Justiz-Unabhängigkeit EU hinterfragt Rechtsstaatlichkeit in Polen

Die EU verschärft ihre Kritik an der polnischen Regierung: EU-Vizepräsident Frans Timmermans beschuldigt Warschau des Abbaus wichtiger politischer Rechte. Für Polen kommt die Kritik zur Unzeit.

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Polens Präsident Jaroslaw Kaczynski (r.) und Premierministerin Beata Szydlo bei einer Pressekonferenz. Quelle: dpa

Warschau Die EU-Kommission legt im Streit mit dem Mitgliedsland Polen nach. Sie forderte am Mittwoch abermals volle Unabhängigkeit für das polnische Verfassungsgericht und setzte eine neue Frist von zwei Monaten. Gleichzeitig drohte Vizepräsident Frans Timmermans mit weiteren Schritten, die letztlich zum Entzug des Stimmrechts Polens in der EU führen könnten.

Dafür wäre allerdings ein Konsens mit dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten nötig, der im Moment nicht erkennbar ist. Ob die beiden anderen Institutionen mitziehen, „werden wir überprüfen müssen in den nächsten Monaten“, sagte Timmermans.

Die polnische Regierung unter der rechtskonservativen Partei PiS hatte Ende 2015 Reformen unter anderem von Justiz und Medien begonnen, die erst am Wochenende wieder Tausende Polen auf die Straßen trieben. Die EU-Kommission führt schon seit Januar ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit. Anlass war vor allem der Umbau des polnischen Verfassungstribunals, der aus Brüsseler Sicht dessen Kontrollfunktion untergräbt.

Timmermans sagte, die Bedenken bestünden fort und inzwischen seien sogar neue hinzugekommen. Es gehe um die Bestimmung der Richter, die Veröffentlichung der Urteile und um das Gesetz über die Funktionsweise des Gerichts.

„Wir sehen ein hartnäckiges Problem für die Rechtsstaatlichkeit“, sagte Timmermans. „Die Rechtsstaatlichkeit ist das Fundament, auf das unsere gesamte europäische Struktur gebaut ist.“ Auch die polnischen EU-Bürger hätten das Recht auf eine unabhängige Justiz.

Ende Juli hatte Brüssel der Regierung in Warschau eine Frist von drei Monaten gesetzt, um den Bedenken Rechnung zu tragen. Polen reagierte mit Änderungen, die der EU aber nicht reichen. Timmermans sagte: „Ich kann nicht sagen, dass meine Erfahrungen im letzten Jahr zu Optimismus führen.“ Doch wolle er alles versuchen. Sollte es keine Lösung geben, sei ein Verfahren nach Artikel 7 nicht ausgeschlossen.

Artikel 7 des EU-Vertrags sieht vor, dass bei einer „schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung“ der europäischen Werte einem Mitgliedsland in letzter Konsequenz die Stimmrechte entzogen werden können.

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