Wie offen sind die Chinesen für Ratschläge?
Sehr offen. Natürlich reden sie nicht mit Journalisten. Aber intern diskutieren die Machthaber seit Langem ungeschminkt die Gefahren einer Abschwächung. Präsident Xi Jinping hat zu Beginn seiner Amtszeit gesagt, wir werden irgendwann diese Krise erleben – und ich versuche, den Wandel schnell in meiner ersten Amtszeit einzuleiten, damit ich die Vorgängerregierung dafür verantwortlich machen kann. Aber man muss auch sagen: Bislang war Xi Jinping erfolgreicher darin, größere politische Kontrolle zu erlangen, als die nötigen wirtschaftlichen Reformen anzugehen.
Seine politische Glaubwürdigkeit ist auch angeknackst, weil die Regierung gerade nach Chemieunfällen hilflos agierte.
Hinzu kommt der Frust über Umweltprobleme! Je reicher die Chinesen werden, desto unattraktiver ist Wachstum um jeden Preis.
Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum
Seit Jahren schießen die Immobilienpreise in Chinas Großstädten in ungeahnte Höhen - seit Monaten mehren sich jedoch Zeichen für einen Kollaps.
Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein großer Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert, die der Staat bislang nicht kontrollieren kann.
Banken haben ohne genaue Prüfung Firmen immense Kredite für unproduktive und verschwenderische Investitionen gegeben.
Mit Subventionen der Regierung haben viele Branchen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, beispielsweise die Solarindustrie. Aber sie werden ihre Produkte nicht los.
Chinas Wirtschaft hängt vom Export ab. Geraten wichtige Abnehmerländer in Krisen, hat auch China Probleme.
Wird sich die Kommunistische Partei von ihrem Wachstumsversprechen verabschieden?
Auf keinen Fall. China will weiter als aufsteigende Supermacht gelten. Dazu gehört unbedingt Wirtschaftswachstum.
Wie wird die Krise Chinas Ehrgeiz bremsen, international mehr Einfluss zu erlangen?
Die Chinesen dachten, ihre Devisenreserven im Wert von rund vier Billionen Dollar machten sie unverwundbar. Aber allein im letzten Monat haben sie Hunderte Milliarden Dollar verloren. Sie werden gewiss etwas weniger großzügig werden. Doch sie wollen weiter international mitmischen. Und für die Welt ist ein stabiles und engagiertes China ja gut. Wäre das Land instabil, könnte es nach Feinden außerhalb suchen. So wie wir es in Russland erleben, wo die Ukrainekrise zumindest politisch gelegen kam, um von der instabilen Wirtschaftslage daheim abzulenken.
Stabilität ist derzeit auch in Europa dringend gesucht, vor allem in Griechenland. Wie beurteilen Sie die Regierung dort?
Die Syriza-Regierung hat nicht nur reihenweise Versprechen gebrochen, sie erwies sich auch als spektakulär inkompetent.
Trotzdem haben die Geberinstitutionen mit ihr ein weiteres Hilfspaket vereinbart. Dieses Paket bietet höchstens temporäre
Linderung. Die zentrale Frage ist doch: Werden die Griechen bereit sein, sich selbst aus der Misere zu befreien, oder machen sie Deutschland weiter für all ihre Probleme verantwortlich? Tun sie Letzteres, müssen sie irgendwann die Euro-Zone verlassen.
Sie selbst wollten aber großzügiger sein als die Bundesregierung und die griechischen Schulden massiv erlassen.
Die Ironie ist: Selbst dann wäre das Land weiter auf Hilfe angewiesen, denn seine Institutionen wären ja nicht reformiert.
Also ist Griechenland eher ein Fall für die Weltbank, also für die Entwicklungshilfe?
Ja, das trifft es ziemlich gut. Das Land wird dauerhaft Hilfe brauchen. Und das ist keine gesunde Entwicklung, vor allem weil Griechenland ja keineswegs das ärmste Land in der Euro-Zone ist.