Katalonien Spaniens Spalter einigen sich

In der Revoluzzer-Hochburg Katalonien haben die Separatisten in letzter Minute doch noch Neuwahlen verhindert. Damit wächst der Druck auf Madrid, möglichst bald eine tragfähige Regierung zu bilden.

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Kataloniens Ministerpräsident Artur Mas Quelle: dpa

Madrid Für die Separatisten ist es die Rettung, für den bisherigen Anführer der Bewegung, den amtierenden Regierungschef Artur Mas, das Aus: An seiner Person scheiterten seit der Wahl am 27. September die Gespräche für eine Regierungsbildung. Gestern Nachmittag hat Mas den Weg frei gemacht für einen alternativen Kandidaten. Der künftige Ministerpräsident von Katalonien wird der gelernte Journalist und bisherige Bürgermeister von Gerona, Carles Puigdemont. Der 51-Jährige hat die Katalanische Nachrichten-Agentur mitgegründet und die englischsprachige Regionalzeitung „Catalonia Today“ geleitet. Er gehört wie Mas der konservativen Partei Convergència Democràtica de Catalunya (CDC) an.

Die Einigung verhindert buchstäblich in letzter Minute Neuwahlen. Bis Sonntag mussten die Parteien eine Regierung bilden, sonst wäre ein erneuter Urnengang unvermeidlich gewesen. Es wäre der vierte in sechs Jahren gewesen und hätte die Unabhängigkeitsbewegung nach Meinung zahlreicher Experten geschwächt.

Mas, der sein persönliches Schicksal an den Kampf für einen eigenen katalanischen Staat geknüpft hat, ist der große Verlierer. Seine Partei CDC hatte sich für die Wahlen Ende September mit der linksnationalistischen Esquerra Republica de Catalunya (ERC) zu dem Wahlbündnis Junts pel Sí (gemeinsam für das Ja) zusammen geschlossen - um sicher zu gehen, dass sie die Mehrheit erhalten.

Doch dazu hat es nicht gereicht. Mas‘ Wahlbündnis brauchte im Parlament die Unterstützung der antikapitalistischen CUP, um auf eine Mehrheit zu kommen. Die CUP  fordert nicht nur die Unabhängigkeit der Region, sondern auch einen Austritt Kataloniens aus der Nato und aus dem Euro. Vor allem aber hielt sie ihrem Wahlkampfversprechen fest, keinen Regierungschef  Mas zu unterstützen. Sie lehnt ihn wegen seiner Sparpläne und der Verwicklung seiner Partei und seines Ziehvaters Jordi Pujol in diverse Korruptionsskandale ab.


Drohende Eskalation des Streits mit Madrid

Mit der Einigung droht nun eine weitere Eskalation des Streits zwischen Madrid und Barcelona. Ende November verabschiedeten die Separatisten eine Resolution für die Vorbereitungen eines eigenen Staates. Darin erklärten sie auch, dass sie sich fortan nicht mehr an spanische Gesetze halten werden. Madrid schaltete das Verfassungsgericht ein, das die Resolution stoppte. Die spanische Verfassung erlaubt die Löslösung einer einzelnen Region vom Rest des Königreiches nicht.

Für das Land hätte eine Abspaltung Kataloniens weitreichende Folgen. Katalonien ist eine der bevölkerungsreichsten Regionen des Landes und trägt 19 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die meisten internationalen Konzerne haben ihren Sitz dort, darunter auch die VW-Tochter Seat oder der Chemiekonzern BASF. Würde die Region sich tatsächlich von Spanien lossagen, flöge sie aus der EU, die Firmen müssten Importzölle und Währungsrisiken fürchten.

Zahlreiche Experten gingen davon aus, dass die Separatisten im Fall von Neuwahlen keine neue Mehrheit mehr zusammen gebracht hätten. „Es hat sich gezeigt, dass der Plan für die Unabhängigkeit noch nicht ausgereift ist“, sagte Antonio Argandoña, emeritierter Ökonom von der Business School IESE dem Handelsblatt. Auch die Deutsche Bank argumentierte am vergangenen Donnerstag: „Die Unfähigkeit, eine regionale Regierung zu bilden wird ein bedeutender Rückschlag für die katalanischen Unabhängigkeits-Befürworter sein.“ Auch Mas sagte am Samstag, „Neuwahlen wären die schlechteste Option für Katalonien gewesen“. Er will weiter politisch aktiv bleiben – womöglich als Botschafter, der international für einen eigenen Staat Katalonien wirbt. 


Mögliche Folgen für die Regierungsbildung in Madrid

Die katalanische Einigung könnte Spanien paradoxerweise nun aber sogar helfen: Da der Brandherd im Nordosten des Landes jetzt weiter schwelt, könnte er den Druck auf die beiden Volksparteien erhöhen, sich in Madrid doch noch zu einer großen Koalition durchzuringen, um das drängende Problem in Barcelona zu lösen.

Andererseits haben die Separatisten in Madrid nun neue Unterstützer: Die linksradikale Partei Podemos, die bei den nationalen Wahlen kurz vor Weihnachten 20 Prozent der Stimmen erzielte, setzt sich für ein Referendum in Katalonien ein. Die Bürger sollten selbst entscheiden können, ob sie weiter zu Spanien gehören wollen oder nicht. Podemos ist bei den Nationalwahlen mit dieser Haltung zur stärksten Partei in Katalonien avanciert.

Um diese Wähler nicht zu verprellen, steht die Schwesterpartei der griechischen Syriza fest zu diesem Versprechen. Damit jedoch wird eine linke Koalitionsregierung in Madrid unmöglich: Die sozialistischen Volkspartei PSOE wird niemals mit Podemos koalieren, wenn sie dadurch die nationale Einheit gefährdet. In Spanien wird es in den kommenden Wochen noch spannend werden.

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