Klage gegen Schweizer Volksentscheid Oberstes Schweizer Gericht prüft Einwanderungsbremse

Selten war ein Volksentscheid so umstritten: Ganz knapp votierten die Schweizer 2014 für die Begrenzung der Einwanderung. Nun könnte das oberste Gericht das Votum kippen. Die EU wäre wohl zufrieden.

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Das Oberste Gericht prüft den 2014 durchgeführten Volksentscheid gegen Masseneinwanderung. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, eine rassistische Parole habe die Abstimmung „pervertiert“. Quelle: dpa

Lausanne Gegen den Schweizer Volksentscheid für eine Begrenzung der Zuwanderung ist vor dem obersten Gericht der Eidgenossenschaft Klage erhoben worden. Zwei Beschwerdeführer machen geltend, die Abstimmung sei durch eine rassistische Parole beeinflusst worden. Das Resultat des Referendums am 9. Februar 2014 müsse daher für ungültig erklärt werden. Das Schweizerische Bundesgericht bestätigte den Eingang der Klage am Freitag.

Darin argumentieren die Zürcher Juristen David Gibor und Tomas Poledna, ein Wahlkampf-Inserat der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) mit dem Text „Kosovaren schlitzen Schweizer auf!“ sei rassendiskriminierend gewesen. Das Abstimmungsverhalten der Schweizer sei damit auf strafbare Weise manipuliert worden.

Die SVP-Initiative „gegen die Masseneinwanderung“ war knapp mit 50,3 Prozent angenommen worden. Sie verpflichtet die Regierung, bis 2017 Kontingente für Zuwanderer festzulegen - darunter auch für EU-Bürger, die bislang ohne Einschränkungen in der Schweiz arbeiten und wohnen dürfen.

Die EU sieht darin einen Verstoß gegen die mit der Schweiz vereinbarte Personenfreizügigkeit. Sie droht mit der Kündigung bilateraler Abkommen, die der Eidgenossenschaft unter anderem den freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt gewähren.

Die Schweizer Regierung will mit der EU Gespräche führen, bevor sie Beschlüsse zur konkreten Umsetzung der Einwanderungsinitiative fasst. Ein Treffen der Justizministerin und amtierenden Regierungschefin Simonetta Sommaruga mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel ist für Anfang kommender Woche vorgesehen.

Die beiden Kläger verweisen darauf, dass die Volksabstimmung mit einer nur „hauchdünnen“ Mehrheit durchgekommen sei. Bereits eine Verschiebung von etwa 9000 Stimmen hätte zur Ablehnung geführt. Daher sei die mögliche Wirkung des „Schlitzer“-Inserats besonders schwerwiegend.

„Wer mit rassendiskriminierenden Mitteln auf Stimmenfang geht und damit das direktdemokratische System pervertiert, verletzt in fundamentaler Weise die rechtsstaatliche Grundordnung“, erklärte Gibor.

Wegen des umstrittenen Wahlkampfinserats müssen sich Ende April SVP-Generalsekretär Martin Baltisser und seine Stellvertreterin Silvia Bär vor einem Berner Strafgericht verantworten. Das Gericht hatte kürzlich eine Anklage wegen Rassendiskriminierung gegen die SVP-Politiker für zulässig erklärt.

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