Kenneth Rogoff "China will weiter als aufsteigende Supermacht gelten"

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Unattraktives Wachstum

Wie offen sind die Chinesen für Ratschläge?

Sehr offen. Natürlich reden sie nicht mit Journalisten. Aber intern diskutieren die Machthaber seit Langem ungeschminkt die Gefahren einer Abschwächung. Präsident Xi Jinping hat zu Beginn seiner Amtszeit gesagt, wir werden irgendwann diese Krise erleben – und ich versuche, den Wandel schnell in meiner ersten Amtszeit einzuleiten, damit ich die Vorgängerregierung dafür verantwortlich machen kann. Aber man muss auch sagen: Bislang war Xi Jinping erfolgreicher darin, größere politische Kontrolle zu erlangen, als die nötigen wirtschaftlichen Reformen anzugehen.

Seine politische Glaubwürdigkeit ist auch angeknackst, weil die Regierung gerade nach Chemieunfällen hilflos agierte.

Hinzu kommt der Frust über Umweltprobleme! Je reicher die Chinesen werden, desto unattraktiver ist Wachstum um jeden Preis.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

Wird sich die Kommunistische Partei von ihrem Wachstumsversprechen verabschieden?

Auf keinen Fall. China will weiter als aufsteigende Supermacht gelten. Dazu gehört unbedingt Wirtschaftswachstum.

Wie wird die Krise Chinas Ehrgeiz bremsen, international mehr Einfluss zu erlangen?

Die Chinesen dachten, ihre Devisenreserven im Wert von rund vier Billionen Dollar machten sie unverwundbar. Aber allein im letzten Monat haben sie Hunderte Milliarden Dollar verloren. Sie werden gewiss etwas weniger großzügig werden. Doch sie wollen weiter international mitmischen. Und für die Welt ist ein stabiles und engagiertes China ja gut. Wäre das Land instabil, könnte es nach Feinden außerhalb suchen. So wie wir es in Russland erleben, wo die Ukrainekrise zumindest politisch gelegen kam, um von der instabilen Wirtschaftslage daheim abzulenken.

Stabilität ist derzeit auch in Europa dringend gesucht, vor allem in Griechenland. Wie beurteilen Sie die Regierung dort?

Die Syriza-Regierung hat nicht nur reihenweise Versprechen gebrochen, sie erwies sich auch als spektakulär inkompetent.

An diesen Märkten kracht es
Mit Chinas Aktienmarkt fing alles an: Jahrelang propagierte die Regierung in Peking den Einstieg in Aktien – ganz offiziell in den Staatsmedien. Der kleine Mann sollte an der Börse investieren und den chinesischen Unternehmen zu Kapital verhelfen. Doch mit dem stagnierenden Wirtschaftswachstum kamen Zweifel auf. Die Börsen in Schanghai und Shenzhen brachen innerhalb weniger Wochen drastisch ein. Und das Virus China begann, sich auszubreiten. Quelle: dpa
So zog Chinas Schwäche zum Beispiel auch das deutsche Aktienbarometer nach unten. Viele exportorientierte Dax-Unternehmen, vor allem die Autobauer, haben gelitten. Weil am Donnerstag die USA zusätzlich mit guten Konjunkturdaten aufwarten konnten und die Zinswende damit näher zu rücken scheint, ließ der Leitindex am Freitag weiter Federn. Zum Handelsschluss notierte er gut 300 Punkte tiefer bei 10.124 Punkten. Auf Wochensicht verlor der Dax knapp acht Prozent oder 861 Punkte. Quelle: REUTERS
Die voraussichtlich schlimmste Woche des Jahres für Aktien hat am Freitag auch die Wall Street nicht verschont. Nach enttäuschenden Konjunkturdaten aus China lagen die wichtigsten Indizes in New York zur Eröffnung deutlich im Minus. Der Dow-Jones-Index lag mit 16.815 Punkten ein Prozent im Minus. Der breiter gefasste S&P-500 tendierte mit 2.016 Zählern ebenfalls fast ein Prozent tiefer. Quelle: AP
Nicht nur an den Börsen, auch bei den Währungen ging es zuletzt deutlich bergab. Anfang der Woche gab die chinesische Zentralbank überraschend den Yuan-Wechselkurs frei – woraufhin dieser um mehrere Prozent nach unten rauschte. Auch in den Folgetagen konnte die Regierung den Kurs nur mit Mühe über Devisenverkäufe stabilisieren. Grundsätzlich will Peking daran festhalten, den Referenzkurs für den Wechselkurs nach Angebot und Nachfrage zu bestimmen. Quelle: dpa
Nicht nur der Yuan, auch die Schwellenländerwährungen allgemein haben in dieser Woche stark gelitten. Die türkische Lira, zum Beispiel, erreichte einen historischen Tiefstand nach dem anderen. Der Grund: Investoren ziehen ihr Geld aus den Schwellenländern ab und investieren es eher wieder im Dollar und Euro-Raum. Viele Schwellenländer hängen am Tropf Chinas. Das Vertrauen der Investoren schwindet daher. Quelle: REUTERS
Nach unten ging es diese Woche auch für den Ölpreis. Zuletzt kostete ein Barrel Brent noch 45,90 Dollar, ein Barrell der Sorte WTI noch knapp über 40 Dollar. Experten gehen längst davon aus, dass der Preisverfall weitergeht. Der Grund: Die USA hat durch die Schieferölförderung in nur vier Jahren die eigene Ölproduktion nahezu verdoppelt. Das dadurch steigende Angebot will und kann die Opec auch mittelfristig durch eigene Produktionskürzungen nicht kompensieren. Quelle: dpa
Doch nicht nur der Ölpreis leidet: Auch die Aktien der großen Ölunternehmen Exxon Mobil, Chevron, Royal Dutch Shell und Petrochina sind zuletzt deutlich eingebrochen. Experten warnen Anleger derzeit vor einem Wiedereinstieg. Quelle: dpa

Trotzdem haben die Geberinstitutionen mit ihr ein weiteres Hilfspaket vereinbart. Dieses Paket bietet höchstens temporäre
Linderung. Die zentrale Frage ist doch: Werden die Griechen bereit sein, sich selbst aus der Misere zu befreien, oder machen sie Deutschland weiter für all ihre Probleme verantwortlich? Tun sie Letzteres, müssen sie irgendwann die Euro-Zone verlassen.

Sie selbst wollten aber großzügiger sein als die Bundesregierung und die griechischen Schulden massiv erlassen.

Die Ironie ist: Selbst dann wäre das Land weiter auf Hilfe angewiesen, denn seine Institutionen wären ja nicht reformiert.

Also ist Griechenland eher ein Fall für die Weltbank, also für die Entwicklungshilfe?

Ja, das trifft es ziemlich gut. Das Land wird dauerhaft Hilfe brauchen. Und das ist keine gesunde Entwicklung, vor allem weil Griechenland ja keineswegs das ärmste Land in der Euro-Zone ist.

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