Klimaschutz Pariser Hype: Was bleibt?

Das Klima-Abkommen von Paris war eine diplomatische Meisterleistung. Am Freitag wird es zwar unterzeichnet – ist damit aber längst noch nicht in Kraft. Experten sind sich einig: Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.

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Zwei weiß gekleidete Männer kamen mit einer Fahne zu einer Flashmob-Aktion, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Quelle: dpa

Berlin/ New York Am 12. Dezember 2015 saust ein knallgrüner Hammer auf den Tisch vor Frankreichs Außenminister Laurent Fabius. Es ist ein historischer Moment: 195 Länder haben vereinbart, gemeinsam dafür zu arbeiten, dass die Erde sich um weniger als zwei Grad erwärmt. Die Klimadiplomaten jubeln. An diesem Freitag in New York dürfen sie sich noch einmal feiern. Dann wird das Abkommen von Paris unterzeichnet. Ob es mehr wert ist als das Papier, auf dem es steht, muss sich aber erst noch zeigen.

Denn in Kraft tritt das Abkommen erst, wenn es von 55 Staaten ratifiziert wird, die zusammen mindestens 55 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantworten. Die meisten Politiker gehen davon aus, dass dies klappt. Ab 2020 geht es dann darum, den Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem CO2, zu reduzieren. Darüber sind sich noch alle einig - über viel mehr allerdings nicht.

Für den Klimaforscher Ottmar Edenhofer ist klar, was jetzt her muss: Weltweit koordinierte, ausreichend hohe CO2-Preise. Heißt: Wer Treibhausgas produziert, soll zahlen. In Europa gibt es einen Emissionshandel, den Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, in seiner derzeitigen Form allerdings eher nutzlos findet. 2017 will China ein nationales Emissionshandelssystem einführen. Deutschland hilft nach Angaben des Umweltministeriums mit Rat und Tat im Wert von 5,5 Millionen Euro.

Die Logik hinter dem Ruf nach sogenannter CO2-Bepreisung: Wird der CO2-Ausstoß teuer, macht das Strom aus Kohlekraftwerken unattraktiv. Kohlekraftwerke, da sind sich die Experten einig, gehören zu den schlimmsten Klimakillern überhaupt.

Edenhofer führt aus: Von heute an dürften die Menschen noch etwa 700 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre blasen, wenn das 2-Grad-Ziel eingehalten werden soll. Laufende und weltweit geplante Kohlekraftwerke emittierten schon allein 400 Gigatonnen. Die Dynamik des Kohleausbaus könne Fortschritte bei den Erneuerbaren Energien und bei der Energieeffizienz nicht ausgleichen. Und was „negative Emissionen“ in Zukunft bewirkten, also die Einlagerung oder Umwandlung von CO2, sei nicht absehbar.

Deutschland will bis 2050 weitgehend aus der Kohle aussteigen. „Andere werden folgen - und letztlich werden wir eine Weltwirtschaft erhalten, die nahezu vollständig auf der Basis erneuerbarer Ressourcen basiert“, schreibt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, im diese Woche fertiggestellten Buch „Unter 2 Grad? Was der Weltklimavertrag wirklich bringt“.


Die Tür zum 2-Grad-Ziel

Aber das deutsche Beispiel zeigt auch, wie schwer der Kohleausstieg ist. Erst 2015 sind in der Bundesrepublik zwei neue Kohlekraftwerke ans Netz gegangen. Ob er nun eine Kohle-Abgabe vorschlägt oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erntet stets Kritik. An der Kohle hängen Arbeitsplätze.

Und dann ist da noch die Befürchtung, dass der Strom ausfällt, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst. Anderen geht alles viel zu langsam: Am Mittwoch forderten mehr als 40 Organisationen gemeinsam, schon bis 2035 komplett auf Strom aus Kohle zu verzichten.

Viele Länder setzen stärker auf Kohle als die Deutschen, etwa China, Indien, die Türkei, Vietnam und Indonesien. Experten bezweifeln, dass sie und andere ihre Versprechen zur CO2-Reduktion erfüllen. „Es gibt zwar Überprüfungsfristen, aber keine Sanktionsmechanismen“, mahnen Jörg Sommer, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung, und Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde, die Herausgeber von „Unter 2 Grad?“. Die Erfahrung zeige, dass Selbstverpflichtungen oft nicht eingehalten und schöngerechnet würden. Viele Forscher gehen davon aus, dass eine Erwärmung um 1,5 bis 2 Grad für Mensch und Natur gerade noch erträglich ist.

Was derzeit an Plänen auf dem Tisch liegt, reicht dafür nicht – es würde die Temperaturen um 2,8 Grad steigen lassen. Fest steht also, dass der gefeierte „Geist von Paris“ weiter entwickelt und schnell zu handfesten Taten führen muss, wenn die Menschheit die Klimakatastrophe verhindern will. In den Worten von Klimaforscher Edenhofer: „Wenn die Klimapolitik so bleibt wie bisher, ist 2030 die Tür zum 2-Grad-Ziel endgültig zugeschlagen.“

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