Klatsche für Populisten Franzosen stimmen gegen Rassismus und Islamophobie

Die Franzosen haben Omar Sy, bekannt aus „Ziemlich beste Freunde“, zur beliebtesten Person des Landes gewählt. Ein Votum mit Symbolkraft, in einer Zeit, in der Populisten mit Rassismus und Antisemitismus punkten wollen.

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Omar Sy (l) als Ousmane Diakhate in einer Szene des Kinofilms „Ein Mordsteam“. Quelle: Picture Alliance

Paris Der Aufstieg der Populisten ist vielleicht doch nicht unaufhaltsam, ihre in Frankreich und anderen europäischen Ländern scheinbar erfolgreiche Spekulation auf Ängste vor anderen Ethnien und Religionen nur eine Blase. Jedenfalls ist verblüffend, mit welcher Deutlichkeit die Franzosen Rassismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit eine Absage erteilen.

In der jährlichen Umfrage des Demoskopie-Instituts Ifop und der größten Sonntagszeitung Journal du Dimanche wählten sie den senegalesisch-stämmigen Muslim Omar Sy zur beliebtesten Persönlichkeit des Landes. Sy ist auch in Deutschland bekannt, durch seine Rolle im Film „Ziemlich beste Freunde“. Auf Platz zwei kommt der jüdische Unterhaltungskünstler Jean-Jacques Goldman, an dritter Stelle folgt die Holocaustüberlebende Simone Veil. In einem Moment, in dem Parteien wie die Front National, aber auch einige Konservative mit Ängsten vor der angeblich bedrohten französischen christlichen Identität zu punkten suchen, ist das ein bemerkenswertes Ergebnis.

Die Demoskopen von Ifop führen die repräsentative Umfrage seit mehreren Jahren durch. Gefragt wird, welche Personen den Befragten wichtig sind und wen sie für sympathisch halten. Zur Auswahl stehen Politiker, Sportler, Journalisten, Künstler, Wissenschaftler. Die bestplatzierten aktiven Politiker sind in diesem Jahr Ex-Präsident Nicolas Sarkozy auf Rang 48, sein ebenfalls konservativer Konkurrent Alain Juppé auf Platz 49 und direkt dahinter der amtierende Wirtschaftsminister Emmanuel Macron.

Auffällig ist, dass das Trio Sy-Goldman-Veil sowohl bei Linken als auch bei Rechten, bei Männern wie bei Frauen die ersten drei Ränge einnimmt, wenn auch in unterschiedlicher Reihenfolge. Nun könnte man frei nach Alexander Gauland sagen: Die Franzosen wollen einen Schwarzen als Schauspieler, aber nicht als Nachbarn. Doch dem kann man entgegenhalten, dass sie nichts daran hindert, einen rein weißen Publikumsliebling wie den Star der Fußball-Nationalmannschaft Antoine Griezman ganz oben aufs Siegertreppchen zu wählen. Bei den Jugendlichen schafft er es tatsächlich auf Platz drei, doch auch hier ist Omar Sy die Nummer Eins.


Unbeeindruckt von der Stimmungsmache

Man muss die Umfrage wohl so verstehen: Es gibt in Frankreich keine schweigende Mehrheit, die Schwarze, Juden oder Muslime hasst oder sich so vor ihnen fürchtet, dass sie sie unsympathisch und bedrohlich findet. „Die Franzosen sind für Toleranz und Teilhabe“, sagt Omar Sy selber im Interview mit dem Journal Du Dimanche. Der Wunsch scheint in der Tat zu sein, ein friedliches Zusammenleben verschiedener Ethnien und Religionen zu fördern. Das Resultat der Demoskopie ist mehr als nur eine Momentaufnahme: Schon im letzten Jahr kam Omar Sy auf Platz Zwei, Goldman lag vor ihm.

Die Franzosen scheinen bei ihren persönlichen Präferenzen unbeeindruckt zu sein von einer Stimmungsmache, die mehr oder weniger offen die Ängste vor einem Verlust der französischen Identität schürt und mit Vorbehalten gegen angebliche muslimische Parallelgesellschaften, Juden oder Farbige jongliert. Das ist auch deshalb interessant, weil im beginnenden französischen Wahlkampf zur Präsidentschaft „identitäre“ Thesen und die Vermischung von Terrorismus, Islam und Zuwanderung eine herausragende Rolle spielen. Derzeit werden viele Versuchsballons gestartet, bei denen Konservative testen, wie gut bestimmte Botschaften ankommen, die nicht immer politisch ausformuliert sein müssen.

Das Journal du Dimanche folgert am Sonntag: „Es ist, als wollten die Leute sagen: ‚Ihr seht doch, dass wir alle zusammenleben können.‘“ Sy glaubt im Interview mit der Zeitung, dass das tatsächlich der Fall ist, „die Mehrheit aber zu oft schweigt.“ Der Wille, zusammenzuleben müsse breiter werden und sich stärker ausdrücken. Er wolle nicht mehr sagen: „Ich bin französischer Muslim, sondern: Ich bin Franzose, Punkt, egal was meine Hautfarbe und meine Religion sind.“ Jeder müsse „das Trikot Frankreichs tragen, dieses Frankreich ist unseres, wir dürfen nicht ruhen und nicht aufhören, seine Werte zu verteidigen!“ Viele Menschen versuchten, die Franzosen zu spalten, zu verhindern, dass sie sich ansehen und zuhören. Er fürchte, diese Leute könnten Erfolg haben.

Sy hatte vor kurzem gesagt, der Islamische Staat und die Front National seien zwei Extreme, die sich gegenseitig aufschaukelten und Hand in Hand arbeiteten. Vor zwei Wochen hatte der Schauspieler gefordert, der Tod des jungen Farbigen Adama Traoré im Polizeigewahrsam müsse aufgeklärt werden.

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