Kampf gegen den IS Erbitterte Schlacht um Mossul dauert an

Die Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS geht nur zäh voran. Immer wieder müssen die Regierungssoldaten auch Rückschläge hinnehmen. Gerade in Mossul leisten IS-Anhänger zum Teil starke Gegenwehr.

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Rauchwolken steigen auf, nachdem ein vom Islamischen Staat zurückgelassener Sprengsatz in Mossul explodiert ist. Die irakische Armee kämpft mit allen Mitteln gegen die Terrormiliz, die Einwohner von Mossul geraten dabei immer wieder zwischen die Fronten. Quelle: dpa

Mossul Eine ausgebrannte Hülle – viel mehr ist von dem Gebäude in Mossul nicht übrig geblieben. Einst wurden hier Kranke versorgt. Doch die IS-Kämpfer machten aus der Al-Salam-Klinik einen militärischen Stützpunkt. Als eine Vorhut der irakischen Streitkräfte ihn sichern wollte, schlug die Terrormiliz mit aller Gewalt zurück. Dutzende Soldaten wurden getötet. Erst mithilfe von Luftangriffen der USA konnten die Islamisten schließlich vertrieben werden.

Die Rückeroberung des ehemaligen Krankenhauses war strategisch wichtig: Zum ersten Mal seit der Einnahme der zweitgrößten Stadt des Landes durch die sunnitischen Extremisten vor mehr als zwei Jahren drangen die irakischen Streitkräfte nun wieder bis ans Ufer des Tigris vor. Etwa ein Drittel von Mossul ist damit wieder unter staatlicher Kontrolle. Doch der Preis des militärischen Erfolges ist hoch. Und das Beispiel zeigt zugleich, dass es bis zur vollständigen Befreiung der Stadt noch ein langer Weg ist.

Am 6. Dezember hatte eine Einheit der Streitkräfte im Rahmen der Offensive schnelle Fortschritte gemacht – zu schnell, wie sich bald danach herausstellen sollte. Sie konnte das frühere Krankenhaus zwar einnehmen, war kurz darauf aber von Kämpfern der Terrormiliz umzingelt. Wegen anhaltender Gegenangriffe - unter anderem mit Autobomben – mussten sich die Soldaten wieder zurückziehen. In den folgenden Wochen ließen Kampfjets der USA und ihrer Verbündeten nach Angaben des Pentagon 25 Bomben auf den Gebäudekomplex in Mossul fallen.

Zusätzlich wurde eine irakische Sondereinheit entsandt, die zuvor in den Städten Falludscha und Chaldija eingesetzt war. „Wir haben mehr Erfahrung in urbanen Gebieten“, sagt Mehdi Abbas Abdullah, ein Kommandeur der Eingreiftruppe, die das stark zerstörte Krankenhaus erneut erobern konnte. Einer seiner Soldaten räumt jedoch ein, dass dies ganz wesentlich der amerikanischen Unterstützung zu verdanken war: „Ehrlich, die Schlacht wurde zu 75 Prozent aus der Luft entschieden“, sagt Hassan Ali Dschalil.

Die neunte Division der irakischen Streitkräfte, die das Al-Salam-Krankenhaus nicht hatte halten können, ist eher auf Einsätze in freiem Gelände spezialisiert - und ein Besuch des inzwischen gesicherten Gebäudes am Dienstag ließ erahnen, welch heftigem Beschuss sie dort ausgesetzt war.


IS soll Krankenhaus als militärische Basis genutzt haben

Auf einem Parkplatz vor dem Krankenhaus stand ein halbes Dutzend zerstörter Panzer. Die IS-Kämpfer hatten sich während der Gefechte über Dächer und durch ein Tunnelsystem bewegt und auf diese Weise Soldaten überrascht sowie Fahrzeuge erbeutet. Einen Monat nach seinem Rückzug lässt sich der Befehlshaber der neunten Division, Kassim Dschassim Nasal, die zerschossenen Panzer zeigen. „An diesen Ort zurückzukehren, ist wie eine Rache“, sagt er bei dem Rundgang. Seine Männer hätten keine Chance gehabt, den ständigen Angriffen mit Autobomben ohne Hilfe aus der Luft standzuhalten.

„Das waren keine normalen Autobomben. Jede war wie eine atomare Explosion“, ruft er sich in Erinnerung. Den Keller des Krankenhauses benutzten die Extremisten offenbar als Bunker. In den Räumen liegen Dutzende Matratzen. In den Fluren sind Munition und Schutzanzüge gelagert. Ganz oben auf den Regalen sind religiöse Bücher aufgereiht. Auf den Grünflächen vor dem Gebäude liegen neben anderen Vorräten auch etliche Krankenakten herum. Laut Stichproben eines Teams der Nachrichtenagentur AP waren diese jedoch mehr als ein Jahr alt.

Es sei „eindeutig“, dass der IS das Krankenhaus als militärischen Stützpunkt genutzt habe und nicht mehr zur Behandlung von Zivilpersonen, sagt John Dorrian, ein Sprecher der US-Streitkräfte vor Ort. „Wenn der Feind Einrichtungen wie diese als Lagerplatz für Waffen oder als Hauptquartier für Einsätze nutzt, werden wir solche Einrichtungen angreifen.“ Dorrian betont, dass dies im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht stehe. Die Einnahme des Al-Salam-Krankenhaus ermöglicht es den irakischen Truppen zudem, fast bis an den Tigris vorzudringen, der Mossul in einen West- und einen Ostteil spaltet.

Die neue Front liegt nun im Stadtteil Jarimdscha, wenige hundert Meter vom Ufer entfernt. Kinder spielten hier am Dienstag in den engen Straßen – doch wann immer Raketen über ihre Köpfe hinwegflogen, oder der Abschuss von Minenwerfern zu hören war, gingen sie in Deckung. „Wir haben gelernt, was diese Geräusche bedeuten“, sagt der 13-jährige Hamid Mahmood dazu.

Die Bewohner haben unter den erbitterten Kämpfen zwischen dem IS und den irakischen Truppen schwer zu leiden. Er schätze, dass allein in seinem Viertel in den zurückliegenden drei Monaten mehr als 30 Menschen ums Leben gekommen seien, sagt der 23-jährige Saif Ahmed. Erst vor einer Woche seien seine Schwägerin und ihr Baby beerdigt worden. Die Frau wurde nach seinen Angaben bei einem Mörserangriff getötet, während das Kind kurz darauf an Durchfall erkrankte und starb.

Ungeachtet dessen werden die strategischen Pläne fortgeführt. Das weitere Vorgehen von Jarimdscha aus sei besonders gefährlich, sagt der hier stationierte irakische Kommandant Masin Mohammad. Zwischen dem Viertel und dem Tigris liegen nämlich nur noch einige Felder. Die IS-Kämpfer haben von ihren Stellungen am anderen Ufer des Flusses aus also einen freien Blick. „Es ist ein offenes Gelände und sie können uns kommen sehen“, sagt Mohammad.

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