind stark genug. Wenn sie es nicht machen, ist das internationale Recht, wie wir es kennen, und damit der Westen tot. Der einzige Sinn von internationalem Recht ist doch, Großmächte zur Verantwortung ziehen zu können. Kleine Nationen lenken von selbst ein.

Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet

Wenn Trump, wie Sie sagen, ein Dealmaker ist, muss man ihm auch etwas anbieten, damit er seinen Kurs ändert.
Das internationale Handelsrecht gibt genügend Spielraum, innerhalb dessen Trump Schritte einleiten könnte, um seinen Zielen näher zu kommen.

Gehört zu einem Deal auch, dass sich Länder wie Deutschland und China, die seit Jahren auf starke Exporte setzen und somit gegenüber vielen Ländern der Welt gigantische Handelsüberschüsse aufgebaut haben, ein neues Geschäftsmodell suchen?
Natürlich haben Länder wie vor allem China und Deutschland derart auf Exporte gesetzt, dass ihre Handelsbilanz so unausgeglichen wurde, dass es nicht mehr nachhaltig ist. Man darf sich deshalb nicht wundern, wenn sich dagegen irgendwann in anderen Ländern politischer Protest formiert. Ob das nun in den USA ist, die sowohl gegenüber China als auch gegenüber Deutschland, ein Handelsdefizit haben, oder ob das im Süden Europas ist.

Muss sich die deutsche Politik dieser Diskussion jetzt neu stellen, um Trump nicht mehr Argumentationsmaterial zu geben?
Bisher war Südeuropa nicht stark genug, um Deutschland auf eine Wirtschaftspolitik zugunsten des gesamten Euroraums zu zwingen. Trump könnte dies nun tun, was viele Südeuropäer freuen dürfte. Das Tragische ist nur: Kann Trump Erfolge vorzeigen, wird das den demokratischen Kräften in Südeuropa kaum mehr nützen, sondern eher jenen Bewegungen, die Trump nachzueifern versuchen.

Die Länder mit den meisten Teilnehmern beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos

Wie gefährlich ist ein Übergreifen des Trumpismus auf andere Länder für die Weltwirtschaft?
Wenn es Trump gelingt, in der ersten Phase seiner Amtszeit Erfolge, und seien sie auch nur symbolisch, vorzuweisen, wird sich seine Art des Politikmachens wie eine Seuche in den Industrieländern des Westens ausbreiten. Politische Ideen überschreiten Grenzen, wenn sie eine kritische Masse an Anhängern erreicht haben. So war es Mitte der 90er Jahre mit dem so genannten dritten Weg der Sozialdemokraten. So könnte es jetzt mit Trumps Lügen-Populismus sein. Zumindest so lange, wie seine Anhänger zu Recht auf Probleme des Wirtschaftssystems hinweisen, die einfach nicht zu leugnen sind.

Die illustre Gästeliste von Davos
Chinas Staatschef Xi JinpingEr ist der „Star“ des diesjährigen Wirtschaftstreffens: Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping reist an der Spitze einer großen Delegation erstmals nach Davos. Peking hat nach Expertenmeinung seit dem Wahlsieg Trumps und dem Brexit-Votum seine Bemühungen forciert, mithilfe regionaler Freihandelsabkommen und der Bereitschaft zum Kampf gegen den Klimawandel eine gewichtigere weltpolitische Rolle zu spielen. Quelle: AP
US-Außenminister John KerryKerry ist der am meisten gereiste Außenminister in der Geschichte der USA. Zum Abschluss seiner letzten Reise als Chefdiplomat wird er am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnehmen. Zwei Tage später wird Donald Trump zum US-Präsidenten vereidigt. Der ehemalige Ölunternehmer Rex Tillerson soll Kerrys Amtsnachfolger werden. Quelle: REUTERS
Trump-Berater Anthony ScaramucciProminente Namen aus dem Umfeld des künftigen US-Präsidenten sucht man vergebens. Lediglich der Name Anthony Scaramucci taucht auf der Teilnehmerliste auf. Der New Yorker Financier soll Trump künftig als Berater im Weißen Haus zur Seite stehen. Quelle: AP
US-Vizepräsident Joe BidenDie Delegation der abtretenden Regierung Obama ist hingegen ziemlich hochkarätig besetzt. Neben Außenminister John Kerry reist auch Vizepräsident Joe Biden nach Davos. Quelle: AP
IWF-Chefin Christine LagardeAuch Christine Lagarde kann man in Davos antreffen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde erst kürzlich von einem Gericht für schuldig erklärt, in ihrer Zeit als französische Finanzministerin fahrlässig gehandelt zu haben. Quelle: AP
Saudischer Energieminister Khalid al-FalihNachdem sich die Opec-Mitglieder und Nichtmitglieder auf eine Ölförderquote geeinigt haben, wird mit Spannung erwartet, ob sich alle Förderstaaten an das Abkommen halten. Saudi-Arabien hat laut Energieminister Khalid Al-Falih seine Ölförderung erst kürzlich auf weniger als 10 Millionen Barrel pro Tag reduziert. Die Förderung liegt damit unter dem mit dem Ölkartell Opec und anderen Ölförderländern vereinbarten Niveau. Quelle: REUTERS
Facebook-Managerin Sheryl SandbergEin zentrales Thema in Davos: Was bedeutet die fortschreitende Digitalisierung für die Menschheit? Unter den IT-Vertretern sticht vor allem der Name von Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg heraus. Quelle: AP

Welche sind das?
Die wachsende Ungleichheit in allen westlichen Ländern zum Beispiel. Die verheerende Wirkung der Euro-Politik. Oder der fehlende politische Wille, die Digitalisierung zu gestalten. Da hat der Kapitalismus bisher versagt.

Kann Trump auf diese Probleme langfristige Antworten geben?
Langfristig kann nicht funktionieren, was er vorhat. Kurzfristig aber könnte er einige Symbolerfolge erzielen. Das Einzige was ihn davon abhalten kann, ist ein entschiedener internationaler Gegenwind, am besten von Deutschland organisiert.

Das „Forbes“-Magazin führt in regelmäßigen Abständen die reichsten Menschen der Welt. Bei den aktuellen Platzierungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr einiges verändert. Wer es neu in die Top Ten geschafft hat.
von Sören Imöhl
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