Justizminister von Monaco tritt zurück Oligarchen-Krimi im Steuerparadies

Im Fürstentum Monaco waren Polizei und Justiz angeblich dem russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew zu Diensten. Mit dem Rücktritt des Justizministers beginnt ein handfester Skandal. Fürst Albert II. muss reinen Tisch machen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wer schafft schon sein Vermögen in ein Steuerparadies, das plötzlich zur Falle werden kann, weil ein Oligarch die Strippen zieht? Quelle: dpa

Im Fürstentum Monaco sind die Wege kurz. Manchmal auch die zum Rücktritt. Am Donnerstagnachmittag gab Philippe Narmino, der Justizminister des Steuerparadieses am Mittelmeer bekannt, dass er um die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand gebeten habe. Drei Stunden vorher hatte die französische Tageszeitung „Le Monde“ ausführlich über die engen Bande berichtet, die zwischen Polizei und Justiz des Fürstentums und dem russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew bestehen sollen: Einladungen zum Essen, ins Skiparadies oder zu sonstigen netten Freizeitvergnügen habe der Milliardär genauso spendiert wie wertvolle Geschenke.

Dummerweise bedankten sich die vom Oligarchen bedachten Polizei- und Justizverantwortlichen artig per SMS oder Mail bei Rybolowlew. Und noch dümmer: Dessen Anwältin Tetiana Bersheda stellte ihr Smartphone, auf dem sich dieser Datenschatz befindet, einem Richter zur Verfügung, der seinen Anstand offenbar nicht im Skiresort des Oligarchen abgegeben hat. Die junge Bersheda hatte heimlich eine Unterhaltung mitgeschnitten, die den Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier belastet. Den Richter wollte die hübsche Bersheda nur davon überzeugen, dass die Aufnahme tatsächlich existiert. Doch der klickte sich auch durch den Rest der Dateien: Es ist der Anfang einer Affäre, die sich zum größten Justizskandal des Fürstentums entwickeln dürfte.

Fürst Albert II. versucht noch, die Fassung zu wahren. Den Rücktritt seines Justizministers hat er angenommen, „um angesichts der laufenden Medienkampagne, die unsere Justiz beschmutzen soll, den ordentlichen Gang des Verfahrens zu sichern.“ Wenn der Prinz sich da mal keine falschen Hoffnungen macht. Der Rücktritt Narminos alleine dürfte nicht für Ruhe sorgen.

Rybolowlew und Bouvier halten mit ihrem Zwist seit Jahren die Medien in Atem. Der Oligarch behandelte den Genfer anfangs wie einen guten Geschäftspartner und einen Freund. Er beauftragte ihn, eine anspruchsvolle Sammlung für ihn zusammen zu kaufen. Eine Yacht, zwei Wohnungen in New York, eine Privatinsel und einen Fußballverein hatte er schon, jetzt sollte es noch etwas Schönes, Anspruchsvolles sein.

Bouvier ließ sich nicht lumpen. Schon wenn man den nur in einem Exemplar existierenden Katalog der Sammlung durchblättert, wird einem schwindelig. Alle großen Namen der Malerei des 20. Jahrhunderts sind präsent, von Picasso bis Rothko. Eine Kollektion, auf die viele Metropolen stolz wären. Der Oligarch war es auch. Bis ihm jemand den Floh ins Ohr setzte, Bouvier habe ihn dreist geprellt: Der Schweizer, der nicht nur mit dem Kunsthandel, sondern auch mit Freilagern in Genf, Luxemburg und Singapur das ererbte Vermögen fleißig gemehrt hat, habe ihm mehrere hundert Millionen Euro mehr in Rechnung gestellt, als er selber bezahlt habe.

Rybolowlew, der in einer milliardenteuren Scheidungsklage mit seiner Ex-Frau stand, fühlte sich an seinem empfindlichsten Punkt getroffen, dem Geld. Im Februar 2015 stellte er Bouvier eine Falle: Er lockte ihn nach Monaco in sein Penthouse, dort nahm ihn die Polizei fest. 96 Stunden ließen die Sicherheitskräfte des Prinzen den Schweizer schmoren. Er kam erst frei, nachdem er eine Kaution von mehr als zehn Millionen Euro leistete.

Doch Rybolowlews Zorn und langer Arm verfolgte Bouvier bis Singapur, wo Bouvier sich häufig aufhält. „Er führt einen weltweiten Krieg gegen mich“ sagte Bouvier dem Handelsblatt im Juli vergangenen Jahres in einem seiner extrem seltenen Interviews. In Singapur erwirkte der in Russland mit einem Kali-Konglomerat zu Reichtum gekommene Oligarch, der in seiner Heimat zeitweilig wegen Mordes angeklagt war, die Beschlagnahmung fast der gesamten Vermögenswerte des Händlers. Bouvier schien schachmatt gesetzt. Aber er gewann ein Verfahren im Stadtstaat. Der Richter bescheinigte Bouvier, man könne ihm formal keinen Betrug vorwerfen, auch wenn er sich keinesfalls so verhalten habe, wie man es von einem Händler erwarten könne. Das war die Wende.

Die jüngste Entwicklung in Monaco dürfte Bouvier mit großer Freude zur Kenntnis nehmen. Er hatte lange vermutet, dass es kein Zufall gewesen war, dass ihn die Polizei ausgerechnet nach der Einladung durch Rybolowlew geschnappt hatte. Die SMS und die Mails, die „Le Monde“ zitiert, haben es in sich: Régis Asso, damals Direktor der Staatssicherheit, bedankte sich für einen wertvollen Samowar, den ihm Rybolowlew und Bersheda zukommen ließen. „Versichern Sie Herrn Rybolowlew meiner Treue“, bittet er die Anwältin unterwürfig.

Einer der beiden Untersuchungsrichter, die gegen Bouvier ermittelten, meldete Bersheda per SMS Vollzug: „Wir haben mit dem zuständigen Richter gearbeitet, um die Untersuchungshaft für Bouvier zu verlängern.“ Bis nach Paris reichte offenbar der Arm der Monegassen: „Die Franzosen habe ich schon für unser Thema sensibilisiert“, prahlte er in einer weiteren Nachricht an die Anwältin des Oligarchen.

Die ehemaligen Jäger im Steuerparadies werden nun selbst zu Gejagten. Fürst Albert II. hat großes Interesse daran, gründlich reinen Tisch zu machen. Andernfalls wird das Ansehen seines Fürstentums empfindlich leiden. Wer schafft schon sein Vermögen in ein Steuerparadies, das plötzlich zur Falle werden kann, weil ein Oligarch die Strippen zieht?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%