Katalonien Zitterpartie Regierungsbildung

Das katalanische Parlament kommt an diesem Mittwoch zum ersten Mal seit den Wahlen am 21. Dezember zusammen – und trifft gleich eine folgenschwere Entscheidung, die in einer Verfassungsklage enden könnte.

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Egal wie das katalanische Parlament sich verhält, eine Verfassungsklage zeichnet sich jetzt schon ab. Quelle: dpa

Madrid Der nach Unabhängigkeit strebenden Region Katalonien steht der nächste Showdown mit der Regierung in Madrid bevor. Am morgigen Mittwoch konstituiert sich das katalanische Parlament zum ersten Mal seit den Wahlen am 21. Dezember. Allein das Datum birgt Sprengstoff: Der Ältestenrat des Parlaments legt morgen fest, welche Abgeordneten ein Stimmrecht besitzen und noch am selben Tag das Präsidium wählen können. Diese Entscheidung ist deshalb problematisch, weil drei Abgeordnete im Gefängnis sitzen und fünf vor der spanischen Justiz nach Brüssel geflohen sind, darunter auch Ex-Präsident Carles Puigdemont. Sollte der Ältestenrat entscheiden, dass die fünf Brüsseler ein Stimmrecht haben, würden er gegen die herrschende Rechtsmeinung verstoßen – und eine Klage vor dem Verfassungsgericht riskieren.

Der Grund: Die fünf Exil-Katalanen können nicht zu den Abstimmungen im Parlament erscheinen, weil gegen sie ein Haftbefehl in Spanien vorliegt. Sie müssten ihre Stimmen deshalb an einen anderen Abgeordneten delegieren. Das sieht die Geschäftsordnung des Parlaments eigentlich aber nur für Abgeordnete in Elternzeit, Kranke oder bei „längerer Verhinderung“ vor.

Genau diese letzte Formulierung haben die juristischen Sachverständigen des Parlaments jüngst so interpretiert, dass nur physische oder psychische Probleme der Abgeordneten einen Grund „längerer Verhinderung“ darstellen können, nicht aber eine Flucht nach Brüssel. Setzt sich der Ältestenrat über diese nicht bindende Empfehlung hinweg, dürfte die spanische Regierung sofort vor dem Verfassungsgericht dagegen klagen – und der Streit würde sich erneut hochschaukeln. Allerdings brauchen die Unabhängigkeitsbefürworter die Stimmen der acht Verhafteten und Geflüchteten nicht für ihre Mehrheit. Es ist deshalb auch möglich, dass sich die konstituierende Sitzung am Mittwoch in vollkommen geordneten Bahnen abspielt.

Die nächste potentielle Krise würde dann am 31. Januar anstehen. An dem Tag muss die erste Debatte über die Amtseinsetzung des neuen Präsidenten stattfinden. Puigdemont beansprucht diesen Posten für sich. Aber auch dazu sagen die Juristen des Parlaments klar, dass dies weder per Videokonferenz noch per Verlesen seiner Rede stattfinden kann. Sollte das Parlamentspräsidium ihm dennoch die Vereidigung erlauben, droht ebenfalls eine Verfassungsklage. Der spanische Premier Mariano Rajoy hat bereits angekündigt, er werde keine Amtseinsetzung von Puigdemont dulden. Solange es keine neue und regulär gewählte Regierung in Katalonien gibt, bleibt automatisch weiter die Zwangsverwaltung nach Artikel 155 in Kraft. Neuwahlen würden nur dann stattfinden, wenn das katalanische Parlament sich an die Vorschriften hält sich aber auf keinen Regierungspräsidenten einigen kann.

Das könnte durchaus der Fall sein, wenn Puigdemont weiter auf dem Posten beharrt. Die zweite große Separatistenpartei, die linksrepublikanische ERC, hat sich zwar grundsätzlich mit Puigdemont einverstanden erklärt. Sie hat ihre Zusage zu seiner Amtseinsetzung aber von dem Urteil der juristischen Sachverständigen des Parlaments abhängig gemacht. Deren Ablehnung liegt nun vor, so dass es gut sein könnte, dass ERC Puigdemont doch nicht unterstützt.

Die Partei hat allerdings auch keinen alternativen Kandidaten. Ihr Chef Oriol Junqueras sitzt im Gefängnis und kann deshalb ebenso wenig für eine mögliche Vereidigung im Parlament erscheinen. Die Anwälte der drei inhaftierten Abgeordneten hatten zwar Freigänge für parlamentarische Abstimmung beantragt – einen Präzedenzfall dazu gibt es in Spanien bereits. Doch der zuständige Richter lehnte ab. Er hält es zwar für möglich, dass die drei Inhaftierten ihre Stimme delegieren. Die finale Entscheidung darüber hat er aber in die Hände des Ältestenrates gelegt, der morgen darüber entscheiden wird. „Es un lío“, sagen die Spanier - es ist ein Durcheinander. Die Ruhe in Katalonien, die sich viele von den Wahlen versprochen hatten, sie ist bislang noch nicht in Sicht.

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