Juncker weist Orban in die Schranken „Solidarität ist keine Einbahnstraße“

Viktor Orban bittet die EU für seinen Grenzzaun zur Kasse. Nun hat Jean-Claude Juncker Ungarns Ministerpräsident eine Absage erteilt. Solidarität sei kein à la carte-Gericht, schreibt der EU-Kommissionspräsident.

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Ungarn hatte den Grenzzaun im Herbst 2015 errichtet. Seine Wirksamkeit ist allerdings umstritten. Quelle: dpa

Brüssel In der Anrede findet Jean-Claude Juncker noch freundliche Worte: „Lieber Viktor“ hat der Präsident der EU-Kommission handschriftlich neben die formelle Begrüßungsformel notiert. Was dann folgt, klingt allerdings weniger herzlich. In dem zweiseitigen Brief, der dem Handelsblatt vorliegt, weist Juncker die Forderung des ungarischen Ministerpräsidenten Orban zurück, die Europäische Union möge doch bitte 440 Millionen für die Sperranlage an der Grenze zu Serbien und Kroatien übernehmen.

„Solidarität ist keine Einbahnstraße“, schreibt der Kommissionspräsident. Die EU-Staaten könnten unter gewissen Umständen Beistand aus Brüssel erwarten, müssten sich aber auch selbst solidarisch zeigen. Und: „Solidarität ist kein à la carte-Gericht“: Man könne sie nicht beim Grenzschutz wollen, aber ablehnen, wenn es um die Verteilung von Flüchtlingen gehe.

Juncker spielt damit auf die Weigerung Ungarns an, sich an der im September 2015 von den EU-Staaten beschlossenen Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland zu beteiligen. Die ungarische Regierung hatte sogar gemeinsam mit der Slowakei gegen den Beschluss der EU-Innenminister geklagt, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wird an diesem Mittwoch verkündet. Im Vorfeld zeichnet sich allerdings ab, dass die Richter die Klage abweisen werden.

Beobachter vermuten, dass Orban mit seiner Forderung nach EU-Geldern von dieser möglichen Niederlage ablenken will. Der rechtskonservative Regierungschef hatte am Donnerstag seinerseits per Brief angekündigt, der EU die Hälfte der Grenzschutzkosten seines Landes in den vergangenen beiden Jahren in Rechnung stellen zu wollen. Bau, Betrieb und Bewachung der ungarischen Sperranlagen hätten bislang 880 Millionen Euro an ungarischen Steuermitteln verschlungen, schrieb Orban nach Brüssel. „Wir würden es als vernünftig erachten, die (...) Kosten zu gleichen Teilen aufzuteilen“, hieß es in dem Brief weiter.

Schließlich schütze das Land mit der Befestigungen und den Sicherheitskräften an den Grenzen zu Serbien und Kroatien die Bürger der gesamten EU vor dem ungeordneten Zustrom illegaler Immigranten. Ungarn müsse genauso geholfen werden wie Italien, Griechenland und Bulgarien.

Ungarn hatte den Grenzzaun im Herbst 2015 errichtet. Seine Wirksamkeit ist allerdings umstritten. Tatsächlich ist die Zahl der Migranten auf der sogenannten Balkanroute inzwischen drastisch gesunken. Das lag aber vor allem an dem Deal, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Türkei eingefädelt hatte. Dieser sorgte dafür, dass sich weit weniger Menschen von der Türkei aus auf den Weg machten.

Juncker antwortet in seinem Brief, dass die Kommission den Fall prüfen würde, wenn Ungarn zusätzliche finanzielle Hilfe für den Grenzschutz wegen dringenden Bedarfs beantragen wolle Man habe dem Land bereits in den vergangenen Jahren Mittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zur Verfügung gestellt. Diese seien etwa im Falle einer 6,3 Millionen Euro umfassenden Zahlung aber nur zu einem Drittel abgerufen worden.

Im Übrigen, so Juncker, zeige sich die europäische Solidarität auch bei den 25 Milliarden Euro an Strukturgeldern, die Ungarn über sieben Jahre aus dem gemeinsamen Budget erhalten habe. Das entspreche pro Jahr über drei Prozent der ungarischen Wirtschaftsleistung – mehr als bei jedem anderen EU-Land.

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