Kim Jong Un Arbeiten für den Führer

Schnell wie ein geflügeltes Pferd soll sich Nordkoreas Kommandowirtschaft vorwärts bewegen. Um die Arbeiter zu motivieren, hilft Diktator Kim Jong-Un mit Kampagnen nach. Keiner wehrt sich – zumindest öffentlich.

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„Haben Sie den Plan für heute schon erfüllt?“ In Nordkorea gibt es einen Motivationsplan für die Arbeiter. Quelle: dpa

Wonsan/Nordkorea Die knalligen roten Slogans hängen in Bussen, an Regierungsgebäuden und manchmal auch in Restaurants oder an Tankstellen. „Haben Sie den Plan für heute schon erfüllt?“ fragt eines der Plakate. Es ruft die Nordkoreaner dazu auf, härter und produktiver zu arbeiten, um ihr Land nach vorne zu bringen.

Die Regierung will mit einer 200-tägigen Kampagne mehr Schwung in die Wirtschaft bringen. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr spornt Präsident Kim Jong Un auf diese Weise die stotternde Wirtschaft an. Die erste währte 70 Tage und dauerte bis kurz vor dem Parteitag im Mai. Die neue begann kurz nach dem Parteikongress, dem ersten seit 36 Jahren.

Beobachter aus dem Ausland bezweifeln, dass die staatlichen Anfeuerungsversuche nachhaltig wirken. Internationale Sanktionen angesichts des nordkoreanischen Atomprogramms und wiederholter Raketentest setzen klare Grenzen. Doch gerade deshalb steht Nordkorea unter Druck, seine Wirtschaftsschwäche allein zu überwinden.

Die Geschichte der staatlichen Kampagnen zur Steigerungen der Produktivität begann bereits in den 1950er Jahren kurz nach dem Korea-Krieg. Staatsgründer Kim Il Sung, der Großvater des heutigen Präsidenten, bemühte dazu den Mythos eines geflügelten Pferdes. Die Chollima-Bewegung wurde geboren: Stark und schnell wie das mythische Wesen Chollima sollte der neue Staat aufgebaut werden. Die jetzigen Aktionen laufen unter dem Mallima-Motto – unter Berufung auf ein wiederum geflügeltes Pferd, das aber noch zehn Mal schneller ist.

Zumindest öffentlich wehrt sich keiner gegen das Programm. Proteste oder gar Streiks sind undenkbar. „Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man niemanden einfach nur herumspazieren“, sagt Chang Sun Ho, Manager einer Schuhfabrik in Wonsan an der Ostküste des abgeschotteten Landes. „Alle arbeiten.“


„Für uns ist es also so, als ob wir für unseren Vater arbeiten“

In Changs Schuhfabrik erhalten Reporter der Nachrichtenagentur AP einen Einblick in die Umsetzung der Mallima-Kampagne. 220 Beschäftigte arbeiten dort. Täglich fertigen sie rund 700 Paar Schuhe für den heimischen Markt. Exportiert wird nicht. Auch Material und Maschinen stammen nach Angaben des Unternehmens aus Nordkorea, getreu der Philosophie eines autarken Staates. Im November besuchte Kim Jong Un die Fabrik, die sich auf seine Weisung hin nun vor allem auf höhere Qualität und mehr Auswahl konzentriert.

Schon vor den neuen Produktivitätskampagnen spornte der Besuch an: „Der Marschall hat erklärt, er nehme sich dieser Fabrik wie einer eigenen an“, sagt Chang über den Präsidenten. „Für uns ist es also so, als ob wir für unseren Vater arbeiten. Mehr Motivation brauchen wir nicht.“ Für die gesamten 200 Tage des Mallima-Aufrufs hat die Regierung dennoch einen Vertreter entsandt, der die Abläufe in dem Unternehmen im Auge behält.

Schon vor einigen Wochen erfüllte die Fabrik laut Manager Chang ihr diesjähriges Produktionsziel. Um noch mehr zu produzieren, seien keine weiteren Mitarbeiter eingestellt worden, erklärt die Fabrikleitung. Auch zusätzliche finanzielle Anreize oder Kündigungsdrohungen seien nicht nötig. Bei Übererfüllen des von der Regierung gesetzten Ziels können die Arbeiter einen Monatsbonus einfahren, doch vor allem der Gruppendruck gilt als starkes Argument. Die Arbeiter sind in Einheiten unterteilt, deren Produktionsergebnis für alle ersichtlich in Diagrammen in der Fabrik ausgestellt wird.

Wenn ein Arbeiter hinterherhinkt, wird er laut Chef Chang mit einem schnelleren zusammengebracht. Niemand wolle als faul gelten und das Ergebnis der Gruppe in Gefahr bringen. Sonst könnte man schließlich als Problem für die gesamte „Fabrik-Familie“ gelten.

„Normalerweise arbeite ich acht Stunden am Tag, von acht Uhr morgens bis zum Mittag und dann von zwei bis sechs Uhr abends“, sagt der 28-jährige Kang Jong Jin, der in Wonsan Schuhe besohlt. „Jetzt bleibe ich manchmal länger. Niemand muss mir das sagen. Ich mache es einfach.“

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