Die Spannungen rund um das Emirat Katar haben den deutschen Aktienmarkt am Dienstag deutlich ins Minus gedrückt. Der Dax stoppte erst einmal seinen jüngsten Rekordlauf und riss die Marken von 12 800 und 12 700 Punkten. Der Leitindex ging schließlich 1,04 Prozent tiefer bei 12 690,12 Zählern aus dem Handel.
„Es wird sich nun zeigen müssen, wie viel Substanz die zuletzt etablierte Ausbruchsbewegung beim Dax tatsächlich hat“, schrieben die Experten der Landesbank Helaba. Am Freitag hatte das Barometer noch bei 12 878 Punkten eine weitere Bestmarke erklommen, bevor die Gewinne nach den US-Jobdaten für Mai geschmolzen waren. Am Montag wurde hierzulande wegen des Pfingstfeiertags nicht gehandelt.
Der MDax der mittelgroßen Unternehmen sank am Dienstag um 0,96 Prozent auf 25 448,57 Zähler. Für den Technologiewerte-Index TecDax ging es um 0,52 Prozent auf 2309,88 Punkte nach unten.
Das ist Katar
Das Emirat Katar im Osten der arabischen Halbinsel ist geografisch zwar nur etwa halb so groß wie Hessen, gewinnt international aber sowohl politisch als auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Große Vorkommen an Erdöl und Erdgas machten Katar zu einem der reichsten Länder der Erde. Das Land ist 2022 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft.
Quelle: dpa
Rund 2,2 Millionen Menschen leben in Katar, von denen der Großteil aus dem Ausland kommt und als Gastarbeiter beschäftigt ist.
Das Land hat zahlreiche Beteiligungen an europäischen Unternehmen, darunter etwa Anteile am VW-Konzern und an der Baufirma Hochtief. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira hat seinen Sitz in Katar. Katar ist Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und hat unter anderem zusammen mit Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten den Golfkooperationsrat mitgegründet, der eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der Region als Ziel hat. Südlich der Hauptstadt Doha befindet sich der größte Stützpunkt der US-Armee in der arabischen Welt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert Katar für die Ausbeutung von Gastarbeitern und eingeschränkte Meinungsfreiheit.
Am Dienstag reagierten die Anleger verschreckt auf die Zunahme der Spannungen infolge des Abbruchs aller diplomatischen Beziehungen zu Katar durch Saudi-Arabien und andere arabische Staaten. „Dass mehrere Golf-Staaten so plötzlich die Beziehungen mit Katar abbrechen, kam völlig unerwartet“, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Handelshaus AxiTrader. Auf die Ölproduktion werde dies zwar keinen großen Einfluss haben, aber die Sorge steige, dass sich der Konflikt verschärfen könnte. Die von Sunniten regierten Staaten werfen dem Golf-Emirat die Unterstützung von Terrororganisationen sowie eine zu große Nähe zum schiitischen Iran vor.
Bei den Einzelwerten hierzulande sorgten Analystenkommentare für Bewegung, vor allem bei den Papieren von Wacker Chemie. Sie sackten am MDax-Ende um mehr als 4 Prozent ab. Das Überangebot an Polysilizium werde zur Belastung für den Spezialchemiekonzern, schrieb Analyst Patrick Rafaisz von der Bank UBS.
Schlusslicht im Dax waren die Aktien des Pharma- und Agrarchemiekonzerns Bayer mit minus 2,22 Prozent. Kurz nach Börsenschluss wurde bekannt, dass die Leverkusener ihren Anteil an der Tochter Covestro reduzieren. Die Papiere der Lufthansa hingegen gewannen gut 1 Prozent. Die Airline streicht mehr Stellen im Management als bisher geplant. Zudem zeigte sich Konzernchef Carsten Spohr vom laufenden Geschäft positiv überrascht. Die Nachfrage in den USA und China sei besser als gedacht.
Die Nase vorn im Leitindex aber hatten die Versorgerwerte: So zogen RWE um rund 2 und Eon um 2,76 Prozent an. Im MDax gewannen die Aktien von Uniper und Innogy jeweils mehr als 1 Prozent. Angesichts teils hoher Dividendenrenditen zählen viele Investoren die Papiere der Branche aktuell zu den eher defensiveren Werten, was ihnen bei fallenden Kursen zugute kommt.
Die Papiere der Start-Up-Schmiede Rocket Internet büßten im SDax nach wechselhaftem Verlauf rund 2 Prozent ein. Die Anleger hatten sich mit der Einordnung des noch in diesem Jahr angepeilten Börsengangs der Beteiligung Delivery Hero schwer getan. Sie bemängelten unzureichende Details des Essens-Lieferdienstes zum Gang aufs Parkett.
Die Staaten mit den höchsten Pro-Kopf-Einkommen 2016
Schweiz
59.275 US-Dollar / Kaufkraftparität
Quelle: Global Finance Magazine
San Marino
64.443 US-Dollar / Kaufkraftparität
Vereinigte Arabische Emirate
67.969 US-Dollar / Kaufkraftparität
Norwegen
69.296 US-Dollar / Kaufkraftparität
Irland
69.374 US-Dollar / Kaufkraftparität
Kuwait
71.263 US-Dollar / Kaufkraftparität
Brunei Darussalam
79.710 US-Dollar / Kaufkraftparität
Singapur
87.082 US-Dollar / Kaufkraftparität
Luxemburg
101.936 US-Dollar / Kaufkraftparität
Katar
129.726 US-Dollar / Kaufkraftparität
Der EuroStoxx 50 fiel um 0,71 Prozent auf 3554,18 Punkte. Der Pariser Leitindex CAC 40 gab ähnlich deutlich nach, während der Londoner FTSE 100 dank des schwachen Pfund, das Exporte verbilligen kann, kaum verändert schloss. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial bewegte sich zum europäischen Handelsschluss nur minimal.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 0,10 Prozent am Freitag auf 0,09 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,06 Prozent auf 142,09 Punkte. Der Bund Future gewann 0,31 Prozent auf 162,98 Punkte. Der Kurs des Euro legte zu: Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1258 (Montag: 1,1249) US-Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8883 (0,8889) Euro.