Katalonien-Referendum Hunderttausende demonstrieren für Unabhängigkeit

Der katalanische Nationalfeiertag steht dieses Jahr im Zeichen des Referendums über die Abspaltung von Spanien. Die Bilder sind stark, doch eine Mehrheit haben die Separatisten laut Umfragen nicht. Eine Analyse.

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Bei dem Marsch schwenkten die Katalanen rot-gelb-gestreifte Fahnen und trugen Banner mit Aufschriften wie „Wir werden ein freies Land sein“ und „Voller Hoffnung“ mit sich. Quelle: Reuters

Barcelona Der katalanische Nationalfeiertag hat sich in diesem Jahr zu einer Demonstration für das geplante Unabhängigkeitsreferendum entwickelt. Hundertausende Katalanen sind ausgestattet mit gelben T-Shirts und der Estelada, der Flagge der katalanischen Separatistenbewegung, durch die Straßen von Barcelona gezogen. Die Angaben zur Teilnehmerzahl gehen wie jedes Jahr je nach Quelle deutlich auseinander und reichen von 350.000 bis zu einer Million.

Das Motto der diesjährigen Diada, wie die Katalanen ihren Feiertag nennen, war „La Diada del Sí“. Das Sí bezieht sich auf die für den 1. Oktober geplante Abstimmung über die Abspaltung von Spanien, die das Land gerade in eine schwere institutionelle Krise katapultiert.

Die Regionalregierung in Barcelona hat in der vergangenen Woche zwei Gesetze erlassen, die die Basis für einen eigenen Staat bilden sollen: Das erste regelt das Referendum, das zweite die Schaffung aller für einen neuen Staat nötigen Institutionen wie einer eigenen Zentralbank oder der Steuerhoheit Kataloniens. Das Referendums-Gesetz hat das spanische Verfassungsgericht bereits für ungültig und illegal erklärt, dieselbe Entscheidung wird für Dienstag gegen das Übergangsgesetz zu einem neuen Staat erwartet. Die spanische Verfassung sieht unter anderem die Einheit des Landes vor. Die Zentralregierung in Madrid hat versichert, sie werde alles tun, damit ein Unabhängigkeitsreferendum nicht stattfindet.

Die Funken fliegen derzeit zwar in der spanischen Politik, doch die Diada blieb in ihrer Form, was sie immer schon war: Eine friedliche Demonstration ohne Ausschreitungen. Das ist für die Bewegung auch extrem wichtig: Nachdem die von Separatisten getragene katalanische Regierung im Parlament die beiden Unabhängigkeits-Gesetze durchgeboxt hat, schlägt ihr von allen Seiten Protest entgegen. Selbst 56 Prozent der Katalanen halten das Referendum einer Umfrage der spanischen Tageszeitung El País zufolge für illegal und damit für nicht bindend.

Massenaufmärsche wie der zur Diada erzeugen zwar mächtige Bilder, aber sie zeigen eben nur eine Seite der Katalanen, nämlich diejenigen, die sich von Spanien lösen wollen. Die schweigende Mehrheit bleibt zuhause und damit unsichtbar. Bei der letzten Umfrage der katalanischen Regierung erklärten nur 41 Prozent aller Katalanen, dass sie einen eigenen Staat wollten. Die Umfrage ist bereits einige Wochen alt und das Ergebnis würde angesichts der aktuellen Eskalation womöglich anders ausfallen. Doch selbst bei einer Variation fest steht: Nicht nur das Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien ist gespalten, sondern auch die katalanische Bevölkerung in sich selbst.

Eine Trennung von Spanien hätte gravierende wirtschaftliche Folgen für beide Seiten. Katalonien hat 7,5 Millionen Einwohner, erzielt 19 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes und hat ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als der Rest des Landes. Zahlreiche internationale Konzerne haben dort ihren Sitz, darunter etwa die VW-Tochter Seat.

Die Ratingagentur Moodys warnt, dass spanische Staatsanleihen unter Druck geraten könnten, wenn der Konflikt zwischen Katalonien und der Zentralregierung in Madrid weiter eskaliert. Die meisten Experten sehen es jedoch als sehr unwahrscheinlich an, dass es am 2. Oktober tatsächlich zu einer Abspaltung der Region von Spanien kommt.

Noch ist vollkommen unklar, ob es überhaupt zu einem Referendum kommt. Die Regierung in Madrid hat katalanischen Rathäuser, Polizisten und alle, die an der Durchführung der Abstimmung beteiligt sind, auf die rechtlichen Folgen hingewiesen, falls sie sich dem Verbot aus Madrid widersetzen und das Referendum ermöglichen.

Die Bürgermeister von mehreren großen Städten in Katalonien haben daraufhin erklärt, sie wollten weder Räume noch Personal für die Abstimmung zur Verfügung stellen. Die Kommunen, die sich weigern, repräsentieren 35 Prozent der Bevölkerung, während diejenigen, die das Referendum ermöglichen wollen, 41 Prozent darstellen. Die übrigen haben noch keine Stellung bezogen.

Dazu gehört auch Kataloniens Hauptstadt Barcelona. Die dortige Bürgermeisterin Ada Colau verspricht zwar, alles zu tun, um eine Abstimmung zu ermöglichen – allerdings nur dann, wenn sich ihre Beamten dadurch juristisch keiner Gefahr aussetzten. Wie das gehen soll, hat sich noch nicht erklärt. Insofern bleibt unklar, wie die bevölkerungsreichste Stadt der Region sich bei dem brisanten Thema positioniert.

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