Kanada und Europa „Trump könnte Europas schlimmster Feind sein“

Die europäisch-kanadischen Beziehungen waren in der Vergangenheit oft der vernachlässigte Teil der transatlantischen Beziehungen. Die Veränderungen in der US-Politik geben der Partnerschaft jetzt neues Gewicht.

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In Zeiten des Wandels scheinen stabile Beziehungen ein wertvolles Gut zu sein. „Kanada ist der berechenbare Partner in Nordamerika“, sagt Werner Wnendt, Botschafter Deutschlands in Ottawa. Quelle: dpa

Ottawa Die Beziehung zwischen Kanada und Europa standen eigentlich immer im Schatten der Partnerschaft zwischen Europa und den USA. Das könnte sich jetzt ändern. Irritationen über die neue US-Außenpolitik unter Präsident Donald Trump lassen Ottawa und Brüssel näher zusammenrücken.

„In dieser kritischen Zeit will ich dazu beitragen, Kanadas Beziehungen zu Europa zu stärken.“ Mit diesen Worten nahm jetzt der bisherige kanadische Außenminister Stephane Dion das Angebot von Premierminister Justin Trudeau an, künftig als Botschafter Kanadas in Deutschland und bei der Europäischen Union zu dienen. Dion hatte Anfang des Jahres bei der Kabinettsumbildung sein Amt an die bisherige Handelsministerin Chrystia Freeland abgeben müssen. Es gehe darum, dass „Offenheit und Einbeziehung aller gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung triumphiert“, sagte Dion.

Wie Europa, muss auch Kanada seinen Kurs in Sachen USA anpassen. Die Absage Trumps an den globalen Freihandel und das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta sorgen momentan für Irritationen in der Beziehung zwischen den beiden Ländern. Trudeau setzt auf die Zusammenarbeit mit Trump, obwohl er in vielen Bereichen ganz anders denkt als der US-Präsident. Der Einreisebann Trumps, dem Trudeau demonstrativ einen Willkommensgruß an Flüchtlinge entgegengestellte, ist einer der Belege für die Verschiedenheit der beiden Regierungschefs.

In Zeiten des Wandels scheinen stabile Beziehungen ein wertvolles Gut zu sein. „Kanada ist der berechenbare Partner in Nordamerika“, sagt Werner Wnendt, Botschafter Deutschlands in Ottawa. „Diese Berechenbarkeit der USA fehlt derzeit. Wir wissen, woran wir mit Kanada sind. Wir teilen die gleichen Werte und Ziele, und das macht viel aus.“ Auch unter der früheren  Regierung Stephen Harper seien die Beziehungen zwischen Deutschland und Kanada fortentwickelt worden, unter der Regierung Trudeau seien sie nun noch intensiver. „In vielen politischen Fragen haben wir ähnliche Positionen, etwa beim Klimawandel, bei erneuerbaren Energien oder auch bezüglich der Ukraine und Syrien.“

Auch Ministerin Freeland weist der kanadisch-europäischen Partnerschaft einen hohen Stellenwert zu. Sie beruhe auf der beiderseitigen „Verpflichtung zu Demokratie, Vielfalt und Chancen für alle“, auf  Geschichte und gemeinsamen Werten, Multilateralismus und Rechtsstaatlichkeit, erklärte die Ministerin in einer Stellungnahme für diese Zeitung. Freeland, die sich im Herbst als Handelsministerin vehement für das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA eingesetzt hatte, hofft, dass CETA in diesem Jahr die Hürden im europäischen Gesetzgebungsprozess nehmen wird, was „die bereits starken Bindungen zwischen Kanadiern und Europäern noch vertiefen“ würde.


Die Gleichgesinnten

Nicht nur das Handelsabkommen CETA soll aus der Sicht der kanadischen Regierung und der EU die Kooperation stärken. Parallel zu CETA war ein „Abkommen zur Strategischen Partnerschaft“ ausgehandelt worden – mit Aussagen zur multilateralen Zusammenarbeit, zur Waffenkontrolle und Kooperation im Kampf gegen Terrorismus, zu nachhaltiger Entwicklung und Kooperation in Wissenschaft, Forschung und Kulturarbeit. Kanada gehört seit Jahrzehnten zu den engsten Partnern Europas auf internationaler Bühne und wird von der EU als „like-minded“ (gleichgesinnt) bezeichnet.

Aber oft beklagten sich die Kanadier darüber, dass ihr Land nicht auf dem „Radarschirm“ der Europäer sei und „wohlwollend vernachlässigt“ werde. Dies hat sich offenbar geändert, wozu die Wahl Trudeaus beitrug, der in Europa hoch geschätzt wird. Hinzu kommt die Wahl Trumps in den USA. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir war dieser Tage der erste deutsche Politiker, der nach dem Machtwechsel in den USA, Kanada besuchte. „Wir müssen jetzt mehr denn je den Schulterschluss mit Kanada suchen. Kanada unter Trudeau ist für Deutschland ein wichtiger und natürlicher Partner, man denke an die Bemühungen um den Klimaschutz, das Eintreten für eine offene Gesellschaft und die Zusammenarbeit in der Nato“, sagt Özdemir. Dies sei auch Grundlage der Beziehungen Deutschlands mit den USA unter Obama gewesen, aber „Trump droht nun alle diese Aufgaben zu entwerten – und schadet damit massiv der transatlantischen Partnerschaft“.

Europa müsse eng an der Seite Kanadas stehen. „Zusammenarbeit mit Kanada heißt im Jahr 2017, die Werte, die für unsere beiden Länder und Europa stehen, zu festigen und gegen Angriffe gemeinsam zu verteidigen.“ Zu den Vorbehalten seiner Partei gegenüber CETA meint der Grünen-Politiker, die Kritikpunkte seiner Partei hätten weiter Bestand. Er plädiert für ein Nachverhandeln. „Ich wäre froh, wenn wir gemeinsam ein Zeichen gegen Protektionismus setzen könnten. Ein nachverhandeltes CETA böte die Chance dazu.“

Auch Politikprofessor David Long von der Carleton-Universität in Ottawa glaubt, das die kanadisch-europäischen Beziehungen an Gewicht gewonnen haben. Mit Kanada habe die EU „weiterhin einen Freund, wenn es um Multilateralismus oder  Zusammenarbeit in der Nato geht, um die Haltung gegenüber Russland oder Handel“. CETA sei im vergangenen Jahr durch Nachverhandlungen verbessert worden und könne „ein Bollwerk gegen die vollständige Desintegration des Handelssystems und des transatlantischen Handels“ sein.

„Die Europäer können darauf bauen, dass sie in den nächsten Jahren eine liberale und progressive Regierung in Kanada haben“, die Europa freundlich gesonnen sei, meint auch Paul Heinbecker, früherer Botschafter Kanadas in Deutschland und bei den Vereinten Nationen. Trump dagegen könnte „Europas schlimmster Feind“ sein. „Nicht einmal Putin hat solche Sachen über Europa gesagt wie Trump“, meint Heinbecker. Botschafter Wnendt jedenfalls ist überzeugt, dass beiderseits des Atlantik „das Interesse an einer engen Zusammenarbeit groß ist“.

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