Kampf gegen den IS Engagement der USA nimmt im Irak wieder zu

US-Soldaten hatten sich unter Barack Obama aus dem Irak zurückgezogen. Um den IS aber zurückzudrängen, sind die irakischen Streitkräfte auf Unterstützung angewiesen. Der Einsatz aus den USA wird zunehmend stärker.

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Die Anzahl an Soldaten nimmt im Irak vor der Mossul-Offensive wieder zu. Quelle: dpa

Camp Swift Vor 13 Jahren zählte der Vater von Chase Snow zu den US-Soldaten, die während der US-geführten Invasion zum Sturz von Machthaber Saddam Hussein in die irakische Stadt Mossul einrückten. Jetzt ist Snow als Stabsgefreiter des Heeres im Irak eingesetzt, um bei der Rückeroberung Mossuls von der Terrormiliz Islamischer Staat zu helfen. Der geplante Sturm auf die zweitgrößte Stadt des Landes bringt US-Truppen in ihre bedeutendste Rolle im Irak seit Jahren.

In Vorbereitung der Erstürmung kam es bereits zu Gefechten zwischen einigen US-Soldaten und den Extremisten. Spezialkräfte führen Angriffe an der Seite irakischer Truppen in IS-Gebiet in der Nähe von Mossul aus. Und während sich die irakischen Soldaten nun auf die Rückeroberung der Stadt vorbereiten, hat die Zahl solcher Angriffe zugenommen, wie aus Kreisen der US-geführten Koalition verlautet. Laut Pentagon entsandten die USA zur Unterstützung zudem Kampfhubschrauber, anders als bei der Wiedereinnahme der Städte Ramadi und Falludscha.

Die Zahl der US-Soldaten im Irak ist in den vergangenen zwei Jahren stetig auf aktuell fast 6.000 gestiegen. Nach dem Abzug aus dem Irak 2011 waren fast keine mehr im Land verblieben. Zuletzt wurden im September fast 600 Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Kajara stationiert. Die Einrichtung rund 50 Kilometer südlich von Mossul soll als Ausgangspunkt für den Sturm auf die Stadt dienen. „Man muss Mossul derzeit als das Kronjuwel sehen“, sagt Generalmajor Gary Volesky, Kommandeur der US-Bodentruppen im Irak mit Blick auf die Truppenverstärkung. Die Stationierungen hätten alle das Ziel, den Angriff auf Mossul zu unterstützen.

Außer den Hunderten Spezialkräften arbeiten die meisten US-Soldaten hinter den Frontlinien. Sie koordinieren Luftangriffe der Koalition, geben Informationen weiter und helfen bei der Planung von Aktionen. Der Stabsgefreite Snow aus Tennessee ist wie damals sein Vater bei der 101. Luftlandedivision und berät irakische Offiziere. „Ich weiß, dass mein Vater niemals gedacht hätte, dass ich in den Irak komme“, sagt Snow.

Die US-Präsenz in Stützpunkten nahe Mossul sei vor der Offensive zur Rückeroberung der Stadt essenziell wichtig, sagt Oberst Brett Sylvia, der Befehlshaber von Camp Swift, einem kleinen Koalitionsstützpunkt bei Machmur südöstlich von Mossul. „Wenn man nicht dort ist, hat man keine Stimme“, sagt Sylvia.

Mit Stand von vergangener Woche befanden sich laut Pentagon 4.565 US-Soldaten im Irak. Hinzu kommen weitere 1.500 Soldaten, die dort „vorübergehend im Dienst“ seien und deren Zahl sich täglich ändert. Die Zahl der US-Soldaten erreichte laut Verteidigungsministerium 2008 mit 157.800 unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush ihren Höhepunkt. Als sein Nachfolger Barack Obama 2009 sein Amt antrat, waren es noch mehr als 140.000. Obama verringerte die Zahl, bis mit dem vollständigen Abzug Ende 2011 keine Kampftruppen mehr im Land verblieben. Lediglich einige Hundert US-Ausbilder, überwiegend Zivilisten, harrten zur Unterstützung irakischer Sicherheitskräfte aus.

Als der IS im Sommer 2014 Mossul und weite Teile des Nord-, Mittel- und Westiraks im Sturm eroberte, kehrten US-Truppen zurück. Einige Wochen später kündigte Präsident Obama den Beginn von Luftangriffen gegen den IS an. Damals betonte er, er werde es nicht zulassen, dass die USA „in einen weiteren Krieg im Irak hineingezogen werden“. Doch die Rolle der USA wurde zunehmend stärker, da irakische und kurdische Truppen im Kampf gegen die Terrormiliz weiter auf starke Luftunterstützung angewiesen sind.


US-Todesfälle im Irak

In den vergangenen zwölf Monaten wurden drei US-Soldaten von IS-Mitgliedern im Irak getötet. Von einem Kampfeinsatz der Soldaten wollte das Pentagon zunächst nicht sprechen. Erst beim dritten Todesfall, im Mai, erklärte Verteidigungsminister Ashton Carter, der Soldat sei in einem Feuergefecht gewesen und im Kampf getötet worden. Zwar arbeite die Koalition darauf hin, einheimische Truppen zu ertüchtigen, doch „bedeutet das nicht, dass wir überhaupt nicht kämpfen“, erklärte Carter.

Irakische Kommandeure sagen, trotz monatelanger Ausbildung seien ihre Männer fast vollständig von Luftunterstützung und Geheimdienstinformationen der Koalition abhängig, um Gelände zurückzuerobern. „Wenn wir keine Luftangriffe hätten, könnten wir nicht vorrücken“, räumt der irakische Oberst Riad Ghafil ein.

Kürzlich nahm der Stabsgefreite Snow auf dem Stützpunkt Basmaja bei Bagdad an einer Abschlussfeier für 1000 irakische Soldaten teil, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben und im Norden im Kampf gegen den IS eingesetzt werden sollen. Etwa zur Halbzeit der Zeremonie, nach etlichen Ansprachen, verdrückten sich viele der Absolventen, um der Mittagssonne zu entkommen. Westliche Ausbilder schüttelten bestürzt den Kopf: Disziplin war eine der Fähigkeiten, auf die während des Trainings besonders viel Wert gelegt worden war.

Im Lauf der Intensivierung des US-Einsatzes im Irak in den vergangenen zwei Jahren betonten Koalitionsvertreter immer wieder, dass eine dauerhafte Lösung letztlich nur durch politischen Wandel und eine Versöhnung zwischen Schiiten, Sunniten und anderen Gemeinschaften erreicht werde. Doch die politische Führung des Iraks hat Eckpunkte für eine politische Versöhnung wiederholt nicht eingehalten.

Oberst Sylvia sagt, nach seiner letzten Stationierung in Bagdad 2008 hätte er nie gedacht, jemals wieder zurückzukehren. Er hoffe, dass sich die USA nicht ein zweites Mal vollständig aus dem Irak zurückzögen, sondern sich langfristig engagierten. „Ich glaube, es gibt ein Eingeständnis unter manchen Irakern, dass es ein Fehler war, dass wir abgezogen sind.“

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